Center für große Jungs
Schon seit einiger Zeit machen wir uns aufgrund Nachfragen unserer Abonnenten Gedanken zu einem Satellitensystem, das auch bei hohen Pegeln nicht ins Schwitzen kommt (s. Hat HSB Lust einen Kinolautsprecher zu entwerfen? und Kinolautsprecher die 1.). Als Chassis haben wir nach einigen Messreihen den CELESTION TF-0818 und die Kombination CELESTION CDX1-1430 + FAITAL STH-100 festgelegt. Alternativ könnte der preiswertere SICA HFU 6x8 (Z009501)eingesetzt werden.
Da wir selbst kein Surround-Setup vorführen können hatten wir gehofft, dass einer der Diskussionsteilnehmer mal Nägel mit Köpfen macht und wir uns da einbringen können. Unser Abonnent FlorianK war schließlich der erste mit einem Testgehäuse.
In der Diskussion war immer eine Doppelbestückung in D'Appolito-Anordnunggewesen, da der TF-0818 zwar ein hervorragender Mitteltöner ist, aber nicht weit nach unten kommt. Dieses "Manko" sollte das 2. Chassis entschärfen, wobei man dann immer noch sehen konnte ob das 2. Chassis nur im Bass- und Grundtonbereich oder bis in den Mitteltonbereich unterstützt.
Unser Abonnent FlorianK brauchte aber einen Center. Also ordnete er beide TF-0818 so nah wie möglich nebeneinander und setzte das Hochtonhorn so knapp darüber, dass die "Ecken" des Horns noch weggefräst werden mussten. Laut FlorianK macht das ein guter Fräser ohne Probleme mit, weil das Horn ja aus Alu ist. So sieht dann seine endgültige Lösung aus:
Die Front-Lautsprecher sind im Bassbereich Klipsch-Eckhörner (mit vorgesetzten CD-Regalen), unter dem Fernseher liegt ein zusätzlicher großer Bassreflex-Subwoofer - der Mann hört offenbar gerne mal lauter ;-)
Das ganze System wird mit der Dirac Room Correction Suiteentzerrt und so dachte FlorianK sich, dass man sich bei der Weiche ja nicht so große Mühe geben müsse, da Dirac das ohnehin glattbügeln würde. Gesagt, getan schmiss er seinen Taschenrechner an und rechnete eine Lehrbuchweiche mit einer Flankensteilheit von 18 dB/Oktave aus. Die ungefähr passenden Werte hatte er noch herumfliegen und spendierte dem Hochtöner noch einen Lautstärkeregler um ihn ggf. im Pegel anpassen zu können.
Das Resultat gefiel ihm aber (ohne Dirac-Entzerrung) so was von gar nicht, dass er uns um Hilfe bat nach dem Motto: "kann ich mal kurz mit meinem Center vorbeikommen ob da noch mehr geht?" Da wir ja zumindest an der Chassisauswahl "Schuld waren" und uns das Projekt ohnehin interessierte haben wir zugesagt. Kurz gesagt - uns gefiel das Resultat auch nicht:
- die Höhen waren total unterbelichtet
- in der Mitte näselte es
- am unteren Frequenzende fehlte auch was
Und so hat sich der High-Power-Center (kurz: HPC) in unserem Hörraum gemessen (Center vorne Mitte, Messung Sitz vorne Mitte):
Hinweis: die Messung ist unkalibriert
Die "Reste"-Weiche von FlorianK (Trennfrequenz 2 kHz) sah übrigens so aus:
- die Abschwächung des Lautstärkereglers wurde als Spannungsteiler modelliert
Hätte FlorianK die Daten aus den Datenblättern vom TF-0818 und der Hochtonkombi in Boxsim eingelesen, das Gehäuse und die Chassisanordnung korrekt modelliert, hätte sich folgender Frequenzgang ergeben:
- der Energiefrequenzgang des Horns kann von Boxsim nicht korrekt simuliert werden
- um 1.3 kHz sinkt die Impedanz unter 3 Ohm !!!!
