Schneller Bass...... der Mythos vom "schnellen Bass"

Gerade wenn wir unsere TrioMSW vorführen gibt es oft Kommentare wie "diese Schlammschieber-Subwoofer können doch gar nicht mit dem superschnell ein- und ausschwingenden MANGER MSW mithalten". Und da ist er wieder, der Mythos vom "schnellen" bzw. "zu langsamen" Bass.

Darauf antworten wir dann immer: "es gibt keinen schnellen Subwoofer/Bass - weil die Frequenzweiche ihm gar keine schnellen Signale zuteilt" oder "wenn ein Bass schnell wäre, dann wäre er ein Breitbänder". Aber die meisten Anhänger des Mythos beharren auf ihrer Vorstellung, dass eine schwere Bassmembran eben langsam ist.

Das scheint ja auch zunächst intuitiv richtig zu sein: einen kleinen Apfel kann ich viel weiter werfen als eine große Melone - eben weil der kleine Apfel viel leichter ist. Dabei vergisst man, dass man bei dieser Aussage insgeheim eine Annahme gemacht hat - dass nämlich die "Wurfkraft" bei beiden gleichgeblieben ist. Herr Newton hat den Zusammenhang zwischen Kraft und Beschleunigung in die simple Formel Kraft F (in Newton) = Masse m (in Kilogramm) * Beschleunigung a (in m/s²) gepackt, oder kurz:

F [N] = m [kg] * a [m/s²]

Was wäre also, wenn ein viel kräftigerer Werfer die Melone wegschleudert? Dann fliegt sie vielleicht doch so weit wie der kleine Apfel des schwächeren Werfers. Also offenbar kann man das größere Gewicht des Wurfgeschosses doch durch eine größere Wurfkraft kompensieren.

Man kennt das ja auch von Autos. Da kann ein LOTUS Elise Sport mit "nur" 220 PS in 4.6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen - weil er nur gut 900 kg wiegt und so ein Leistungsgewicht von 900 kg/220 PS = 4.1 kg/PS hat. Ein BMW M5 SC wiegt zwar mit 1900 kg mehr als doppelt so viel, macht dies aber durch eine fast 3x so hohe Motorleistung von 635 PS und damit ein Leistungsgewicht von 3.0 kg/PS mehr als wett - und beschleunigt so in nur 3.0 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Natürlich hat ein BMW M5 SC auch stärkere Bremsen als der LOTUS Elise Sport, damit er trotz des höheren Gewichts auch gleich schnell zum Halt kommt . . .

Ein bisschen Signaltheorie gefällig?

Immer noch nicht überzeugt? Na gut, dann gucken wir uns doch mal an, welches Signal der Gesamtlautsprecher bekommt, und was davon die vier "Schlammschieber" auf der Rückseite übernehmen sollen. Das schnellste denkbare Signal ist ein ganz kurzer Impuls, der sogenannte Dirac-Impuls. Mit EXCEL kann man eine entsprechende Textdatei erstellen, die an allen Stellen den Wert 0 hat bis auf eine Stelle, wo sie z.B. den Wert 1 bzw. 100% hat. Importiert man diese Datei in ARTA (File/Import.../ASCII file (.txt)), dann sieht das Frequenzspektrum so aus:


-> nur ein Abtastwert ist ungleich 0 (der 2. Abtastwert nach 0.045 ms beträgt 1 V)
-> alle Frequenzen von 2.7 (=44100/16384) bis 22050 (=44100/2) Hz sind gleichmäßig enthalten

Und welches Signal bekommt nun der Schlammschieber? Wir trennen bei 100 Hz mit einem Linkwitz-Riley-Filter mit einer Flankensteilheit von 24 dB/Oktave. Das Filter wird auf digitaler Ebene berechnet (s. Musik verstehen mit Goldwave: Filtern (Fortgeschrittene)). Das gefilterte Signal sieht dann so aus:


-> die Filterfunktion stimmt (bei 100 Hz ist der Pegel um 6 dB abgefallen, bei 200 Hz um 24 dB und bei 1000 Hz um 80 dB)
-> das Maximum wird nach 4.624 ms erreicht und beträgt nur noch 4.753 mV (also 0.475% des ursprünglichen Impulses)
-> nach 16.35 ms hat sich das Ausschwingen um den Faktor 1000 reduziert

Wenn man die größte Änderung pro Abtastwert berechnet, dann war diese beim Eingangssignal 1000 mV/Abtastwert - beim Ausgangssignal war sie nur noch 0.0403 mV/Abtastwert, also etwa 1/25000 -> der Tieftöner schiebt im Vergleich zum Hochtöner eine ruhige Kugel ;-)

Bei diesem Gedankenexperiment gab es nur ideale Chassis, so schnöde Dinge wie Masse kamen bisher nicht vor. Reale Basschassis haben eine oberer Grenzfrequenz in der Größenordnung von 1 bis 2 kHz. Der in der TrioMSW verwendete PEERLESS XXLS10 hat folgenden Frequenzgang:

Unter Vernachlässigung der Membranresonanz bei 3 kHz fällt das Chassis etwa mit 12 dB/Oktave bei 1000 Hz ab. Wie sieht denn das Antwortsignal aus, wenn man:
- zuerst das ungefähre Filterverhalten des Chassis berechnet
- und dann noch das Filterverhalten des 100 Hz Filters?

