Von Guido J. Wasser (Elektor 04/1986)

Guido J. Wasser, der Verfechter von aktiven Vierweg-Konstruktionen, zeigt hier die optimalen Kompromisse bei einer passiven Dreiweg-Box, die nicht zu teuer werden darf.

Elise ist Fotografin und Musikliebhaberin. Irgendwann versprach ich, ihr eine Box zu bauen. Nur einfach hat man’s nicht mit Elise. Auf der „High-End“, dem Mekka der Hifi-Fans, schimpft die dauernd. Entweder findet sie den Klang blechern, schrill oder bumsig, eben „Klang“ und nicht Reproduktion. „Wenn ich so fotografieren würde, wie diese Boxen verfärben, würden mir sogar die Models weglaufen!“ Oder das optische Design ist ihr ein Gräuel. „Das würdest nicht mal du in die Wohnung stellen“, meinte sie mal. Ob das ein Kompliment oder das Gegenteil war, weiß ich bis heute nicht …

Eine Box für Elise ist schon ein harter Brocken. Möglichst verfärbungsarm im Klassikbereich, besonders bei der kritischen menschlichen Stimme „Elise singt in einem renommierten Kölner Chor und hört auch kleine Fehler). Dann soll sie in ihre elegante einfache Wohnung und zu ihr passen. Letztendlich darf das gesamte Material nicht mehr als 2 Kilomark kosten, denn Fotografinnen werden schlecht bezahlt, und wenn Frau das Geld in edle Elektronik steckt, bleibt eben nicht mehr viel für Lautsprecher übrig. Warten wollte sie auch nicht mehr lange; Boxen hatte sie zwar, die im Laden recht passabel klangen, in ihrer Wohnung jedoch grauslich wimmerten. Es war eben ein Sonderangebot einer indirekt abstrahlenden Konstruktion!

Mit diesen Vorgaben hatte ich mir was ausgedacht. Zusammen mit Andreas, dem Fotografen, Designer und gute Handwerker überlegte ich hin und her, bis wir den Stein der Weise fanden. Wir bauten die Box nach Elises Ebenbild:
Wertvoll, aber nicht teuer; schlank, wohlproportioniert mit Muskeln; etwas extravagant und sehr direkt, ohne aufdringlich zu sein. Nur in einem Punkt wich ich von Elise und meinen Konstruktionsprinzipien ab: aktiv war aus Kostengründen nicht möglich; also musste eine Passivweiche ausreichen.

Bass und Gehäuse

Schalldruck ohne Rücksicht auf Verzerrungen, wie bei einigen Pop-Konstruktionen ist hier nicht gefragt. Im Gegenteil: der Bass muss im Frequenz- und Zeitbereich sauber reproduzieren. Also trocken ein- und ausschwingen, ohne Resonanzen durch stehende Wellen. Schalldruck ist zweitrangig. Gute 90 dB bei 40 Hz und 100 dB bei 60 Hz sollten jedoch ohne Kompressionsverzerrungen noch möglich sein. Auch nicht gerade wenig, denn ein Motorrad darf bei der gleichen Messmethode maximal 85 dB erreichen! Als Tieftöner benutzte ich den Dynaudio 30 W 54. Diese solide und sauber gefertigte Konstruktion hat 452 cm2 aktive Membranfläche, die durch eine 54-mm-Spule angetrieben wird. Die Thiele-Small-Parameter sind: QTS = 0,36; VAS = 257 l; Resonanzfrequenz 20 Hz.

Der fertige Lautsprecher steht vor einer Wand. Also wähle ich einen QTC von 0,65, daraus ergibt sich ein VAB von 113,715 Litern bei einer fc von 36,1 Hz.
In der Praxis benötigt Elise ein geschlossenes Gehäuse mit Acrylwatte locker gefüllt und einem Nettovolumen von rund 95 Litern (113,715 : 1,2). Damit erreicht sie einen Frequenzgang, der in den Tiefen bei 36 Hz erst um 3 dB abfällt (der Subwoofer „Presto“ aus Elektor 12/85 benötigt beim gleichen Bass zwar weniger Volumen, fällt aber durch seinen QTC von 0,75 und fc von 42 Hz früher ab). Das obere Ende der sauberen Wiedergabe wird durch Richteffekte limitiert. Bei dieser 24-cm-Membrane entsprechen 708 Hz der halben Wellenlänge. Also muss der Übertragungsbereich etwas davor beendet sein.

