Vorwort:
Viele Leute trauen sich nicht zu, einfache elektrische oder akustische Messungen an Lautsprechern oder Verstärkern durchzuführen. Dabei können Messungen sehr dabei helfen die aktuelle Situation zu verstehen und so die am besten geeigneten Verbesserungs- bzw. Abstellmaßnahmen zu finden. Denn es gilt:Problem erkannt, Gefahr gebannt!
Fakt ist: es war noch nie so leicht und so preiswert, qualitativ hochwertige Messungen selbst durchzuführen - zumindest wenn man davon ausgeht, dass der teuerste Teil der Messkette ohnehin schon vorhanden ist (und somit nichts zusätzlich kostet): ein PC mit Soundkarte! Der ist heute in sehr vielen Haushalten vorhanden oder kann über Portale wie eBay preiswert beschafft werden.
Für die folgenden Ausführungen braucht man auch keinen "schnellen" PC: ein 2-3 Jahre altes Netbook reicht völlig! Und dank zahlreicher Freeware-Programme muss man zum Einstieg auch kein Vermögen für Software ausgeben. Und mit der Schritt-für-Schritt-Anleitung sollte es auch dem PC-Neuling gelingen erfolgreich zu messen.
Erfolgreich messen heißt, dass man seinen Messungen vertrauen kann. Erst wenn man das glauben kann was "die Kiste" anzeigt kann man darauf aufbauen und Gegenmaßnahmen überlegen. Viele Leute geben das Messen auf, weil sie dieses Vertrauen nie erlangt haben. Sie machen oft den Fehler zu schnell zu viel zu wollen. Aber Vertrauen muss man Schritt für Schritt aufbauen, und den nächsten Schritt erst dann machen wenn man ganz sicher weiß, dass man dem letzten Schritt vertrauen kann. Wenn dann die Ergebnisse beim nächsten Schritt "komisch" aussehen kann man immer wieder einen Schritt zurück auf sicheres Terrain machen und es erneut versuchen.
Messung des Frequenzgangs der Soundkarte
In diesem Sinne machen wir im 1. Teil der Reihe die mit Abstand einfachste Messung die möglich ist: wir messen den Frequenzgang der Soundkarte! Dazu muss man nur:- mit einem Kabel den Ausgang der Soundkarte mit dem Eingang der Soundkarte verbinden
- ein Messsignal wiedergeben
- das Signal aufnehmen
- das Signal analysieren
- das Ergebnis der Analyse anzeigen
Die Punkte 2 bis 5 werden üblicherweise vom Messprogramm übernommen. Das zunächst größte Problem stellt der vermeintlich einfache 1. Punkt dar:
- welchen Ausgang der Soundkarte nehme ich: LineOut oder Phones?
- woher weiß die Soundkarte, dass sie das Signal auf diesem Ausgang ausgeben soll?
- welchen Eingang der Soundkarte nehme ich: LineIn oder Mic?
- woher weiß die Soundkarte, dass sie das Signal von diesem Eingang aufnehmen soll?
Nach meiner jahrelangen Erfahrung mit verzweifelten Mess-Novizen ist der Grund des Scheiterns in über 90% aller Fälle das unzureichende Verständnis des (und damit das Scheitern am) WINDOWS-Mixer!
Der WINDOWS-Mixer - das unbekannte Wesen . . .
Abhilfe kann hier nur schaffen sich AUSGIEBIGSTmit dem Mixer zu beschäftigen. Bei modernen PCs "merkt" der PC oft, dass man in einer Buchse ein Kabel eingesteckt hat, und teilweise erscheint sogar ein Fenster oder Symbol in der Taskleiste mit einem Hinweis. Bei meinem WINDOWS7-Laptop mit eingebauter REALTEK-Soundkarte sieht das dann so aus:
Wenn man dann auf das Werkzeugsymbol klickt öffnet sich der REALTEK HD Audio-Manager:
Hier kann man dann z.B. die Wiedergabelautstärke einstellen etc. Da nicht jeder PC einen so aufgebrezelten Audio-Manager hat wird hier der "normale" Weg beschrieben wie man bestimmt welches Gerät für die Wiedergabe zuständig ist und welches für die Aufnahme. Dafür wählt man unter "Start" (das ist das WINDOWS-Symbol links unten) den Eintrag "Systemsteuerung", und dort den Eintrag "Hardware & Sound":
Dort findet sich unten auch der spezielle REALTEK HD-Audio-Manager wieder. Den wollen wir aber ja nicht benutzen sondern den "normalen" Weg über den Eintrag "Sound". Dann erscheint ein Dialog mit den Reitern "Wiedergabe", "Aufnahme", "Sounds" und "Kommunikation":
Der Wiedergabe-Mixer
Zur Zeit gibt es an meinem Laptop nur die eingebaute Soundkarte, daher sieht es hier recht übersichtlich aus. Wenn der PC mehrere Soundkarten enthält (z.B. eine externe Soundkarte) würden alle möglichen Wiedergabegeräte hier angezeigt und man müsste auswählen, welches davon für die folgenden Aktionen das Standardgerät für die Wiedergabe von Sounds sein sollte. Über das "Gerät" (bzw. über einen bestimmten Ausgang eines Gerätes) würde ein abzuspielendes Signal dann automatisch wiedergegeben.
