Impedanzbegradiger und Pegelabsenker
Im 1. Teil der Artikelreihe ging es um "Verbiegungsschaltungen". Dort wurden zunächst mal nur "ideale" Chassis mit konstanter Impedanz angenommen. In der Praxis ändert sich die Impedanz aber mehr oder weniger stark mit der Frequenz, so dass sich eine andere Filterwirkung als gedacht ergibt. Das folgende Beispiel verwendet einen VISATON Basslautsprecher W200S (8 Ohm). Zunächst wird das Chassis im Menüpunkt "Chassis & Einbau / Chassis 1" unter dem Reiter "Chassisdaten" geladen:
und dann unter dem Reiter "Gehäuse & Impedanz" das Gehäuse definiert:
Das folgende Bild zeigt die Impedanz des VISATON Basslautsprechers W200S (8 Ohm) im gewählten Gehäuse (wie im 1. Teil sind alle Teilschritte als einzelnes Boxsim-Projekt abgespeichert und können als Gesamtpaket heruntergeladen werden (ZIP-Datei, 100 kB):
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_Direkt.bpj
So, jetzt wollen wir mal einen Tiefpassfilter 2. Ordnung bei 500 Hz bauen. Dummerweise ist die Impedanz abhängig von der Frequenz. Aber da die Weiche ja bei 500 Hz filtern soll nehmen wir den Wert bei 500 Hz von 10 Ohm als konstant an. Im Menüpunkt "Extras / Auslegung Standardweichen" werden die Weichenbauteile nach Eingabe von 500 Hz im Feld "Trennfrequenz [Hz]" und 10 Ohm im Feld "Impedanz Tieftöner [Ohm]" zu 4.502 mH und 22.51 µF berechnet:
Das runden wir auf den nächsten Wert der E12-Reihe (also 4.7 mH und 22 µF) und beschalten das Chassis entsprechend:
Damit wir uns den Frequenzgang des Chassis nicht "wegdenken" müssen betrachten wir einfach den Spannungsverlauf (hätte das Chassis von 10 bis 20000 Hz einen linearen Frequenzgang, dann würde der Spannungsverlauf mit Filter dem Spannungsfrequenzgang des gefilterten Chassis entsprechen):
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_TP2_500_Dir.bpj
-> Uups, was ist das denn?
Auf jeden Fall nicht die erwartete Filterfunktion mit einem -3 dB-Punkt bei 500 Hz und einem Abfall von 12 dB/Oktave (grüne Kurve). . . Was ist da denn passiert? Tja, der Lautsprecher ist eben kein ohmscher Widerstand. Zu hohen Frequenzen hin nimmt die Impedanz durch die Induktivität der Schwingspule zu. Bei tiefen Frequenzen (Überhöhung um 100 Hz) "stört" die Impedanzspitze bei der Resonanzfrequenz.
Impedanzbegradiger
Für beide "Problemzonen" gibt es Schaltungen, die das kompensieren können. Im Menüpunkt "Extras / Auslegung Impedanzkorrekturglieder" muss man dazu "nur" die richtigen Werte eingeben. Für die Kompensation der Schwingspuleninduktivität reicht die Eingabe des Gleichstromwiderstands und die Schwingspuleninduktivität. Zur Kompensation des Impedanzanstiegs bei der Resonanzfrequenz wird die Angabe der Resonanzfrequenz sowie der mechanischen und elektrischen Güte benötigt:
Hmh, ganz schön kompliziert. Welchen Wert für die Schwingspuleninduktivität gebe ich da denn z.B. ein? Im Chassisdialog gibt es insgesamt 3 verschiedene Induktivitäten, welche ist denn da die richtige? Im folgenden Bild wurden die Informationen aus dem Chassisdialog (Reiter "Chassisdaten" und "Gehäuse & Impedanz") kombiniert um die Zusammenhänge zu zeigen:
Vereinfachend kann man sagen:
- Wenn der zugehörige Parallelwiderstand Re? sehr hoch ist wird die Induktivität Le? vollständig zum Wert Le addiert
- Wenn der zugehörige Parallelwiderstand Re? sehr klein ist wird die Induktivität Le? nicht zum Wert Le addiert
Zum Wert von Le (= 0.425 mH) wird Le2 (= 0.785 mH) komplett hinzugerechnet, da Re2 mit 32.5 Ohm recht groß ist. Le3 (= 1.505 mH) wird durch den relativ kleinen Re3 (6.57 Ohm) ausgebremst und daher nur zu 1/3 berücksichtigt. Damit ergibt sich eine scheinbare Schwingspuleninduktivität von 0.425 + 0.785 + 1.505/3 = 1.71 mH). Den Rest muss man "manuell feintunen". Merke: probieren geht über studieren! Man beschaltet einfach das Chassis mit den Werten der Impedanzentzerrung und guckt sich die resultierende Impedanz an! Als Widerstand wählen wir den nächst höheren Wert der E12-Reihe und variieren den Kondensator von 47 µF (blau) bis 15 µF (rot):