Andreas schwebt ein elegantes, schlankes Gehäuse vor. Die Breite von 33 cm gab ein lichtes Maß von 28 cm bei der verwendeten 2,5-cm-Wandstärke. Die erste stehende Welle kann also bei λ/2 auftreten.

Dies entspricht einer Frequenz von (340 : 0,28) : 2 = 607 Hz. Diese Frequenz darf der Bass also auch nicht erreichen, sonst verfälschen Resonanzen durch stehende Wellen im Boxeninnern den Frequenzgang und noch viel stärker das Ein- und Ausschwingverhalten. Alle Halbwellen und deren ganzzahlige Vielfache, die zwischen zwei Wände passen, kommen in Resonanz. Je größer die Parallelität ist, desto ausgeprägter macht sich dies negativ bemerkbar. Also musste Andreas beim Bau der Box aufpassen, keine parallelen Wände im Abstand größer als 28 cm im Boxeninnern zu haben und trotzdem 95 Liter unterzubringen.

Design

Wie Sie aus der Abbildung sehen, hat er das genial gelöst. Die Boxentiefe ist mit 28 cm außen und 23 cm innen etwas geringer als die Breite. Horizontal treten also erst ab 607 Hz bzw. 739 Hz stehende Wellen auf.

Das erforderliche Volumen verlangte 170 cm Höhe im Inneren. Das ist nicht viel, denn Lautsprecher, Weiche und Versteifungen nehmen rund 14 Liter weg! Ohne Tricks und Kniffe wäre diese Konstruktion – wie so viele Designobjekte – eine akustische Katastrophe. Die Vertikalresonanz läge bei 100 Hz, also wäre alles drüber verwaschen. Zusätzlich schwingt so ein Unikum ohne Gegenmaßnahmen fürchterlich mit. Auch doppelt so dicke Wände neigen bei diesen Längen zu Biegeschwingungen.
Also bauen wir akustische Schotts ein und schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Das schräge Versetzen der Bretter in kurzem Abstand verhindert Resonanzen, die Gehäusewände werden um Größenordnungen steifer, und der Bass wird pneumatisch gleichmäßig belastet, neigt also nicht zum Taumeln. Heco hat darauf ein Patent!

Jetzt hatten wir ein leichtes, stabiles Gehäuse, wie im Flugzeugbau üblich, dessen erstmögliche Resonanz bei 607 Hz auftreten konnte. Der Bass ist im unteren Drittel eingebaut; etwas weg vom Boden, so dass Raumresonanzen weniger angeregt werden. Trotzdem nicht zu hoch, damit der Unterscheid zwischen Bodenreflexion und Direktschall nicht zu groß wird. Dies ist nur bei tiefen Frequenzen wichtig, da Teppiche Mitten und Höhen stark absorbieren.

Mitten

Kalotten, die zwischen 500 Hz und 5 kHz sauber arbeiten, fand ich keine. Die Abstrahlcharakteristik ist nur vom Membrandurchmesser und nicht von der Form abhängig. Wer nicht meiner Meinung ist, soll sich mal überlegen, wie dann die nach innen gewölbten Kalotten von Epicure etc. funktionieren. …

Für die relativ tiefe untere Grenzfrequenz des Mittentonbereichs benötige ich schon anständige Membrandurchmesser. Zusätzlich sollte der Mitteltöner den gleichen Wirkungsgrad wie der Tieftöner aufweisen. Nur so lässt sich eine Weiche ohne Widerstände bauen, um den guten Dämpfungsfaktor des Verstärkers nicht drastisch zu reduzieren. Ganz schön viele Anforderungen an das Chassis; da lobe ich mir die Aktivkonstruktionen, die auf Wirkungsgrad kaum Rücksicht nehmen müssen.

