Herzlichen Glückwunsch zum 500.
Als wir vor ca. 4.5 Jahren begannen die Kalibrierung von Mikrofonen als Service anzubieten hätten wir uns nicht träumen lassen, dass die Nachfrage so groß sein würde. Mittlerweile haben wir das 500. Mikrofon kalibriert - und dadurch eine "gewisse Übersicht" über die systematischen Abweichungen und die Streuung diverser Mikrofontypen.
Wir haben zwar schon eine ähnliche statistische Auswertung nach 100 bzw. 200 kalibrierten Mikrofonen gemacht, aber aus Anlass des 500. kalibrierten Mikros haben wir noch einmal alle Ergebnisse schön zusammengestellt um die Problematik noch deutlicher zu machen.
500 Mikrofonkalibrierungen - eine Übersicht
In den beiden ersten o.g. Artikeln wird beschrieben, wie wir bei der Mikrofonkalibrierung prinzipiell vorgehen. Der Begriff "Mikrofon" bezieht sich hier übrigens nicht allein auf das eigentliche Mikrofon sondern ggf. auch auf die Kombination aus Mikrofon und Vorverstärker. Wir empfehlen übrigens immer die komplette Kombination zu kalibrieren, damit der Frequenzgang des Vorverstärkers (insbesondere der Bassabfall durch das eingebaute Hochpassfilter) mit berücksichtigt wird.Das Ergebnis einer Mikrofonkalibrierung ist der Frequenzgang des Mikros in dB relativ zum Pegel bei 1 kHz (dort ist er also definitionsgemäß immer 0 dB) sowie die absolute Empfindlichkeit des Mikros bei 1 kHz in mV/Pa. Damit sind - ein spannungskalibriertes Messsystem vorausgesetzt - auch pegelrichtige Messungen möglich.
Wir kalibrieren die Mikros von 10 bis 21135 Hz mit einer Frequenzauflösung von 1/12 Oktave, so dass sich 134 verschiedene Pegelwerte ergeben (s. Beispieldatei).
Die 500 Mikrofone lassen sich in 9 Hauptgruppen aufteilen:
- 200x IMG STAGELINE ECM40 (80 €)
- 130x BEHRINGER ECM8000 (49 €)
- 78x einfaches Elektretmikrofon (25 € inkl. Kalibrierung)
- 19x DIY-Mikros mit der PANASONIC-Kapsel MCE2000 (inkl. DLSA, CANTON Digital, ATB-PCpro etc.)
- 8x SUPERLUX ECM999 (39 €)
- 8x t-Bone MM1 (35 €)
- 5x BEYERDYNAMIC MM1 (154 €)
- 3x HAUN MBNM 550 E-L (459 €)
- 49x sonstige Mikros
Die folgenden Bilder zeigen die Ergebnisse der einzelnen Mikrofongruppen. Dabei ist zu beachten, dass die Mikros teilweise mit unterschiedlichen Vorverstärkern betrieben wurden (ca. 90% waren aber IMG STAGELINE MPA-102 oder IMG STAGELINE MPA-202). Die Messungen wurden zum Großteil mit dem mitgelieferten Windschutz aus Schaumstoff gemacht, damit das Mikro im Falle eines Falles (im wahrsten Sinne des Wortes) eine höhere Überlebenschance hat:
-> leichte "Bassanhebung" mit relativ steilem Abfall
-> kontinuierlicher Höhenanstieg von im Mittel ca. 5 dB bei 20 kHz
-> linearer Verlauf im Bass mit sanftem Roll-off
-> deutlich höhere Streuung um 10kHz als ECM40
-> von 20 bis 3000 Hz nur wenige Ausreißer (Toleranzschlauch +/- 2.5 dB)
Abweichungen > +/- 10 dB kann man zwar noch numerisch korrigieren, diese "Fehler" ziehen aber andere Schmutzeffekte nach sich (die leiseren Frequenzbereich versinken z.B. eher im Rauschen). Zur Suche der optimalen Lautsprecher- und Hörposition im tieffrequenten Bereich sind diese Mikros aber sogar unkalibriert hervorragend zu gebrauchen.
-> recht linearer Verlauf im Bass mit sanftem Roll-off, starke Streuung durch
unterschiedliche Vorverstärker/Ankopplung
-> generell leicht ansteigender Verlauf, aber teilweise starke Streuung um 10 kHz
Bei den anderen Mikrofontypen liegen noch nicht genügend Daten vor um eine statistische Analyse zu machen.
Man sieht also: wer besser als +/- 2 dB genau messen will kommt um eine individuelle Kalibrierung nicht herum! Aber: wie genau ist die eigentlich?
Messgenauigkeit:
Im Rahmen der 1. ARTA-Reihenuntersuchung wurden die Messsysteme verschiedener Teilnehmer indirekt miteinander verglichen. Die Ergebnisse wurden bereits im Rahmen der 200. Mikrofonkalibrierung diskutiert. Dort finden sich auch Angaben zur Drift der Messapparatur. Hier eine aktualisierte Übersicht:
-> die Abweichungen sind normalverteilt -> keine Drift!