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_EQ_Lvc.bpj
Ähnlich verfährt man mit der Impedanzentzerrung bei der Resonanzfrequenz. Die Resonanzfrequenz und die Güten kann man aus dem Chassisdialog (Reiter "Gehäuse & Impedanz" auf der rechten Seite) ablesen:
Mit der folgenden Schaltung erreicht man dann eine fast perfekte Impedanzlinearisierung:
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_EQ_Lvc+Reso.bpj
Eine lineare Impedanz ist ja schön und gut, aber eigentlich wollten wir ja eine bestimmte Filterfunktion erreichen. Wenn wir mal den Frequenzgang des Chassis als linear annehmen läuft das darauf hinaus, dass wir uns den Spannungsverlauf am Chassis angucken müssen. Also vergleichen wir diesen mit den verschiedenen Filterschaltungen. Idealerweise würde ein passives Filter ja vollkommen rückwirkungsfrei wie ein aktives Filter mit gleicher Steilheit funktionieren. Na, dann bauen wir uns doch erst mal so ein aktives Filter, damit wir eine "Zielkurve" haben. Dazu rufen wir den Dialog "Verstärker 1 / Aktive Filter" auf und geben die folgenden Werte ein:
Bei einer Güte von 0.7 ergibt sich im Durchlassbereich ein maximal flacher Verlauf, der dann möglichst schnell in die endgültige Steigung übergeht (Butterworth-Charakteristik, grüne Kurve). Dagegen hatten wir bereits oben den Verlauf des 1. Versuchs ohne Impedanzentzerrung aufgetragen (rote Kurve). Mit einer Impedanzentzerrung für den Impedanzanstieg der Schwingspule (47 µF + 6.8 Ohm parallel zum Lautsprecher) und entsprechend angepassten Bauteilen (2.7 mH, 39 µF) ergibt sich die orange Kurve. Mit der kompletten Entzerrung (Schaltung s.u.) ergibt sich die blaue Kurve:
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_TP2_500_EQs.bpj
-> bereits die Entzerrung der Schwingspuleninduktivität hat einen sehr großen Einfluss > 150 Hz
-> die Entzerrung der Resonanzfrequenz begradigt den Verlauf < 200 Hz
Bei einer geschlossenen Box ist die Ermittlung der Bauteilewerte für die Impedanzkorrektur im Bereich der Resonanzfrequenz ja noch relativ einfach, da hier die Gütewerte abgelesen werden können. Anders sieht es aus, wenn man eine Bassreflexbox baut oder den Impedanzanstieg einer gesamten Lautsprecherbox im mittleren Frequenzbereich begradigen will, damit es beim Betrieb mit Röhrenverstärkern keine unkontrollierte Veränderung der Klangbalance gibt (durch deren relativ hohen Innenwiderstand würde sich ansonsten ein frequenzabhängiger Spannungsteiler ergeben). Bauen wir den W200S8 doch einfach mal in eine virtuelle Bassreflexbox von 50 Litern ein, die wir auf 35 Hz abstimmen. Das geht im Menüpunkt "Chassis & Einbau / Chassis 1" unter dem Reiter "Gehäuse & Impedanz"
Dann ergibt sich folgender Impedanzverlauf (ohne Tiefpass, mit Entzerrung Schwingspuleninduktivität):
-> das Maximum der oberen Impedanzspitze liegt bei 51 Hz, beträgt aber "nur" noch 25 Ohm
Da wir über die Güten nichts wissen gehen wir erst mal von Qms = 10 und Qes = 1 aus. Damit ergibt sich C = 470 µF, L = 22 mH und R = 8.2 Ohm. Bei der Impedanzentzerrung einer Bassreflexbox kommt es darauf an, dass die Entzerrung nicht "zu breit" gerät, da ansonsten das Impedanzminimum bei der Abstimmfrequenz noch kleiner wird. Wenn man die Bauteile entsprechend ändert ergibt sich der "rote" Impedanzverlauf. :
Name des Boxsim-Projekts: W200S8_BR50_F35_EQs.bpj
-> die Entzerrung dehnt sich über die Abstimmfrequenz bis auf das untere Impedanzmaximum aus
Ein symmetrisches Impedanzmaximum mit unbekannten Güten (wie es sich z.B. als Gesamtimpedanz eines Lautsprechers im mittleren Frequenzbereich ergeben könnte) kann man also durch "Rumprobieren" mit der oben geschilderten Strategie linearisieren.