Beim Blättern in Messungen der letzten 20 Jahre fiel mir nicht eine neue Superkonstruktion, sondern der über Jahre optimierte Peerless KO 40 MRF in die Hände. Dies ist ein Mitteltöner mit einer 8-cm-Konusmembran und abgeschlossenem Luftvolumen. Seine Resonanzfrequenz liegt bei 100 Hz. Kurz darüber kann er eingesetzt werden. Die kleine Schwingspule ist für eine Pop-Box weniger geeignet. Bei Klassik liegt der höchste Energieanteil um 200 Hz, gefährdet also Mitteltöner, die erst ab 500 Hz übernehmen nicht mehr. Eine steile Weiche ist allerdings Vorbedingung.

Der KO 40RMF ist mit seinen 91 dB pro Watt in 1 m Abstand genau so empfindlich wie der verwendete Tieftöner 30 W 54 von Dynaudio. So kann er ohne „Widerstandsbremse“ an den Tieftöner angekoppelt werden. Schon eine einfache Pegelanpassung über einen kleinen Längswiderstand reduziert den Dämpfungsfaktor des angeschlossenen Verstärkers so drastisch, dass auch teure 4- oder 6-mm-Kabel den Effekt von dünnen Billigstrippen bringen. Doch davon mehr im Weichenkapitel.
Der Mitteltöner beginnt rechnerisch bei λ/2 = 2 kHz den Schall zu bündeln. Bei diesem Typ ist dies jedoch noch nicht so kritisch, da bei hohen Frequenzen der Rand durch seine Maße weniger Hub macht und nur noch der innere Teil voll schwingt. Kein perfektes System zwar, aber ein sinnvoller Kompromiss, gegeben durch die kleine Antriebsspule. Kritisch wird’s erst bei λ, also rund 4 kHz. Davor muss der Übertragungsbereich aufhören. Darüber wird der Schall in wechselnden Bündeln abgestrahlt, zeigt Resonanzen im Amplituden- und Zeitbereich und erzeugt schließlich drastisch Oberwellen. Der Einsatzbereich ist also auf ungefähr 400 Hz bis 3 kHz festgelegt.

Höhen

3 kHz bis zur oberen Hörgrenze is tein weiter Bereich. Mit Elektrostaten, die sich hier auch vom Preis her verbieten, ist die obere Frequenzgrenze nicht sauber zu schaffen. Konusmembranen haben dasselbe Problem – sie richten durch zu große Membranabmessungen zu stark. Bändchen und Ionophone gehen sauber zu wenig tief herunter, auch wenn sie oben noch Reserven haben. Hier liegt die Domäne der Kalotten. Kleiner Durchmesser und kräftiger Antrieb durch maximale Spulengröße.

Absolut gesehen ist die Spule allerdings nicht sehr groß. Der Durchmesser liegt bei 20 – 25 mm und die Wickelhöhe ist winzig. So bleibt die bewegte Masse gering. Dies ist wichtig für die bis zu 30 000 Beschleunigungen und Verzögerungen pro Sekunde allein im Hörbereich. Doch wo soll die Wärme hin? Die Empfindlichkeit von 91 dB für 1 Watt angenommener Leistung entspricht 8 mW abgestrahlter Leistung. Also liegt der Wirkungsgrad bei 0,8 %. Die restlichen 99,2 % müssen als Wärme abgegeben werden, damit die Spule nicht einfach verbrennt. Eine Belüftung des Magnetkerns bringt hier nicht sehr viel, da der geringe Membranhub kaum heiße Luft wegschaffen kann.

Zwei Verfahren haben sich bewährt. Ferrofluide, thermisch leitende, nicht flüchtige (zumindest einige Jahre) Öle leiten die Schwingspulenhitze an den Magneten ab. Dieser strahlt mit seiner großen Oberfläche die Energie ab. Zwar geht das meiste hinten in die Box, wo es schon heiß ist, aber es hilft. Die Grenze ist dort erreicht, wo sich der Magnet so erhitzt, dass er selber Energie verliert, also die benötigte Feldstärke und somit den Wirkungsgrad des Lautsprechers drastisch herabsetzt.

