PA meets Hi-Fi Teil 3: noch ein 12-Zoll-Tieftöner von AUDAX mit Schaumstoffsicke
Nach vielen 12-Zöllern mit gewellter Textilsicke (s. 12" PA Tieftöner-Vergleich - Teil 2) mit ähnlichem Verhalten waren wir neugierig, ob sich ein 12-Zöller mit Gummi- oder Schaumstoffsicke deutlich anders verhält.
Nach einem Pärchen FAITAL 12RS430 und einem Pärchen AUDAX PR330M0 hat sich heute ein einzelner AUDAX PR300M0 in unsere Folterkammer begeben . . .
Die TSPs des PR300M0 sind laut Datenblatt von AUDAX aus dem Jahr 1994 "speziell": die niedrige Resonanzfrequenz Fs von 17 Hz hört sich vielversprechend an, aber das Äquivalentvolumen Vas von 1012 Litern wirkt eher abschreckend. Da sind wir mal gespannt was für TSPs unsere beiden in 2023 erworbenen Exemplare haben . . .
Unser wie immer sehr ausführliches Datenblatt klärt, wie sich der AUDAX PR300M0 in unserer Folterkammer schlägt und wie er optimal eingesetzt werden kann . . .
Das Chassis wurde uns von unserem Abonnenten marvinzange zur Verfügung gestellt.
Chassis-Datenblatt © www.hifi-selbstbau.de |
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Vertrieb: TLHP | Typ: PR300M0, 8 Ohm | Datenblatt des Vertriebs |
Foto des Chassis
Der äußere Eindruck:
Der AUDAX PR300M0 würde mit seinem Druckgusskorb, der Schaumstoffsicke und der Papiermembran als klassisches Hi-Fi-Chassis durchgehen - für PA sieht er eher ungewöhnlich hübsch aus. Der Druckgusskorb ist am äußeren Rand 11 mm stark - aber nicht massiv, sondern verrippt???. Für die Biegesteifigkeit ist aber im Wesentlichen die Höhe wichtig, und da diese gleich mit der 3. Potenz in die Biegesteifigkeit eingeht ist der Korb am Rand also 8x steifer als ein 5.5 mm dicker Druckgusskorb. Ein "Nebeneffekt" des dicken Randes ist, dass dadurch auch die Schaumstoffsicke beim Transport (und später) vor dem Eindrücken geschützt wird - so schlägt man 2 Fliegen mit einer Klappe . . .
Dabei offenbahrt sich aber auch ein Problem beim Einbau von vorne. Entweder man sägt/fräst sehr genau, oder etwas größer und muss dann die vertikalen Stege noch freifräsen. Jedenfallfalls wenn man einen absolut luftdichen Einbau möchte, zu dem immer unbedingt zu raten ist.
Klassicher Anschluss und Spider
Die Nawi-Papiermembran ist luftgetrocknet. Die Staubschutzkalotte ist aus demselben Material und hat einen Durchmesser von 105 mm.
Der Druckgusskorb bietet 6 Anschraubpunkte (alle 60°), aber nur 5 (alle 72°) relativ dünne Streben führen zur Aufnahmeplattform des Magnetsystems - das ist nicht optimal. Auch die Stabilität der Streben ist nicht optimal, bei Anregung mit dem Fingernagel klingen sie lange nach, wenn man das Chassis am Magneten festhält.
Von hinten fällt erst mal der nur 122 mm durchmessende und 20 mm hohe Ferritmagnet auf, der für die nur 48 mm durchmessende Schwingspule aber dennoch ordentlich motorisiert ist. Der Magnet hat keine Polkernbohrung, die dafür sorgt, dass das unter der Staubschutzkalotte eingeschlossene Luftvolumen nicht komprimiert wird, sondern entweichen kann. Auch die flache Zentrierspinne ist nicht hinterlüftet, da merkt man, dass das Chassisdesign schon fast 30 Jahre alt ist. Ungewöhnlich für ein PA-Chassis sind auch die vergoldeten Terminals mit 4 mm durchmessenden Anschlussbuchsen - das spricht eher die HiFi-Klientel an, denn PA-Chassis haben dort üblicherweise Klemmen, damit ein Austausch möglichst schnell geht.
Die thermische Belastbarkeit wird mit 100 Watt RMS angegeben, das ist nach heutigen Maßstäben eher wenig.
Der Schwingspulenträger ist aus elektrisch nichtleitendem Kapton.