Das allein reicht aber oft noch nicht aus, denn ein "Gerät" will auch "konfiguriert" werden und hat "Eigenschaften" (wenn man es durch einen Mausklick ausgewählt hat):
Bei surroundfähigen Soundkarten kann man hier sicher noch mehr einstellen, zum Messen sollte man die Surroundkarte aber vorsichtshalber auf "Stereo" einstellen. Durch Klicken auf "Testen" wird ein Signal zunächst über den linken, dann über den rechten Lautsprecher (bzw. über den Kopfhörer- oder LineOut-Ausgang) wiedergegeben - dies ist ein einfacher Funktionstest.
Wenn hier nichts aus den Lautsprechern bzw. aus dem Kopfhörer kommt macht es keinen Sinn weiter zu machen!
Beim Klick auf "Weiter" kann man noch weitere Angeben machen. Hier sollte angegeben werden, dass es sich vorne links und vorne rechts um Vollbereichslautsprecher handelt:Danach ist die Konfiguration abgeschlossen und man kommt zum obigen Wiedergabe-Dialog zurück. Um z.B. die Wiedergabelautstärke zu verändern hätte man auf "Eigenschaften" klicken müssen. Dort erscheint ein neuer Dialog mit 5 Reitern "Allgemein", "Benutzerdefiniert", "Pegel", "Verbesserungen" und "Erweitert":
Hier kann man das Gerät z.B. aktivieren bzw. deaktivieren oder ein anderes Symbol definieren.
Diese Einstellungen sind von den Leistungsmerkmalen der Soundkarte abhängig. Hier kann man das Ausgangssignal begrenzen um z.B. (Hör-) Schäden zu vermeiden. Zum Messen muss so etwas natürlich ausgeschaltet werden ;-)
Das ist der wichtigste Reiter. Hier kann man die Lautstärke und ggf. die Balance einstellen (Empfehlung: Balance immer "mittig" einstellen). Hier werden auch alle möglichen Eingangssignale für die Wiedergabe aufgelistet (hier nur PC Beep und Mikrofon) und wie laut diese wiedergegeben werden sollen bzw. ob das gerade aufgenommene Signal des Mikrofons ÜBERHAUPT wiedergegeben werden soll (was für das Messen äußerst unerwünscht wäre das es ansonsten zu Rückkoppelungen kommen kann). In diesem Fall ist die Wiedergabe des Mikrofons stumm geschaltet.
Moderne Soundkarte warten mit allerlei "Schnickschnack" (= Soundeffekte) auf, der für das Messen oft Gift ist. Daher sollten für das Messen unbedingt alle Soundeffekte deaktiviert werden!
Als Wiedergabeformat zum Messen reicht zunächst die normale CD-Qualität (16 bit, 44100 Hz) völlig aus.
So viele Einstellung nur für die Wiedergabe! Und weil's so schön war noch mal dasselbe in grün für die Aufnahme! Zunächst wählt man mal aus von welchem Gerät man denn aufnehmen will:
Der Konfigurationsdialog sieht hier je nach Soundkarte deutlich komplexer aus, hier empfiehlt es sich mal "interessiert durchzublättern". Wenn man auf "Eigenschaften" klickt erscheint ein neuer Dialog mit 5 Reitern "Allgemein", "Abhören", "Pegel", "Verbesserungen" und "Erweitert":
Hier kann man das Gerät z.B. aktivieren bzw. deaktivieren oder ein anderes Symbol definieren.
Hier kann man auswählen, ob das Aufnahmegerät als Wiedergabequelle verwendet werden soll. Da das beim Messen zu Rückkoppelungen führen würde/könnte muss das zum Messen deaktiviert werden (s.o.).