Ein ganz neues Verfahren hat die Firma Mikrophonbau (MB), Neckarelz, entwickelt. Membrane und Schwingspulenträger werden nicht mehr verklebt, sondern aus einem Stück Titanfolie gezogen. So wird die Schwingspulenhitze ohne störende Wärmereflektionen an die Membrane abgegeben. Die Magnetaufzeichnung beginnt also wesentlich später. Zusätzlich ist die Kalottenmembran leicht und steif, kann demnach dem Signal gut folgen. Membranresonanzen sind zwar ausgeprägt, treten jedoch erst außerhalb des Hörbereichs auf. Bei der MCD 25 von MB tritt diese Resonanz erst bei 25 kHz auf.

Einen Nachteil hat dieses Verfahren. Es ist nicht billig. Beim Hochtöner ist der Preis noch akzeptabel, der Mitteltöner von MB jedoch ist nur noch unter „Luxus“ einzuordnen! Trotzdem verwenden immer mehr Boxenhersteller Titankalotten. Die von Magnat, MB und die von Sony kommen aus dem gleichen Stall; Hecos nicht vom selben Hersteller aber prinzipiell auch aus demselben Stall. Dann gibt es noch titanähnliche Substitute, genauso wie es auch Wabenmembranen gibt, die aus einer geprägten Folie bestehen, also nur ihre Nachteile, nicht die Vorteile (Sandwichfestigkeit) übernommen haben …

Ich habe mich bei Elises Box für den Hochtöner MB MCD 25 entschieden. Nach Feinabstimmung der Weiche stellt ich mit Erstaunen fest, dass auch der Dynaudio D 21 AF (Ferrofluid) damit funktioniert. Nachbauer haben jetzt die Alternative. Der MCD 25 hat seine Resonanz bei 1kHz. Vom Frequenzgang her könnte er schon unter 2 kHz eingesetzt werden. Berücksichtigt man Impulsverhalten, Belastbarkeit und Kompressionsgrenze durch Membranfläche und linearen Hub, so sind 3 kHz sinnvoll. Das gleiche gilt sinngemäß auch für den Dynaudio mit 4 mm kleinerem Membrandurchmesser und 30 % höherer Resonanzfrequenz.

Natürlich beginnen Kalotten im Hörbereich den Schall zu richten; bei diesen Systemen ab 7 kHz. Die kritische Wellenlänge wird bei 14 kHz erreicht. Hier hätte ein Bändchen horizontal Vorteile, vertikal ist der Richteffekt dafür allerdings noch viel ausgeprägter. Da bewegt man sich allerdings auch weniger. Ncht mal Elise hängt beim Musikhören an der Decke oder liegt auf dem Fußboden. Nach links und rechts bewegt sie sich allerdings schon mal. Bei der Kalotte sind beide Öffnungswinkel identisch, also sind Bewegungen von 20 – 30 Grad in allen Ebenen unkritisch.

Weiche

Aktive wie passive Weiche gehen in der Berechnung von einem reellen Widerstand aus. Bei gut aufgebauten Aktivweichen arbeitet das Filter auf einen konstanten Widerstand, der weder wesentliche kapazitive Elemente beinhaltet, noch seinen Wert mit der Frequenz erhöht. Frequenzgang und Einschwingverhalten sind also theoretisch recht genau berechenbar. Eine Nachprüfung der fertigen Weiche mit hochgenauen Messinstrumenten zeigt dann höchstens Abweichungen im Promillebereich. Ganz anders bei der passiven Weiche. Hier ist der Abschluss kein reeller Wert, sondern ein Lautsprecher mit ohmscher, induktiver und kapazitiver Komponente. Der Widerstand ändert sich sehr stark mit der Frequenz und auch mit der Aussteuerbarkeit. Zusätzlich liefert die Schwingspule bei jedem Ausschwingvorgang Energie zurück. Auch der Q-Wert eines Lautsprechers erhöht sich durch die vorgeschaltete Weichenspule. Es gehört viel Wissen um die komplexen Zusammenhänge und deren Wichtigkeit fürs Hören dazu, eine Weiche zu optimieren.

