Amtliches Wohnzimmerkino

2014 haben wir uns sehr mit Heimkinosystemen beschäftigt: neben dem High-Power-Center haben wir auch 2 kleinere Varianten gebaut (einen im Forum und hier dokumentierten Surround-Lautsprecher und den High-Power-Sat).

Auch andere Leute hatten Ähnliches geplant - und baten um Unterstützung. Ein Projekt sah besonders interessant aus:

  • 4 Stück Subwoofer mit 18"-Chassis waren vorhanden
  • Dazwischen sollten 3 gleiche, passive "Männerboxen" für Front und Center platziert werden. Die 15"-Bässe waren vorhanden, die Tiefe war durch die Woofer  vorgegeben
  • Im Mittel- und Hochtonbereich sollten die Chassis aus dem High-Power-Center verwendet werden
  • Als Verstärker stand ein größerer DENON AVR zur Verfügung
  • Zur Raumkorrektur stand die Dirac Live® Room Correction Suite zur Verfügung
  • Die akustisch "durchlässige" Leinwand hängt vor den Lautsprechern

Wie wir da vorgegangen sind und was dabei herausgekommen ist zeigt unser Bericht.

Zunächst mal wurde ein Datenblatt von den Basschassis B&C 15PS100 gemacht. Deren Wirkungsgrad war mit 93 dB/2.83V/m für einen PA-Bass eher moderat. In 100 l Bassreflexgehäuse geht es dafür bis 40 Hz runter - ein guter Kompromiss aus Tiefgang, Gehäusegröße und Wirkungsgrad. Darunter standen ja noch 4 Stück 18" Subwoofer zur Verfügung ;-)
Da ein vorhandener AVR genutzt werden sollte war Verstärkerleistung nicht gerade im Überfluss vorhanden. Dafür stand allerdings zur Raumkorrektur die Dirac Live® Room Correction Suite zur Verfügung. Statt nun eine perfekt lineare Weichenabstimmung zu machen wurde beschlossen, den höheren Wirkungsgrad der Mittel-/Hochtonkombi zu nutzen um so den Verstärker zu entlasten. Aber: wie viel bringt das eigentlich?

In unserem Artikel Musik "vergleichen" mit dem WaveAnalyzer wurde das gemittelte und normalisierte Spektrum unserer Test-CD ermittelt:


-> die höchsten Spitzenpegel treten im Mittel zwischen 400 und 900 Hz auf (blaue Kurve)

Mittlerweile wurde die Analyse auf 260 unterschiedliche Tracks erweitert - das Ergebnis sieht aber weitgehend gleich aus:

Auch zwischen 70 und 2000 Hz treten im Mittel hohe Spitzenpegel auf. Eine entsprechende Analyse von Filmgeräuschen liegt uns leider nicht vor. Wenn man von einer (elektrischen) Filtersteilheit von 12 dB/Oktave ausgeht bedeutet dies für eine 3-Wege-Box mit (elektrischen) Trennfrequenzen bei 400 und 2500 Hz folgende Energieverteilung:


-> der Tieftöner bekommt 46.8% der Spitzenleistung, der Mitteltöner 45.9%, der Hochtöner 7.3%

Wenn der Mittel- und Hochtonbereich ab 400 Hz nun aber 3 bzw. 6 dB lauter wäre, würde dort nur die Hälfte bzw. 1/4 der berechneten Verstärkerleistung benötigt: statt z.B. zusammen 100 Watt wären es dann "nur" noch 73.4 bzw. 60.1 Watt. Wenn man aber die 100 Watt Verstärkerleistung zur Verfügung hätte könnte man dadurch die Gesamtlautstärke wieder um 1.3 bzw. 2.2 dB erhöhen - das nehmen wir doch gerne mit ;-)

Das klingt natürlich ohne entsprechende Entzerrung sehr mitten- und höhenlastig - aber dafür hat man ja Dirac: man muss "nur" dafür sorgen, dass der Übernahmebereich passt, den Rest macht Dirac (dazu später mehr).

Die 1. Aufgabe bestand also darin, den Mittel-/Hochtonbereich schön linear hinzukriegen - und das möglichst ohne dem leiseren Mitteltöner Pegel zu "klauen". Hier konnten wir von den Boxsim-Modellen und den Erfahrungen bei der Entwicklung des High-Power-Center bzw. High-Power-Sat profitieren. Die Weichenschaltung musste wegen der unterschiedlichen Gehäusebreite und dem wandähnlichen Einbau nur leicht angepasst werden - das ging natürlich nur vor Ort! So sah dann der Frequenzgang von Mittel- und Hochtöner in 50 cm Abstand aus:


-> bei gleicher Polung von MT und HT verläuft der Frequenzgang linearer

Die Messungen wurden schon mit Leinwand zwischen Lautsprecher und Mikrofon gemacht - ohne Leinwand sieht es gleichmäßiger aus. Im Folgenden werden Mittel- bzw. Hochtöner ohne Weiche mit und ohne Leinwand gezeigt (gewedelte Messung am Hörplatz):


-> mit Leinwand ist es > 600 Hz im Schnitt 1 dB leiser und deutlich zappeliger

Die Überlagerung von Tief- und Mitteltöner wurde in 30 cm Abstand gemessen mit ca. 45° zum TT und MT (-> "oben rum" wird der MT nicht richtig gemessen):