Die vordere Polplatte ist 6 mm dick, die Wickelhöhe der Schwingspule ist 14.8 mm -> das ergibt - konservativ gerechnet - einen linearen Hub von nicht gerade üppigen +/- 4.4 mm.
Die TSP:
Membranfläche: | Außendurchmesser: Innendurchmesser: Plugdurchmesser: -> Membranfläche Sd: |
279 mm 233 mm 0 mm 514.7 cm² |
TSP (nur 1 Chassis, Anregung -6 dB): | Resonanzfrequenz Fs DC-Widerstand Rdc Mechanische Güte Qms Elektrische Güte Qes Gesamtgüte Qts Effektive bewegte Masse Mms Äquivalentes Luftvolumen Vas Kraftfaktor BL Wirkungsgrad Eta (1m, 2.83V, Halbraum) |
20.20 Hz (+/-?%) 5.79 Ohm (+/-?%) 3.993 (+/-?%) 0.378 (+/-?%) 0.346 (+/-?%) 41.90 gr (+/-?%) 556.3 dm³ (+/-?%) 9.03 N/A (+/-?%) 94.15 dB (+/-?) |
Wegen der nicht hinterlüfteten Zentrierspinne und der fehlenden Polkernbohrung ist die mechanische Güte mit knapp 4 eher niedrig (= hohe mechanische Verluste), obwohl der Kapton-Schwingspulenträger nichtleitend ist.
Die von uns ermittelten TSPs stimmen recht gut mit den AUDAX-Angaben von 1994 überein - wenn die Aufhängung 30% weicher wäre:
TS-Parameter | Einheit | HiFi-Selbstbau | AUDAX | Abweichung (original) |
HiFi-Selbstbau (30% weicher) |
Abweichung (30% weicher) |
Resonanzfrequenz Fs Gesamtgüte Qts Äquiv. Luftvolumen Vas Wirkungsgrad Eta (1m, Halbraum) Gleichstromwiderstand Rdc Effektive bewegte Masse Mms Kraftfaktor BL |
[Hz] [-] [dm³] [dB/2.83V/m] [Ohm] [gr] [N/A] |
20.2 0.346 556.3 94.15 5.79 41.9 9.03 |
17 0.26 1012 97 5.7 33 8.4 |
18.8% 33.1% -45% -2.85 1.6% 27% 7.5% |
16.9 0.289 794.71   |
-0.6% 11.3% -21.5%   |
Wegen der höheren bewegten Masse Mms (+27.0%) und identischer Resonanzfrequenz Fs ergibt sich ein kleineres äquivalentes Luftvolumen Vas (-21.5%).
Bei ca. 700 Hz ist eine größere und um 1.9 und 2.3 zwei kleinere Störungen im Impedanzverlauf erkennbar, die sich - wie üblich - auch im Schalldruck-Frequenzgang wiederfinden.
Die Resonanzfrequenz geht nur um 2.5% zurück, wenn man den Anregungspegel von -18 dB auf 0 dB (und damit die Eingangsleistung um den Faktor 64) erhöht. Erhöht man die Anregung um 6 dB (Leistung x4) steigt die Resonanzfrequenz wieder um 2.1% an - das ist ein durchaus günstiges Verhalten . . .
Lasip empfiehlt ein geschlossenes Gehäuse von 175 Litern, dann geht es allerdings auch bis 41 Hz runter (rote Kurve). In einem 300 Liter großen Bassreflexgehäuse, abgestimmt auf 23 Hz, geht es sogar bis 27 Hz runter (grüne Kurve). Spendiert man "nur" 200 Liter und stimmt auf 25 Hz ab, dann geht es "nur" bis 31 Hz runter (blaue Kurve).