Um überhaupt Tabellen und Formeln zur Berechnung heranziehen zu können, sollte die Weiche deutlich über der Resonanzfrequenz des Chassis liegen und der Impedanzanstieg mit steigender Frequenz bei dynamischen Systemen korrigiert werden. Dies geht einfach mit einer R-C-Kombination parallel zur Schwingspule. Je größer der Widerstand der Spule wird, desto geringer wird der Widerstand des parallel geschalteten Kondensators. Damit er nicht zu tief sinkt, ist der Längswiderstand da. Kompensieren sich die beiden Kurven, kann der Lautsprecher fast wie ein reeller Widerstand angesehen werden. Natürlich ändert sich dadurch der Frequenzgang des Lautsprechers bei vorgeschalteten Spulen (Ri), da ihm der Kondensator frequenzabhängig Verstärkerleistung entzieht! Der Widerstand entspricht der Nennimpendanz, also 4 Ω für einen 4- Ω -Lautsprecher und 8 Ω für einen 8- Ω -Lautsprecher. Wenn das „L“ der Schwingspule bekannt ist, so lautet die Formel: C = L/R2. Jetzt könnte man die Weichenbauteile ganz einfach aus den einschlägigen Tabellen aussuchen und zusammenbauen. Dies funktioniert allerdings nur, wenn alle Lautsprecher denselben Wirkungsgrad haben. Wirkungsgradangaben liest man selten; sieht eben traurig aus, wenn ein Hersteller 0,7 % schreiben muss! Dafür wird der Kernschalldruck angegeben, was dasselbe aussagt: 112 dB wären bei konzentrischer Abstrahlung 200 %. Nun muss eben dieser Wert bei allen Chassis übereinstimmen. Allzu viel Spielraum ist da allerdings nicht. Ist die Angabe beim Tieftöner 87 dB SPL (Sound Pressure Level) in 1 m Abstand gemessen bei 1 Watt Eingangsleistung und beim Mitteltöner 90 dB bei 1 m pro Watt, ist der Unterscheid 3 dB. Das ist nicht wenig, denn 3 dB ist eine Leistungsverdoppelung, d. h. der Mitteltöner strahlt bei gleicher Eingangsleistung doppelt soviel Schall ab wie der Tieftöner!

Um das Ganze noch komplizierter zu machen, bezieht sich die Leistung auf die Nennimpedanz. Hat der Bass 8 Ω und der Mitteltöner 4 Ω, so benötigt der Mitteltöner für 1 Watt 2 Volt und der Bass 2,83 Volt. Da der Verstärker der Hifi-Anlage spannungskonstant funktioniert, liegen bei gleicher Spannung von 2,83 Volt am Tieftöner 1 Watt und am Mitteltöner U2/R = 2 Watt an. In der Praxis macht also bei konstanter Amplitude am Eingang der Tieftöner 87 dB und der Mitteltöner 93 dB Schalldruck. Der Mitteltöner strahlt also die vierfache Schallleistung des Basses ab. Deshalb Finger weg von unterschiedlichen Impedanzen, wer die Zusammenhänge nicht ganz genau kennt!

Auch unterschiedliche Empfindlichkeiten machen schon genug Kopfzerbrechen. Ist die Differenz bei gleicher Impedanz 3 dB, kann der Pegel mit einem Spannungsteiler angeglichen werden. Beim Hochtöner mit seinen geringen und auch nur kurzzeitigen Leistungen geht das noch. Beim Mitteltöner wird’s leistungsmäßig schon kritisch und beim Tieftöner unmöglich. Oder wollen Sie die halbe Leistung eines 100-Watt-Basses in einem Widerstand verheizen?

Musikalisch relevanter ist der Dämpfungsfaktor. HiFi-Zeitschriften bezeichnen Dämpfungsfaktoren von 20 – 30 schon nicht mehr als gut. 50 – 100 sollten es schon sein. Dieser Faktor ist der Reziprokwert des Innenwiderstandes bezogen auf die Nennimpedanz und meist frequenzabhängig. So hat ein Verstärker mit einem Innenwiderstand von 0,1 Ω bezogen auf 4 Ω einen Dämpfungsfaktor von 4/0,1 = 40; und bezogen auf 8 Ω ist der Faktor plötzlich 80. So einfach lassen sich Daten verbessern, man muss nur den günstigsten Bezugspunkt angeben!