Pegelabsenkung
Oft kommt es vor, dass der Hoch- oder Mitteltöner "lauter" ist als der Basslautsprecher. Dann muss man den Pegel reduzieren. Das geht entweder mit einem Vorwiderstand oder mit einem Spannungsteiler. Beim Vorwiderstand erhöht sich die Anschlussimpedanz (Chassis samt Vorwiderstand) in etwa um den Wert des Vorwiderstandes. Das beschert einem kleinere Kondensatoren und größere Spulen sowie einen welligeren Impedanzverlauf der kompletten Box. Das ist nicht immer erwünscht. Wenn man die Anschlussimpedanz konstant halten will muss man zunächst einen Widerstand parallel zum Chassis schalten (-> die Impedanz erniedrigt sich) und dann einen Vorwiderstand zur Pegelreduktion verwenden. Boxsim ermöglicht im Dialog "Extras / Auslegung Spannungsteiler" eine Vorwahl der gewünschten Pegelabsenkung und der Anschlussimpedanz bei Vorgabe der Lastimpedanz:
Das folgende Bild zeigt einen Vergleich der Wirkung eines Vorwiderstandes (R = 6.8 Ohm; rote Kurve) und der eines Spannungsteilers (R1 = 3.3 Ohm, R2 = 6.8 Ohm; grüne Kurve) mit identischer, nomineller Pegelabsenkung auf ein reales Chassis (VISATON DSM50FFL):
-> beim Vorwiderstand schwankt die Absenkung von 2.5 bis 5.5 dB
-> beim Spannungsteiler schwankt die Absenkung nur von 4.5 bis 5.5 dB
Die entsprechenden Impedanzverläufe sehen wie folgt aus:
Name des Boxsim-Projekts: DSM50_Pegel.bpj
-> die Impedanz mit Spannungsteiler (grüne Kurve) ist viel gleichmäßiger
Der Spannungsteiler sorgt also für "idealere" Verhältnisse.
Universelle Wahrheiten beim Thema Frequenzweichen
Dennoch kann die Wirkung des Vorwiderstandes (leichte Bass- und Höhenanhebung) im speziellen Fall durchaus erwünscht sein, so dass man nicht generell sagen kann, dass ein Spannungsteiler immer "besser" ist. Das gilt im Übrigen für viele Aspekte der Weichenentwicklung. Es gibt bei diesem Thema keine "universellen Wahrheiten" sondern nur die geschickte und effiziente Anwendung aller möglichen Kniffe. Da jedes Weichenbauteil mehr oder weniger stark verlustbehaftet ist gilt aber generell:
Verwende so wenig Bauteile wie möglich aber so viele wie nötig! |
Im 3. Teil der Artikelreihe zum Thema Weichentricks geht es um spezielle Aspekte von Filtern 2. Ordnung
Vorwiderstände sind vor allem einfacher zu variieren als Spannungsteiler
Ein Vorwiderstand verändert definitiv die Filterfunktion, bei 6 dB-Weichen bei höheren Werten (Rvor >= Rdc) sogar deutlich die Trennfrequenz.
Weichenauslegungen mit Weichenrechern sollten nur als GROBER ANHALT bzw. als STARTWERT für eine Simulation z.B. mit Boxsim oder eine subjektive Optimierung dienen.
Eine Entlastung der Weichenbauteile ist bei Folienkondensatoren nicht relevant - die gibt es eh nicht unter 100 Vac Spannungsfestigkeit (= 2500 Watt an 4 Ohm, 1250 W an 8 Ohm). Meistens nimmt man eh einen "zu kleinen" Kondensator um den Pegelanstieg eines CD-Horns zu "tiefen" Frequenzen hin zu kompensieren, da wird die Weiche schnell hochohmig und es fließen auch für die Spulen keinen hohen Ströme.
Mit Boxsim kann man auch den Spannungsabfall über bzw. den Strom durch einzelne Bauteile bestimmen - da bin ich jetzt aber zu faul dazu :whistle:
Gruß Pico