Beim Platzproblemen reicht auch ein 69 Liter großes, geschlossenes Gehäuse: dann ergibt sich ein Qtc von 1 und mit einem Vorkondensator von 1000 uF geht es dann immer noch ohne Überhöhung bis 39 Hz runter:
Mit WinISD V0.70 (s. WinISD (beta)) wurde simuliert, wie viel Schalldruck bei welcher Frequenz erzeugt werden kann:
Relativer Frequenzgang [dB] | Maximaler Schalldruck [dB/1m] | Dafür benötigte Leistung [W] |
Schalldruck bei 20 Watt [dB] | Auslenkung bei 20 Watt [mm] | Strömungsgeschwindigkeit im BR-Rohr bei 20 Watt [m/s] |
- ab 80 Hz kann der AUDAX PR300M0 bis zu 113 dB in 1m Abstand produzieren
- wenn man die Tiefbass-Fähigkeiten ausnutzen will können um 40 Hz nur ca. 20 Watt linear in Schalldruck umgewandelt werden; dann sind mindestens 103 dB > 30 Hz erzeugbar
- dann wird nur ein 10 cm durchmessendes BR-Rohr benötigt (grün = 8 cm, blau = 12 cm)
Der Frequenzgang:
. . . verläuft auf Achse in 20 cm Abstand von 150 bis 1500 Hz weitgehend linear (Mittelwert 95.38 dB, Standardabweichung +/- 1.16 dB) - nur um 750 Hz (diese Frequenz kennen wir schon aus der Impedanzmessung) gibt es einen ca. 5 dB tiefen Einbruch (der auch entsprechend den Mittelwert und vor allem die Standardabweichung verschlechtert). Zwischen 1.5 und 3.5 kHz bäumt sich der Frequenzgang um 2.3 kHz (auch diese Frequenz kennen wir schon aus der Impedanzmessung) um bis 101.5 dB auf. Oberhalb von 3.5 kHz geht es frequenzgangmäßig steil bergab (ca. 70 dB bei 8 kHz), nur um 5 kHz gibt es ein letztes Aufbäumen von 91.5 dB.
Die Bündelung setzt ab ca. 900 Hz ein, der Frequenzgang fällt bis 1.6 kHz mit zunehmendem Winkel gleichmäßig ab. Um 1.9 kHz (diese Frequenz kennen wir schon aus der Impedanzmessung) wird dieser gleichmäßige Abfall gestört, es kommt zu einem Anstieg um ca. Winkel [°]/10 [dB]. Oberhalb von 2 kHz geht der Abfall bis ca. 3.3 kHz weiter und wird nur durch ein leichtes Aufbuckeln um 2.3 kHz kurz gestört. Um 5 kHz nimmt der Schalldruck bei höheren Winkeln wieder deutlich zu.
Dementsprechend fällt der winkelgewichtete Schalldruck oberhalb von 1 kHz zunächst leicht und ab 3 kHz dann stark ab, nur unterbrochen vom Aufbäumen um 1.9 und 5 kHz.
Der Bündelungsgrad steigt oberhalb von 900 Hz bis 3 kHz stark an.
Pseudorauschen > 200 Hz (0°, 15°, 30°, 45°, 60°; MP3 42 kB)
Sprungantwort/Pegellinearität
Bei der Sprungantwort sind mittelfrequente Nachschwinger nur knapp 3 ms lang erkennbar.
Die Zerfallspektren zeigen ein verzögertes Ausschwingen um 700 Hz (Sickenresonanz?) und zwischen 2 und 6 kHz.
Sprungantwort (Chassis 1, 20 cm, 0°)
Zerfallspektrum (Chassis 1, 20 cm, 0°)
Die Pegellinearität:
Bei einem Schalldruck von 89 bis 109 dB (das entspricht einer Anregung mit 1.36 bis 13.6 Volt bzw. 0.32 bis 32 Watt) zeigen sich ab (89) +17 dB (= 106 dB) unter 300 Hz und über 3 kHz Nichtlinearitäten > 0.5 dB. Durch die weiche Membraneinspannung (Cms = 1.48 mm/N) und das sehr große Volumen unseres Messpodests (ca. 1500 Liter) ergibt sich eine sehr geringe Einbauresonanz und damit eine hohe Auslenkung (s. Simulation mit WinISD bei 20 Watt im geschlossenen Gehäuse von 175 Litern)
Bei Steigerung des Anregungspegels um 6 dB (bzw. Vervierfachung der Eingangsleistung) setzen die Nichtlinearitäten > 0.5 dB entsprechend schon bei (95) +11 dB (= 106 dB). Das Chassis kollabiert < 200 Hz und > 110 dB aber nur leicht, erst ab +19 dB kollabiert das Chassis > 1.5 kHz zunehmend.