Doch zurück zur Praxis. Die bewegte Membranmasse wird nach einem Impuls am besten elektromotorisch gebremst. Je höher die schwingende Masse, desto wichtiger ist ein guter Dämpfungsfaktor. Beim Hochtöner mit seiner geringen Masse ist die Luftsteife im Verhältnis groß; der Dämpfungsfaktor zur Kontrolle des Ausschwingvorganges hat also nur geringen Einfluss. Schon beim Mitteltöner und erst recht im Bass mit schwingenden Massen um 100 Gramm hilft ein guter Dämpfungsfaktor viel. Benutzt man einen Verstärker mit einem Dämpfungsfaktor 100 bei 8 Ω (Ri = 0,08 Ω) und schließt ihn aktiv direkt an einen 8-Ω-Mitteltöner an, so liegen Leitungs- und Kontaktwiderstände bei ca. 0,1 Ω. Der wirksame Dämpfungsfaktor ist also noch 8/(0,08 + 0,1) = 44. Eine gute Passivweiche addiert durch die Serienspulen nochmals mindestens 0,2 Ω dazu. Jetzt reduziert sich der Dämpfungsfaktor auf 21; immer noch ein guter Wert für Musikfans. Für HiFi-Puristen: Ein Verstärker mit dem gigantischen Dämpfungsfaktor von 1000 erreicht in dieser Schaltung am Chassis noch 26, bei 4 Ω natürlich die Hälfte; bei 50 wären es 17 bzw. 8,5. Die Hi-Fi-Freaks haben also schon recht, wenn sie dicke Kabel, schwere Spulen und 8-Ω-Chassis verwenden. Dann lohnt sich auch ein Verstärker mit Dämpfungsfaktor um 100.

Anders sieht’s allerdings bei einer Pegelanpassung von 3 dB durch einen Längswiderstand aus; mit einem Parallelwiderstand geht’s leider nicht. Den 8-Ω-Mitteltöner erreicht vom Dämpfungsfaktor 100 nur noch 8/(0,08 + 0,1 + 8) = Faktor 0,98 an der Schwingspule. Natürlich kann man mit einer Kombination aus Serien- und Parallelwiderständen versuchen, den wirksamen Dämpfungsfaktor zu erhöhen. Dadurch wird noch viel mehr Leistung in den Widerständen verbraten; mehr als den Dämpfungsfaktor 3 erreicht man trotzdem nicht.

Fazit: Schon bei 2 bis 3 dB Unterschied im Wirkungsgrad der Lautsprecher-Chassis verschlechtert eine passive Weiche den Dämpfungsfaktor so stark, dass dieser Impulse der Chassis nicht mehr kontrollieren kann. Am schlimmsten wirkt sich dies im Tief- und Mitteltonbereich aus. Chassis, die bei korrektem Anschluss hervorragend reproduzieren können, aber in der falschen Kombination unkontrolliert wummern. Deshalb gilt für passive Boxen, dass im unteren Frequenzbereich nur Lautsprecher mit identischem Wirkungsgrad bzw. Empfindlichkeit zu nutzen sind.
In der Box für Elise verwende ich nur 8-Ω -Lautsprecher. In keinem Bereich überschreiten Spulen-, Kabel- und Kontaktwiderstand den Gesamtwert von 0,3 Ω . So bleibt von ihrem Verstärker von ursprünglich 100 immer noch ein Dämpfungsfaktor von 21 zur Impulskontrolle übrig. Also hat sich die Rechnerei gelohnt.

Voraussetzung sind allerdings Spulen mit einem Innenwiderstand zwischen 0,1 und 0,13 Ω sowie direkt angelötete kurze 2,5-mm2-Litzen. Mit Luftspulen sind diese Werte bei der unteren Übernahmefrequenz kaum mehr zu erreichen. Eisenkerne dürfen in diesem Frequenzbereich bedenkenlos eingesetzt werden, sofern der Luftspalt so groß ist, dass die Sättigung bei 30 Volt und 4 Ampere noch nicht erreicht wird. So treten keine Eisenverzerrungen bis gut 100 Watt auf.