Das ist der wichtigste Reiter. Hier kann man die Aufnahmelautstärke einstellen. Da ein Mikrofon nur ein sehr leises Signal ausgibt kann eine Mikrofonverstärkung zugeschaltet werden. Bei meiner Soundkarte gibt es 4 Verstärkungsstufen (0, +12, +24, +36 dB), manchmal ist es aber auch nur ein Schalter (0, +20 dB). Wenn ein "lautes" Signal angeschlossen wird (z.B. der Ausgang eines MP3-Players) sollte zunächst die Mikrofonverstärkung zurückgenommen werden, der obere Schieberegler dient nur zur Feinabstimmung.
Man beachte, dass es hier keinen Balanceregler gibt, da die Soundkarte davon ausgeht, dass es ein Mono-Mikrofon ist!
Moderne Soundkarte warten mit allerlei "Schnickschnack" (= Soundeffekte) auf, der für das Messen oft Gift ist. Daher sollten für das Messen unbedingt alle Soundeffekte deaktiviert werden!
Als Wiedergabeformat zum Messen reicht zunächst die normale CD-Qualität (16 bit, 44100 Hz) völlig aus.
Falls man ein Gerät mal nicht in der Auflistung der verfügbaren Gerät findet könnte das daran liegen, dass man es deaktiviert oder getrennt hat. Dann hilft ein Klick mit der rechten Maustaste im Geräte-Dialog:
Da wir im Folgenden ja nicht mit einem Mikrofon messen wollen sondern das schon relativ laute Ausgangssignal (LineOut bzw. Phones) messen wollen ist in diesem Fall der Eingang StereoMix günstiger. Wie der Name schon andeutet kann der auch Stereo messen. Die Prozedur ist weitgehend identisch zum Mikrofon, daher soll sie hier nicht wiederholt werden. Wer aber die folgenden Messungen machen will muss (sofern verfügbar) einen LineIn-Eingang aktivieren und entsprechend einstellen!
Welches Messprogramm?
Da es nun an die erste Messung geht stellt sich die Frage: "welches ist das richtige Messprogramm?". Es sollte:- Freeware sein
- einfach zu installieren sein (am besten nur entzippen)
- die Registry nicht verändern (-> auch vom USB-Stick lauffähig sein)
- einfach zu bedienen sein
- nach Möglichkeit in Deutsch sein
- ein gutes deutschsprachiges Handbuch bieten
- für Fortgeschrittene auch komplexere Funktionen zur Verfügung stellen
- die ersten 3 Bedingungen werden weitgehend erfüllt
- die 4. Bedingung wird selbst im einfachen Spektrum-Analysator-Modus nur teilweise erfüllt (aber dafür gibt es ja diese Anleitung)
- die 5. Bedingung wird leider nicht erfüllt (Englisch)
- die 6. Bedingung wird sehr gut erfüllt (s. Ein Kompendium für die Programme der ARTA-Familie, 214 Seiten)
- die 7. Bedingung wird ebenfalls mit Bravour erfüllt
Also erst mal muss das Programm downgeloadet werden, und zwar von hier. Beim Ausführen der ArtaSetupXXX.exe wird ein kleines Installationsprogramm gestartet. Danach finden sich im angegebenen Verzeichnis u.a. die Programme Arta, Limp und Steps sowie deren Hilfedateien. Für die Messung des Frequenzgangs der Soundkarte wird Arta verwendet. Nach dem Start erscheint zunächst mal ein Registrierungshinweis:
Wir fahren im Demo-Modus fort -> "Continue in Demo mode". Die einzigen Einschränkungen im Demo-Modus sind:
- es können keine Messergebnisse im ARTA-eigenen Dateiformat abgespeichert werden (aber als ASCII-Datei)
- es können keine Mikrofon-Kompensationsdateien geladen werden
Statt sich durch die fremdsprachige Menüstruktur zu kämpfen empfehle ich erst mal einen virtuellen "Rundgang" durch die Ikonen-Leiste und das Studium der dann erscheinenden Hinweistexte:
Copy
Bgk Color Impulse response Fr. response 2 Ch Fr. response 1 Ch Spectrum analyzer |
Kopieren
Hintergrund-Farbe Impulswiedergabe Frequenzgang 2-kanalig Frequenzgang 1-kanalig Spektrumanalysator |
Kopiert die Grafik in die Zwischenablage