- im Höchsttonbereich gingen noch (dringend benötigte) 4 dB mehr . . .
Die Simulation zeigt auch, dass die unterste Oktave von 80 bis 160 Hz nicht füllig genug war. FlorianK hatte schon festgestellt, dass es voller klang wenn er alle BR-Rohre entfernte und nur die 4 Öffnungen offen ließ:
- das Optimum läge etwa in der Mitte . . .
- beim 13cm langen Rohr (schwarze Kurve) werden mittlere Frequenzen nur um 10 bis 12 dB gemildert
Die Bilanz des Abends sah also wie folgt aus:
- die Weiche ist suboptimal
- das Bassreflexrohr zu lang
- die Bedämpfung der Box stimmt nicht
Der Patient musste also kurz stationär aufgenommen werden. Besonders interessierte uns, wie sich die beiden nebeneinander liegenden Tief-/Mitteltöner so machen. Neben unserer "normalen" Winkelmessung in 15°-Schritten haben wir diesmal bis 45° auch in 5°-Schritten gemessen:
-> man sieht sehr gut, dass bereits bei 15° der Frequenzgang ab 1.4 kHz deutlich absackt
Das folgende Bild stellt die relativen Abweichungen zur 0°-Kurve als Farbkarte dar (Frequenzbereich 500 - 5000 Hz, -45 .. +45°):
-> ab 1.4 kHz wird die Abstrahlung sehr eng; ein erster Einbruch (blauer Graben) wird gefolgt von einem zweiten Hügel (oranger "Neben"-Kamm)
Wandreflexionen treten häufig unter 45° auf und wären daher zwischen 2.0 und 2.5 kHz besonders kritisch - hier sollte idealerweise schon der Hochtöner übernehmen.
Bei den Winkeln bis 45° wurde das erste Minimum und das darauf folgende Maximum ermittelt:
Winkel | 1. Minimum bei | 1. Maximum bei |
0° | - | - |
5° | - | - |
10° | 4450 Hz | - |
15° | 3360 Hz | - |
20° | 2470 Hz | 4000 Hz |
25° | 2150 Hz | 4000 Hz |
30° | 1620 Hz | 3600 Hz |
35° | 1400 Hz | 3550 Hz |
40° | 1400 Hz | 2360 Hz |
45° | - | 2270 Hz |
-> bei 30 - 40° liegt das Minimum um 1500 Hz (hier ist daher mit einem Abfall des Energiefrequenzgangs zu rechnen)
-> bei 20 - 35° liegt das Maximum im Bereich der Membranresonanz (hier ist daher mit einer Überhöhung im Energiefrequenzgangs zu rechnen)
Nimmt man die 0°, 15°, 30°, 45° und 60° Kurven horizontal und die entsprechenden Kurven aus dem Datenblatt des TF-0818 vertikal ergibt sich folgender Energiefrequenzgang:
- ab 1300 Hz geht es schon bergab . . .
- und die Überhöhung um 3.5 kHz ist auch da . . .
Boxsim simuliert den Schalldruck leider nur alle 30°, das ist viel zu grobum diese Effekte zu sehen (hier mit FW1):
-> immerhin deutet sich oben bei 30° ein "Durchhänger" bei knapp 2 kHz gefolgt von einer Überhöhung um 3 kHz an
Leider schafft man es nicht dem Hochtöner eine Trennfrequenz von 1500 Hz anzuerziehen. Daher kommt es zu einem leichten "Durchhänger" zwischen 1500 und 2500 Hz, was allerdings oft als etwas "gnädiger" empfunden wird als ein völlig flacher Frequenzgang in diesem Bereich. Viele 2-Wege-Abhörmonitore sind in diesem Frequenzbereich übrigens auch etwas zurückhaltend, so dass beide Charakteristiken zusammen passen.