Steilheit

Mit 6 dB pro Oktave ist die billigste Weiche zu bauen. Leider auch die schlechteste. Beim Dreiwegesystem müssen die eingebauten Lautsprecherchassis einen breiten Bereich überdecken. Schon kurz außerhalb treten Unsauberkeiten, wie Richtsenken, Resonanzen und Verzerrungen durch zu großen Hub auf.

Für Elises Box wählte ich Weichen 3. Ordnung, also 18 dB pro Oktave. Die Phasendifferenz zwischen Hoch- und Tiefpass ist hier 180°, so dass der Mitteltöner lediglich verkehrt gepolt werden muss, und schon stimmt die Phase wieder.
Das theoretisch etwas schlechtere Impulsverhalten gegenüber der 6-dB-Variante nehme ich gerne in Kauf. Die Unterschiede sind zwar noch messbar, die Impulse bei guter Auslegung jedoch immer noch viel schneller als jedes Chassis. Was nützen mir theoretisch bessere Impulse, wenn dafür die Chassis noch weit in verbotene Gebiete hineinarbeiten? Perfektionieren lässt sich die Impulswiedergabe sowieso nur mit Aktivbetrieb. Die passive Weiche 3. Ordnung ist musikalisch ein guter Kompromiss, genauso wie das Dreiwegsystem. Nicht nur die Spulen müssen mit Bedacht ausgewählt werden; auch die Kondensatoren verdienen Beachtung. Elkos sind verboten.

Der alte Trick, zwei gepolte Elkos in Reihe zu schalen, ist schlecht. Die Kapazität halbiert sich laut Lehrbuch nicht. Der Elko in der falschen Richtung schließt einfach kurz, so dass sein frequenzabhängiger Kurzschlusswiderstand in Reihe zum zweiten Elko bleibt. Da jedes dieser Bauteile bis zu + 100% und – 50% Toleranz haben kann, ist diese Billigvariante für HiFi tabu. Auch sogenannte glatte Tonfrequenzelkos sind höchstens im Massezweig und nicht im Signalzweig einzusetzen. Gute Ausführungen haben immer noch 20 % Toleranz, verzerren bei hohen Strömen und ändern ihre Kapazität im Laufe der Monate.

Ideal für passive Weichen sind induktionsarme Kunststoffkondensatoren, die bei Toleranzen um 2 % hohe Ströme verzerrungsfrei übertragen. Auch jahrelanger Betrieb ändert die Daten nur unwesentlich.


BILD 1 – Schaltung der passiven Weiche 3. Ordnung

Gehäuse

Durch den gewünschten QTL von 0,65 lag das Gehäusevolumen fest. Die Säule ist ganz einfach aufgebaut. 25-mm-Birkensperrholz hat sich bewährt, einige nennen es 24er, andere 25er. Beim Nachmessen liegt es meist bei 25 mm.

Elise sitzt oft beim Musikhören. Also sind die richtempfindlichen Hochtöner direkt auf Ohrhöhe eingebaut. Eng darunter, um Phasendifferenzen klein zu halten, liegt der Mitteltöner. Bei dieser Einbauart treten horizontal keine Laufzeitverzerrungen auf. Darunter der Tieftöner, der noch genügend hoch liegt, um Raumresonanzen zu vermeiden.

Ist das Gehäuse dicht, wird es mit Acrylwatte locker gefüllt. Bei diesem geschlossenen Gehäuse bringt eine Dämpfung an den Wänden nichts. Die höchste Energie tritt als Schwingungsbauch in der Mitte zwischen den Wänden auf. Deshalb die Füllung mit der lockeren Acrylwatte. Schafwolle zieht im entfettetem Zustand Wasser an und lässt die Chassis rosten. Mit gefetteter Schafwolle stinkt bald die ganze Wohnung nach Schafstall. „That’s biology“. Glaswolle ist auch nicht geeignet. Die scharfkantigen Glasteile zerschneiden die Sicken und nach einiger Zeit fällt das Glasgewebe als Staub in sich zusammen. Dämpfung im oberen Boxenteil ist dann Zufall. „That’s chemishy“.