Schaltet zwischen Farb- und Schwarz/Weiß-Darstellung um Erlaubt die Auswahl eines Zeitabschnitts zur Analyse Misst die Übertragungsfunktion 2-kanalig Misst die Übertragungsfunktion 1-kanalig Misst den Frequenzgang 1-kanalig |
Die für Anfänger empfehlenswerteste Messart ist FR1, die 1-kanalige Messung der Übertragungsfunktion. Nach Anklicken der Schaltfläche FR1 sieht der Bildschirm so aus:
Hier wurde schon eine Messung gemacht. Damit das auch klappt sollten zunächst alle sichtbaren Einstellungen angeglichen werden:
- das Generatorsignal muss auf PN pink gestellt werden (PN = periodisches Rauschen, pink = rosa)
- die Abtastfrequenz Fs(Hz) sollte zunächst mal auf 44100 gestellt werden
- die Anzahl der Abtastwerte die für die FFT verwendet werden sollte auf 16384 eingestellt werden (damit ergibt sich alle 44100/16384 = 2.7 Hz eine Frequenzinformation)
- die Mittelungsanzahl "Avg" wird auf "None" (= keine) gestellt
Wenn man dann misst (rotes Dreieck Start rec = starte Aufnahme), sollte die Aussteuerungsanzeige am unteren Bildschirmrand von Arta einen Wert etwas unter 0 dB anzeigen:
hier L:-0.5dB, R:-0.6dB (vorher L:-3.1dB, R:-3.2dB)
Hier noch ein paar generelle Tipps zur Anzeige:
- man sollte in der Regel einen Bereich von 50 dB anzeigen (Verstellung durch die Pfeiltasten "Range" und "Top" am rechten Bildschirmrand)
- man sollte die Ergebnisse mit einer Glättung von 1/12 Oktave anzeigen lassen (erkennt man am Hinweis "(1/12 oct" am linken oberen Grafikrand)
Der Frequenzgang eurer Soundkarte sollte in etwa so aussehen wie meiner:
- von 20 Hz bis knapp 20 kHz sollte es ein Strich sein
- unterhalb von 20 Hz wird die Kurve leicht abfallen
- oberhalb von ca. 18 kHz wird die Kurve plötzlich sehr steil abfallen (das MUSS bei einer Abtastfrequenz von 44100 Hz so sein)
Falls die Kurve so ähnlich wie oben aussieht: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUR ERSTEN, VERTRAUENSERWECKENDEN MESSUNG!!!
Im Folgenden empfehle ich bei laufender Aufnahme mal mit dem Wiedergabepegel und/oder dem Aufnahmepegel zu spielen (und zu gucken wie sich die Anzeige verändert), das Verbindungskabel abzuziehen (und zu kontrollieren ob das Anregungssignal wirklich abbricht, mal eine Übersteuerung herbeizuführen -> L:OVRL, R:OVRL) und so weiter, d.h.:
- immer ein Aktion machen
- vorher überlegen was passieren sollte
- und dann überprüfen ob es auch passiert!
Bei einer hohen "Trefferquote" steigt die Zuversicht richtig messen zu können - und das ist genau das worauf es zu Anfang ankommt!!! Erst wenn man sich sicher ist sollte man den nächsten Schritt wagen.
Als nächstes würde ich mal mit der Abtastfrequenz spielen (geht der Frequenzgang bei 48000 Hz oder 96000 Hz Abtastfrequenz wirklich höher (theoretisch bis Abtastfrequenz/2)?) und mit der FFT-Länge (warum steigt die unterste angezeigte Frequenz wenn man die FFT-Länge auf 4096 reduziert?).
Und dann würde ich mal das Anregungssignal auf "normales" rosa Rauschen (= Pink noise) umstellen. Warum gibt es dann die Warnung:
= Sie müssen im FR1-Modus ein periodisches Rauschsignal benutzen
Da Arta im FR1-Modus nur das Anregungssignal misst (nur 1 Kanal) und nicht auch das aktuelle Anregungssignal (auf dem 2. Kanal) muss das Anregungssignal als bekannt vorausgesetzt werden können - und das geht nur, wenn es periodisch ist und nicht wenn es sich zufällig ändert wie das bei "normalem" (rosa) Rauschen der Fall wäre.
Fazit:
Das Messen selbst ist mit dieser Anleitung gar nicht so schwer, die richtige Einstellung des Mixers hat den größten Teil des Artikels "verbraucht" und ist auch in der Praxis oft das größte Problem. Eine falsche Einstellung im Mixer kann dafür sorgen, dass kein vernünftiges Ergebnis zustande kommt.
stell doch Deine frage mal im Forum, interessiert ja bestimmt auch andere Abonnenten.
Theo