Der erste Frequenzweichenentwurf zeigte zwar gute Werte bei der Simulation und der Messung auf Achse, bedingt durch den Energiefrequenzgang der doppelten Tief-/Mitteltöner klang der Center jedoch zu warm. Erst durch einen im Direktschall etwas vorlauteren Mitteltonbereich ergab sich ein ausgewogener Verlauf am Hörplatz. Das Weichenschaltbild sah wie folgt aus (die 3 Elemente zur Gesamt-Impedanzentzerrung ganz rechts sind optional):
- die Spule von 0.1 mH sollte aus 0.5 mm Draht gewickelt werden, der "restliche" Widerstand simuliert die Verluste des 22uF Tonfrequenz-Elkos
Und wie misst sich die Kombi mit der FW2 am Hörplatz?
- FW0 (vorne Mitte) und FW2 (vorne links) wurden an unterschiedlichen Positionen gemessen, daher ist der Frequenzgang < 1 kHz nicht vergleichbar
- leichte Senke um 2.1 kHz
- ab 3 kHz perfekter Verlauf
Das Verhalten < 900 Hz sollte identisch sein, wie der Vergleich der Spannungsverläufe zeigt (FW0 ist gestrichelt gezeigt):
- die Überhöhung bei 1.3 kHz ist weg
- 4.5 dB mehr Hochton bei 20 kHz
- Hochtöner besser geschützt vor tiefen Frequenzen
Die ausführlichen Messungen wurden leider mit der Frequenzweiche FW1 gemacht. Der Vergleich der Schalldrücke bzw. Spannungen an den Chassis mit FW2 (gestrichelte Linie) zeigt jedoch, dass die Tief-/Mitteltöner und die Hochtonkombi im Wesentlichen oberhalb von 500 Hz um 1.5 dB leiser war:
Interessant ist vor allem der Einfluss der Messhöhe auf den Frequenzgang:
- unterhalb der Referenzhöhe wird es um 1.4 kHz lauter und um 2.4 kHz leiser -> das ist ungünstig
- oberhalb der Referenzhöhe wird es um 1.8 kHz etwas leiser -> der Center sollte eher etwas zu tief stehen
Abschließend noch einmal die Kombi mit den einzelnen Chassis am Hörplatz:
- leichter "Durchhänger" um 2 kHz, deutlich stärker bei "falscher" Polung
- im Mittel Schalldruckabfall von ca. 3 dB/Dekade
Die Bassreflexrohre wurden auf 8 cm gekürzt um die Abstimmfrequenz auf 85 Hz anzuheben. Dies ergibt die "mittlere" Kurve bei der Simulation (70, 85, 120 Hz):
Wer den High-Power-Center nachbauen will - hier die Zeichnung (alle Seiten MDF, 22 mm):
- die BR-Rohre sind gekürzte BR-70 HP
Die Absorption im Gehäuseinneren sollte so aussehen:
- eine 5cm dicke Matte Glaswolle auf der Rückseite
- davor 1 Lage 40 mm Noppen-Schaumstoff (hinten, links/rechts, oben/unten) als "Flusensieb"
- zwischen Chassis und Noppenschaumstoff 3 Lagen Polyestervlies über gesamte Resthöhe
Und so sah er in unserem RAR aus:
Fazit:
Wer es mal bei "knalligen" Filmszenen richtig krachen lassen will, der braucht auch einen Center, der da nicht schlapp macht. Diesen Anspruch erfüllt der von unserem Abonnenten FlorianK gebaute High-Power-Center. Durch seinen Wirkungsgrad von 100 dB/2.83V/m spielt er ähnlich laut wie seine Frontlautsprecher mit einem Klipsch Eckhorn im Bassbereich und Mittel- und Hochtonhörnern darüber - genau das war das Ziel.
Bei der Abstimmung der Weiche haben wir natürlich vor allem Stimmen verwendet - das ist schließlich ein Center! Um die "grobmotorischen" Fähigkeiten auszuloten haben wir aber auch mal das Stück Lateralus vom Album Lateralus der Gruppe Tool gehört (wie sich das anhören sollte steht hier). Was der Center da > 80 Hz alleine raushaute war schon beängstigend. Bei Spitzenspannungen von 40 Volt wurden rechnerisch 123 dB Spitzenschalldruck in 1m Abstand erzeugt -> Mission erfüllt!
Gruß Frank