Oder anders herum: wie stark unterscheidet sich die Antwort eines idealen Chassis von der eines realen Chassis auf einen Linkwitz-Riley Tiefpass von 100 Hz mit einer Steilheit von 24 dB/Oktave (grün/schwarz = ohne/mit Filter 1 kHz)?


-> die Impulsantwort erreicht dasselbe Maximum (4.753 mV) "erst" nach 4.898 ms, also 0.145 ms später
-> die Filterfunktion ist bis 500 Hz bzw. -56 dB identisch
-> durch die zusätzliche Filterfunktion dreht sich die Phase etwas schneller (+10.5° bei 100 Hz), die Gruppenlaufzeit erhöht sich um 0.226 ms

Der begrenzte Frequenzgang des Tieftöners sorgt tatsächlich für eine geringe Verzögerung der Maximalamplitude der Impulsantwort von 0.145 ms, die Phase dreht sich etwas schneller und die Gruppenlaufzeit erhöht sich um 0.226 ms. Aber das ist nicht das, was die "Schneller-Bass-Fraktion" mit langsamem Bass meint.

Bisher haben wir immer angenommen, dass die untere Grenzfrequenz des Tieftöners unter 1 Hz liegt, denn der Frequenzgang ist ja bis 2.7 Hz nicht abgefallen (s.o.). Was passiert eigentlich, wenn man mal 20, 40 oder 80 Hz als untere Grenzfrequenz annimmt? Ein Tieftöner fällt in einem geschlossenen Gehäuse ja mit 12 dB/Oktave ab, das kann ich ja wieder mit einem Hochpassfilter simulieren (als Eingangssignal wird wieder der Dirac-Impuls angenommen):


-> mit steigender unterer Grenzfrequenz sinkt die Gruppenlaufzeit

Und was ist, wenn ich eine Bassreflexbox annehme? Dort fällt der Frequenzgang ja mit 24 dB/Oktave ab, auch das Verhalten kann ich wieder mit einem Filter simulieren (Annahme Butterworth):


-> mit steigender unterer Grenzfrequenz sinkt die Gruppenlaufzeit
-> die Gruppenlaufzeiten sind etwa doppelt so hoch wie bei einer geschlossenen Box mit gleicher unterer Grenzfrequenz

Zwischenfazit:
- je tiefer die untere Grenzfrequenz, desto größer ist die Gruppenlaufzeit

Wenn wir jetzt annehmen, dass die Gruppenlaufzeit ein Indiz für die "Verzögerung" der Maximalamplitude der tiefen Töne ist, dann ist diese Verzögerung umso größer, je tiefer die unterer Grenzfrequenz ist. Diese Erkenntnis ist unabhängig von so schnöden Dingen wie Masse - allein der Frequenzgang diktiert dieses Verhalten!

Nach ideal kommt real . . .

Apropos Frequenzgang - ist der in einem realen Raum nicht total wellig wegen der bösen "Dröhnfrequenzen", die gerne mal eine Überhöhung von 10 dB im Bereich 30 bis 45 Hz verursachen? Diese "Dröhnfrequenzen" brauchen häufig über 1 Sekunde = 1000 ms um 60 dB bzw. auf 1/1000 abzufallen. Dagegen sind die 20 ms Gruppenlaufzeit ja Peanuts!

Und genau das ist das Geheimnis des "schnellen" Basses: ein Lautsprecher mit höherer unterer Grenzfrequenz von z.B. 60 Hz regt diese Dröhnfrequenzen schon einige dB weniger stark an, wodurch das lange Ausschwingen der Dröhnfrequenzen geringer stört, weil es schneller unter die Wahrnehmbarkeitsschwelle absinkt bzw. schneller von anderen Signalen verdeckt wird - und schon scheint der Bass schneller abzuklingen.

Aber das hat überhaupt nichts mit der Membranmasse zu tun - sondern ausschließlich mit der Gemengelage aus Dröhnfrequenzen und unterer Grenzfrequenz. Ein höhere untere Grenzfrequenz des Lautsprechers hilft zwar, die tiefer liegenden Dröhnfrequenzen etwas zu unterdrücken, aber dafür habe ich unter- und oberhalb der Dröhnfrequenzen auch weniger bis gar keinen Bass. Wer nur Eva Cassidy / Fields of Gold hört, der mag damit leben können - aber wer Yello mag (z.B. Waba Duba), bei dem wird ohne Tiefbass keine rechte Freude aufkommen.

Fazit:

Wer keine Dröhnfrequenzen mag aber trotzdem Tiefbass haben will, der muss die Dröhnfrequenzen z.B. mit genau (frequenz- und MENGENmäßig) abgestimmten passiven Maßnahmen oder einem genau abgestimmten Parametrischen EQualizer (kurz: PEQ) unterdrücken - dann kommt der Bass druckvoll und dröhnt trotzdem nicht. Letzteres kann man zwar manuell machen, aber noch besser geht das mit speziellen Einmesssystemen wie z.B. Dirac - diese Raumkorrektur ist schon in zahlreichen Hardwaregeräten integriert, z.B. von miniDSP -> miniDSP SHD

Wie und warum das funktioniert und eben NICHT den Direktschall zu leise macht (wie überall vor- und nachgeplappert wird) werden wir in Kürze in einem eigenen Bericht beschreiben.

Und wer sich vor Ort von der Wirksamkeit von manueller und/oder automatischer Einmessung mit Dirac überzeugen will macht einfach einen Hörtermin bei uns aus ;-)