Und für die Boxenhändler, die dem Kunden immer noch erzählen, Schallgeschwindigkeit sei eine Konstante – wie die Lichtgeschwindigkeit – und lasse sich nicht durch Dämpfungsmaterial ändern, ist die einfache Gegenthese gestattet: Die Schallgeschwindigkeit ist nicht nur von Temperatur und Druck, sondern auch vom Material abhängig. Bei 20° Celsius und einem mittleren Luftdruck, wie er etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel herrscht, pflanzt sich der Schall in der Luft mit ca. 340 m/s fort. Im Wasser sind es ca. 1450 m/s, in Eisen 5200 m/s, in Acryl rund 3000 m/s.

Wird jetzt die Box locker mit Acrylwatte gefüllt, breitet sich der Schall im Boxeninnern teilweise durch Luft mit 340 m/s, dann durch Acryl mit fast 10-facher Geschwindigkeit, dann wieder langsamer durch die Luft, schnell durch eine Acrylfaser etc. aus. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit erhöht sich in der Praxis um etwa 20 %. Dies lässt sich auch ganz einfach messen.

Die Resonanz des eingebauten Systems verringert sich beim Einfüllen des Dämpfungsmaterials um ca. 20%; stehende Wellen liegen dafür jetzt 20 % höher in der Frequenz. Es handelt sich hier nur um Grundlagen der Physik, nicht der Akustik. Sonderbar, dass das den fraglichen Händlern beim Ausmessen ihrer Bausätze nie aufgefallen ist. Oder verstehen sie vielleicht doch mehr von DM als von Hertz?


BILD 2 – Die passive geschlossene Box für Elise ist auf ein QTC von 0,65 abgestimmt und locker mit Acrylwatte gefüllt.


So, jetzt Schluss mit den Grundlagen und zurück zu Elise. Die Box als schlanke Säule war fertig, sollte aber auch noch ihren Designansprüchen gerecht werden und trotz labilem Gleichgewicht stabil stehen. Andreas sägte eine Grundplatte von 70 cm Seitenlänge, setzte mitten drauf einen Kubus von 12,5 cm Höhe und 10,0 cm Breite, spritzte beides Schwarz und setzte die mit weißer Glasfasertapete überzogene Box mitten drauf.

Gegen Fallsucht verspannte er die Box mit vier dünnen Drahtseilen. Jetzt sieht sie aus, als ob sie über der schwarzen Platte schwebt und nur durch die Drähte am Abheben gehindert wird. Das fest mit der Weiche verlötete Lautsprecherkabel führt durch den Sockel und eine Rinne an der Unterseite der Grundplatte schräg nach hinten und dann zum Verstärker. Die schlanke Schönheit passt ganz gut zu Elise.

Dass sie auch Muskeln hat, zeigt ein Orchestersturm. Celli, Pauken und auch Kontrabässe kommen klar und unverwaschen. Die Reproduktion ist ohne störende Resonanzen. Dynamiksprünge werden kaum gepresst. Bei Popmusik zeigt sie dann ihre Grenzen. So richtig wummern kann sie einfach nicht. Das kompromissarme „Wasserwerk“ oder einen großflächigen aktiven Subwoofer erreicht sie aus physikalischen Gründen natürlich nicht, aber einige teure High-End-Konstruktionen verweist sie mühelos in die Schranken. Auch bei soliden Konstruktionen der 2-kDM-Klasse kann sie ohne Probleme mithalten.


BILD 3 – Frequenzgang Terzweise dargestellt

Boxenbau ist solides Handwerk bei der Ausführung, breites Wissen bei der Chassisauswahl und Musikgespür bei den Kompromissen. Bei der passiven Box hängt dann alles an einer guten Weichenkonstruktion.

mit freundlicher Genehmigung der Elektor Verlags GmbH

Kommentare

Lisa-Maria
14 jahre vor
Hallo ich heiße Lisa-Maria
und ich suche die einfchen klaviernoten von für elise wer sie hatt
veröffentlicht sie hier bitte denn ich muss an einem konzert für elise spielen!
ich freue mich wenn ihr das lied habt und viele liebe grüße eure Lisa-Maria ;-)

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