Statistische Untersuchung an 36 Kalotten-Mitteltönern

Vor gut 5 Jahren haben wir die MONACOR DM-75TB (nur für Abonnenten) getestet, eine der wenigen überhaupt verfügbaren 75 mm Mitteltonkalotten - und die preiswerteste 75 mm Kalotte, die auch bis hinunter zu 630 Hz noch vollen Pegel macht und damit hochinteressant für ein "großes" 3-Wege-System ist. Wir hatten auch schon ein solches System damit gebaut - aber dann gab es das Chassis nicht mehr bei MONACOR und wir konnten die Kiste einstampfen :-(.

Am "Zusatz" TB konnte man erkennen, dass das Chassis von TANGBAND für MONACOR gefertigt wurde, aber der deutsche TANGBAND-Vertrieb BluePlanetAcoustic wollte sich damals keine Palette von den Teilen hinlegen (und wir auch nicht) und so war die einzige Bezugsquelle für die 75 mm Kalotte die nordamerikanische Firma Parts-Express. Der Preis in Dollar sieht sehr günstig aus, aber der Versand nach Europa ist sehr teuer (aktuell mindestens 46.30 $ für 2 Kalotten) und man muss noch 2% Zoll und 19% Mehrwertsteuer auf den Warenwert PLUS Versand zahlen, so dass ein Pärchen der TANGBAND 75-1558SE mit 316.69 € zu Buche schlägt. Und wenn dann was schief läuft hat man die A..karte . . .

Nach langen Verhandlungen ist es uns gelungen insgesamt 36 Kalotten über BPA zu besorgen. Um zu sehen, ob die 75-1558SE nach wie vor dem damaligen Stand entspricht haben wir 2 Kalotten komplett durchgemessen. Und um zu überprüfen, wie die Fertigungsstreuung bei 36 Kalotten ist haben wir sie alle mal schnell durchgemessen - aber nur die Impedanz und den Schalldruck im Hallraum.

Eine ähnliche Aktion haben wir schon mal mit den Konus-Hochtönern der Kola gemacht (s. Statistische Untersuchung an 40 Konus-Hochtönern (nur für Abonnenten)). Damit man auch das volle Potenzial dieser Kalotte ausschöpfen kann wollen wir die Kalotte paarweise selektieren - aber wie macht man das und wie genau ist das? All dies erfährt man im folgenden Artikel


Da unsere Erfahrung mit der Streuung von Hochtönern in der Vergangenheit eher mäßig war haben wir die Gunst der Stunde für eine Untersuchung der Serienstreuung genutzt. Zunächst mal wurden alle ausgepackt und durchnummeriert:

 

Das hat schon ganz schön lange gedauert.


Impedanzmessung

Auf ein Einrauschen haben wir verzichtet - das wäre einfach zu aufwändig gewesen. Aber eine Impedanzmessung ließ sich im Minutentakt bewerkstelligen.

Da JustDisp nur 6 Messungen gleichzeitig darstellen kann mussten die Messungen in EXCEL importiert werden. Zuvor wurden noch die TSPs per Parameteranpassung in JustDisp ermittelt:

Und so sieht es aus, wenn man alle 36 Messungen übereinander legt:


-> die Resonanzfrequenz streut nur sehr gering
-> die meisten Messungen liegen eng beisammen
-> das Minimum und Maximum weicht aber doch deutlich ab

Im Folgenden wurden auch noch die 90% und 10% Perzentile (P90, P10) berechnet und die Standardabweichung sowie die Differenz (P90-P10)/2:


-> um die Resonanzfrequenz streut es natürlich am stärksten, der Bereich ist auch recht breit
-> über 1000 Hz ist die Streuung SEHR gering

2 Chassis (Nr. 13 = geringstes Qms, Nr. 15 = höchstes Fs) fielen durch besonders hohe Abweichungen vom Mittelwert auf. Wenn man diese beiden aus der statistischen Berechnung ausschließt sieht das Verhalten etwas besser aus:

Unter Berücksichtigung von allen Chassis ergibt sich die folgende Streuung für die TSPs:

Parameter Mittelwert Max Min StdAbw Perc90 Perc10 (P90-P10)/2
Rdc [Ohm] 6.849 6.98 6.76 0.71% 6.910 6.800 0.055
Lc1 [mH] 0.044 0.053 0.041 7.49% 0.049 0.041 0.004
Fs [Hz] 356.25 419.09 318.35 6.11% 381.53 332.57 24.48
Qms [-] 0.995 1.34 0.805 10.66% 1.119 0.892 0.114
Qes [-] 1.388 1.808 1.195 9.15% 1.552 1.267 0.143
Qts [-] 0.579 0.77 0.497 9.52% 0.638 0.524 0.057


-> Der Gleichstromwiderstand Rdc streut sehr gering
-> die Resonanzfrequenz und insbesondere die Güten streuen deutlich

Wenn man etwas misst macht es immer Sinn zu überprüfen, wie reproduzierbar man das messen kann. Daher wurde ein Chassis (Nr. 4) mehrmals gemessen - zu Anfang, 2x in der Mitte und noch einmal am Ende:


-> oberhalb von 450 Hz können wir offenbar auf +/- 0.02 Ohm reproduzierbar messen - das sollte für die Aufgabe reichen ;-)


Schalldruckmessung

Bei der Messung des Schalldrucks ist ja nicht nur der Schalldruck auf Achse sondern auch unter Winkeln interessant. Da wir zu faul waren alle 36 Mitteltöner nacheinander ins Podest einzubauen und unter 5 verschiedenen Winkeln zu messen haben wir mal wieder unseren Hallraum genutzt. Auch hier konnten die Messungen im Minutentakt durchgeführt werden, so blieb der Messaufwand in Grenzen.