-> 80% der Messwerte liegen > 100 Hz im Bereich +/- 0.7 dB
Da im Rahmen einer jeden Mikrofonkalibrierung das Anregungssignal noch einmal mit dem Referenzmikro gemessen wird heben sich diese durch verschiedene Ursachen begründeten Abweichungen weitgehend heraus. Dennoch ist eine Mikrofon-Kalibrierung von HiFi-Selbstbau nicht beliebig genau. Es gibt:
- Unterschiede durch eine leichte Variation des Mikrofonabstands (50.0 +/- 0.5 cm -> Pegelabweichung von +/- 0.09 dB
- Messgenauigkeit der Spannungskalibrierung des Referenzmikros (+/- 1%) -> Pegelabweichung von +/- 0.09 dB
- Genauigkeit des Kalibrierprotokolls des Referenzmikros / Abweichung durch Luftfeuchtigkeit etc. -> Pegelabweichung von +/- 0.25 / 0.50 dB bei 10 / 20 kHz
- Unterschiede durch eine leichte Variation der Mikrofonposition (+/- 1°) und des Hängewinkels (+/- 1°) -> Pegelabweichung von +/- 0.25 / 0.50 dB bei 10 / 20 kHz
- Unterschiede durch Hintergrundgeräusch -> Pegelabweichung von +/- 0.50 / 1.00 dB bei 20 / 10 Hz
Zusätzlich gibt es ggf. noch Unsicherheiten durch eine unterschiedliche Versorgungsspannung:
- Unterschiede durch nicht repräsentative Versorgungsspannung (12 V statt 48 V) -> unbekannte Pegelabweichung (breitbandig)
- Unterschiede durch nicht repräsentative Versorgungsspannung und Auskoppelung bei Elektretmikrofonen (3 V, 4.7uF statt ? V, ? uF) -> unbekannte Pegelabweichung (breitbandig) + Einfluss im Bassbereich
Einbinden der Kalibrierdatei in unterschiedliche Messprogramme:
Die Kalibrierdatei ist für das Programm JustOct zugeschnitten. Da es sich aber um eine ASCII-Datei handelt kann sie leicht für andere Messprogramme angepasst werden. Oft reicht es einfach die Dateiendung umzubenennen:- Für ARTA und Hobbybox ist die Endung *.mic
- Beim RoomEqWizzard und bei HOLMImpulse ist die neue Endung *.cal
- Bei CARMA gibt es nur ein undokumentiertes Binärformat. Die Werte können dort (mit "komischen", vorgegebenen Stützstellen) in eine Maske eingetragen werden.
- Bei ATB kann man den Frequenzgang nur per Maus malen.
Im Zweifelsfall muss man in der Bedienungsanleitung für die Messsoftware nachschauen wie die Datei aussehen soll. Oder man guckt sich die standardmäßig mitgelieferte Datei z.B. mit einem ASCII-Editor an (z.B. Notepad).
Optionen:
Standardmäßig führen wir die Kalibrierung für die Beschallung von vorne durch (= Freifeldkalibrierung). Im reflexionsarmen Raum oder im Nahfeld des Lautsprechers muss das Mikro also auf die Schallquelle gerichtet sein damit die Kalibrierung und die Messung zusammen passen.Bei hohen Frequenzen ist der Frequenzgang eines Mikrofons stark richtungsabhängig. Hier wird z.B. der Frequenzgang bei Beschallung von vorne (= 0°) und von der Seite (= 90°) eines ECM-40 Mikrofons gezeigt:
Bei Messungen am Hörplatz kommt der Schall nicht nur von vorne sondern von allen Seiten. Bei Verwendung einer Freifeldkalibrierung und Ausrichtung des Mikros auf die Schallquelle (nur eine) wird nur der Direktschall "richtig" bewertet. Alle Reflexionen werden unterbewertet, da sie nicht genau von vorne auf das Mikrofon treffen.
Damit der Direktschall UND die Reflexionen gleicht gewichtet werden empfehlen wir das Mikrofon nach oben zeigen zu lassen. Dann treffen sowohl der Direktschall als auch die Reflexionen an den Seitenwänden unter 90° auf das Mikrofon. Damit diese richtig gewichtet werden muss das Mikrofon also unter 90° kalibriert werden. Diese Kalibrierung bieten wir optional zusätzlich an (s. Shop / Kalibrierung, unter Optionen).
Fazit:
Wenn man genauer als +/- 2 dB messen will ist eine individuelle Kalibrierung des Messmikros (ggf. samt Vorverstärkers) unumgänglich!Die "Beipackzettel" sind zwar schön anzuschauen, zeigen aber nicht das individuelle Verhalten des Mikros sondern eine generalisierte "Wunschvorstellung" ohne Angabe der Messbedingungen und von Streubändern.
Nach 500 Mikrofonkalibrierungen können wir sehen, dass unser Kalibrierprozess "langzeitstabil" und reproduzierbar ist. Die Kalibrierung entspricht zwar nicht dem höchsten Industriestandard, ist mit 25 € aber äußerst erschwinglich und erreicht zumindest für den semiprofessionellen Lautsprecherentwickler eine vollkommen ausreichende Genauigkeit.
1. Umbenennen der Datei, Endung ".mic".
2. Eingabe in ARTA lt. Kapitel 5.3 des Handbuches. Folgender Pfad ist zu benutzen: Setup-FR compensation.
Für mich ist das Problem gelöst, die Eingabe hat auch problemlos funktioniert. Interessant ist die graphische Darstellung des Frequenzganges beim eigenen Mikro. Auch das ECM 40 hat bei höheren Frequenzen schon nicht zu vernachlässigende Abweichungen.