Der Klirrfaktor:
Die Klirrkomponente K2 verläuft oberhalb von 50 Hz weitgehend linear und steigt moderat mit dem Anregungspegel. Der unharmonische K3 hat eine Überhöhung zwischen 700 und 1200 Hz, das entspricht etwa der Überhöhung des Frequenzgangs zwischen 3*700 und 3*1200 Hz. Auch die Frequenzgangüberhöhung um 5.3 kHz ist bei 5.3/3 = 1.77 kHz erkennbar. Die Klirrkomponenten K5 verhält sich > 200 Hz ähnlich wie K3 - nur eben bei 3/5 der Frequenz. Dasselbe gilt auch für K7 bei 3/7 der Frequenz.
Ab 100 dB wird in 48 cm Abstand gemessen, dort taucht "plötzlich" K4 auf mit einer Spitze bei 470 Hz (passt zur Impedanzspitze bei 1.9 kHz). Ab 105 dB taucht eine weitere Spitze bei 720 Hz auf - hier gibt es ein Minimum der Grundwelle (Sickenresonanz).
Ab 110 dB spielen auch die übrigen Klirrkomponenten eine Rolle. Bei 110 dB steigen die Klirrkomponenten deutlich an, dann kommen auch K6 und K8 zum Vorschein. Selbst bei 115 dB kollabiert das Chassis noch nicht breitbandig.
Bei einem mittleren Schalldruckpegel von 85 / 90 / 95 / 100 / 105 / 110 / 115 dB liegt K2 zwischen 50 und 1500 Hz im Mittel bei 0.240 / 0.415 / 0.726 / 0.829 / 1.483 / 3.215 / 7.871%. Für K3 gilt in diesem Bereich ein Mittelwert von noch geringen 0.260 / 0.297 / 0.322 / 0.456 / 0.504 / 1.314 / 2.545%.
Nach unseren Untersuchungen (Klirrfaktor - wie viel ist zu viel?) lägen alle Klirrkomponenten bis 100 dB/darüber unter 38/45 Hz unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Der unharmonische K3 läge zwischen 596 und 1679 Hz (85 und 90 dB) bzw. 750 und 1334 Hz (95 und 100 dB) bzw. 750 bis 1189 Hz (darüber) oberhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle für Sinustöne. Für K5 gilt dies zwischen 422 und 1189 Hz (85 bis 95 dB) bzw. 447 und 1000 Hz (100 und 105dB).
Ab 110 dB Anregungspegel werden die "Überschreitungs"-Bereiche zunehmend kleiner -> je lauter desto weniger Klirr (ein durchaus günstiges Verhalten für ein PA-Chassis).
Klirrfaktor bei 85 bis 115dB/1m (Halbraum, 20cm (48 cm ab 100 dB))
HiFi-Selbstbau-Fazit:
Der AUDAX PR300M0 hinterlässt in unserer Folterkammer ein zwiespältiges Bild:
- die TSPs weisen ihn zwar als Tiefbass-Spezialisten aus, aber die dafür benötigten, großen Gehäuse und der begrenzte lineare Hub schränken den Einsatzbereich stark ein
- der Frequenzgang sieht bis 1.5 kHz gut aus und legt fast den Einsatz in einem 2-Wege-System nahe
- die Pegellinearität ist von 89 bis 109 dB gut, von 95 bis 115 dB schwächelt sie unter 200 Hz wegen der hohen Auslenkungen
- das Klirrspektrum ist gerade bei niedrigeren Pegeln bis 95 dB sehr "aufgeräumt", bei 110 dB nimmt der Klirr aber schon stark zu; es stört die K3-Spitze um 700 Hz
Der AUDAX PR300M0 scheint seine besonderen Qualitäten im Frequenzbereich 30 bis 600 Hz zu haben - wenn man ihm genug Volumen spendiert. Für Besitzer von Röhrenendstufen < 30 Watt/Kanal dürfte der limitierte Hub kein Problem sein, diese Fraktion hat oft auch kein Problem mit kühlschrankgroßen Gehäusen. Gepaart mit einem 4-5" Mitteltöner und einer 1"-Kalotte (= "old-school"-3-Wege-Lautsprecher) dürfte der AUDAX PR300M0 optimal besetzt sein.
Der AUDAX PR300M0 ist mit 174 € (z.Zt. nur bei TLHP erhältlich) deutlich preiswerter als der 369 € teure PR330M0 und für Besitzer von Verstärkern < 30 Watt die "bässere" Wahl. Mit ihm bekommt man einen 12-Zöller "klassischer" Bauart mit eher highfidelen Genen und einer schönen Frontansicht. Bei TLHP bekommt man sogar ein Re-Cone-Kit und ein Re-Foam-Kit.