Auch hier wurde überprüft wie reproduzierbar wir messen können (s.o.):


-> zwischen 280 und 12500 Hz können wir offenbar auf +/- 0.15 dB reproduzierbar messen

Das ist nicht sooo toll und sicher teilweise der Tatsache geschuldet, dass die Messungen an insgesamt 3 Tagen stattfanden (andere Temperatur, geringfügig andere Verstärkereinstellung etc.).

Und so sieht es aus, wenn man alle 36 Messungen übereinander legt:


-> die Verläufe sind sehr ähnlich, aber der Pegel streut deutlich sichtbar

Im Folgenden wurden auch noch die 90% und 10% Perzentile (P90, P10) berechnet und die Standardabweichung sowie die Differenz (P90-P10)/2:


-> zwischen 700 und 7000 Hz beträgt die Standardabweichung recht konstant +/- 0.5 dB
-> die maximale Abweichung beträgt in diesem Bereich im Mittel 2.09 dB

Wenn man viel "Pech" hat ist ein Chassis also im Mittel 2 dB lauter als das andere - das geht gar nicht!


Paarweise Selektion

Für ein hochwertiges System wäre daher eine paarweise Selektion wünschenswert. Wenn man die Güten und den Wirkungsgrad in Abhängigkeit der Resonanzfrequenz aufträgt sieht das so aus:


-> bei den Güten ist erkennbar, dass eine niedrige Resonanzfrequenz tendenziell mit höheren Güten einhergeht
-> beim Wirkungsgrad ist keine Abhängigkeit von der Resonanzfrequenz erkennbar

Die Chassis wurden daher zunächst nach ihrem Wirkungsgrad sortiert und dann nach dem Produkt Fc * Qmc. Das Ziel der Paarung sollte sein:

  • der Unterschied des mittleren Wirkungsgrads (Mittelwert 800-4000 Hz) sollte kleiner als +/- 0.15 dB sein
  • die maximale Frequenzgangabweichung beider Chassis sollte zwischen 800 und 4000 Hz < +/- 0.5 dB sein
  • der Unterschied der mittleren Impedanz (Mittelwert 10-20000 Hz) sollte kleiner als 0.1 Ohm sein
  • die maximale Impedanzabweichung beider Chassis sollte im Bereich der Resonanzfrequenz < +/- 1.0 Ohm sein

Hier mal die entsprechenden Werte der Paarung Nr. 1 + Nr. 5:

Und hier mal ein besonders schlechtes Paar:

Wer jetzt noch meint paarweise Selektion sei unnötig sollte mal den Heißkleber aus den Ohren holen . . . .


Vergleich mit dem "alten" Datenblatt

Es ist ja schön, wenn jetzt 2 Chassis schön gleich sind - aber sind die Chassis auch noch so, wie wir sie vor 5 Jahren getestet haben? Wir haben mal das mehrfach gemessene Chassis 4 nach dem üblichen Verfahren gemessen und mit den beiden "alten" Chassis verglichen:


-> sehr ähnlicher Verlauf (im Bereich der Streuung)


-> neue Nr. 4 ist breitbandig ca. 1 dB leiser und zusätzlich etwas leiser (aber gleichmäßiger) zwischen 2 und 8 kHz


-> neue Nr. 4 hat bei 100 dB mittlerem Schalldruckpegel weniger K2 und K3


Fazit

Auch hochwertige Chassis haben mit dem Problem der Exemplarstreuung zu kämpfen. Abhilfe schafft hier nur eine paarweise Selektion, die natürlich nur möglich ist, wenn man aus einer größeren Menge von Chassis Paarer bilden kann. Normalerweise muss der DIYler aber nach der Devise "friss oder stirb" leben und sich überraschen lassen wie ähnlich ein Paar Chassis ist.

Um dem "normalen" DIYler zu ermöglichen die Qualität der 75mm Kalotten optimal auszunutzen haben wir die 36 verfügbaren Chassis einzeln vermessen und dann nach den oben genannten Kriterien paarweise selektiert. Sie sind ab sofort in unserem Shop verfügbar.

Kommentare

Duke
9 jahre vor
Hi, gute Idee, prima Umsetzung,

kleine Anmerkung:
(Zitat: Der Preis in Dollar sieht sehr günstig aus, aber der Versand nach Europa ist sehr teuer (aktuell mindestens 46.30 $ für 2 Kalotten) und man muss noch 2% Zoll und 19%)
Der Euro / Dollar Kurs ist so schlecht wie
lange nicht mehr ....

Gruß

Duke
BluePlanet
9 jahre vor
Na wunderbar. Das nenne ich Service...
Respekt.
Viele Grüße aus Frankfurt.
Nick

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