-> mit verpoltem Mitteltöner verläuft der Frequenzgang linearer

So, dann hätten wir ja alles beisammen! Und wie sieht es nun am Hörplatz aus? Ideal wäre ja ein leicht abfallender Verlauf (ca. 3 dB/Dekade, s. rote Gerade):


-> Mittel- und Hochtöner sind ca. 6 dB lauter (das war ja so beabsichtigt)
-> zwischen 20 und 60 Hz schenkt der Raum bis zu 6 dB dazu

Und so sah die "Baustelle" zum Zeitpunkt der Weichenabstimmung aus:


-> die schwarze Stoffbespannung zeigt an wo die vier 18" Subwoofer stecken
-> die Zwischenräume sind mit Rockwool (in Folie eingepackt) und Basotect ausgefüllt
-> links und rechts sieht man noch die "Vorgänger" (BEHRINGER B1520 Pro Eurolive)

Das Boxsim-Modell zeigt sehr schön, dass im Tief- und Mitteltöner keine Leistung "verbraten" wurde:

Wenn man in das Boxsim-Modell den am Hörplatz gemessenen Frequenzgang der Einzelchassis verwendet zeigt sich sehr schön, wie der 5 dB Anstieg > 400 Hz zustande kommt:

Der Impedanzverlauf sinkt nicht unter 5 Ohm ab, das sollte einen modernen AVR nicht aus dem Tritt bringen. Oberhalb von 3 kHz kann man die Impedanz optional noch entzerren (gestrichelte Linie).

Uns so sieht das Schaltbild der Frequenzweiche aus:

Und so sieht sie in echt aus (ohne Impedanzentzerrung):

Innerer Aufbau und Verteilung des Absorptionsmaterials:


Hinweis: die Außenmaße sind 100 x 50 x 30 cm (die Front ist 56 cm breit)

Die Gesamtkosten belaufen sich auf etwa 605 €/Box, 155 € davon für die Weiche (Weichenteile von MUNDORF):

Und so sieht der Frequenzgang und des Centers aus (gewichteter Mittelwert an 9 Messpositionen mit dem Dirac Live® Calibration Tool; Messung = grau, nach Entzerrung = grün):


-> die beiden Fronts waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt

Aber Dirac bügelt ja nicht nur den Frequenzgang platt sondern korrigiert auch das Zeitverhalten. Im unkorrigierten Zustand erkennt man in der Impulsantwort, dass der Hochtöner (Spitze bei ca. 10.0 ms) später am Hörplatz ankommt als der Mitteltöner (Start bei ca. 9.7 ms). Die 0.3 ms Zeitunterschied entsprechen ca. 10 cm Wegunterschied, da die Schwingspule des Hochtöners ja durch das Horn nach hinten versetzt ist.


-> nach ca. 1.0 ms (= 34 cm) ist eine Reflexion (an der Gehäusefront ?) erkennbar

Nach Entzerrung mit Dirac sieht die Impulsantwort weitestgehend ideal aus (nur 1 spitze Nadel nach oben und sonst nix):


-> die ca. 1.0 ms verspätete Reflexion ist kaum noch zu erkennen



Fazit:

Wer es mal bei "knalligen" Filmszenen richtig krachen lassen will, der braucht viel Verstärkerleistung - oder wirkungsgradstarke Lautsprecher. Diese müssen nicht unbedingt über einen linealglatten Frequenzgang verfügen - dafür gibt es heute diversen "Gegenmittelchen":

  • Moderne AV-Receiver verfügen heute z.B. mit AUDYSSEY MultEQ XT32 über leistungsfähige Raumkorrekturmöglichkeiten (verwenden für die Einmessung aber häufig stark in ihrem Frequenzgang streuende Billigmikrofone, deren unbekannter Frequenzgangfehler dann zu "Fehleinstellungen" führt)
  • Wer es "genauer" mag (dazu braucht man dann aber ein individuell kalibriertes Messmikrofon) kann die Raumkorrektur über externe Programme wie Dirac Live® Room Correction Suite realisieren. Dann muss das Quellmaterial aber auch per Computer abgespielt werden.

Neben der wichtigen Raumanpassung (selbst ein im reflexionsarmen Messraum perfekt spielender Lautsprecher würde in einem "realen" Hörraum keinen linearen Frequenzgang am Hörplatz mehr erzielen und im Bassbereich gut und gerne um +/- 10 dB schwanken) kann man im gleichen "Aufwasch" auch noch Frequenzgang-"Fehler" des Lautsprecher korrigieren. Das bedeutet aber nicht, dass man aus einem schlechten Lautsprecher einen perfekten Lautsprecher machen kann! Gerade der Übernahmebereich zwischen 2 Chassis (z.B. Mittel- und Hochtöner) bestimmt die Überlagerung beider Chassis und das vertikale Rundstrahlverhalten - wenn hier Fehler gemacht werden kann das keine Raumkorrektur wieder "hinbiegen", da ja der Lautsprecher "als Ganzes" entzerrt wird. Wohl aber darf man sich eine breitbandige Überhöhung oder Senke "erlauben", weil diese recht genau wieder korrigiert werden kann.

Im obigen Fall haben wir den ca. 6 dB höheren Wirkungsgrad von Mittel- und Hochtöner oberhalb von 400 Hz nicht für einen linearen Frequenzgang "verbraten" sondern stattdessen den Verstärker des AV-Receivers entlastet. Dadurch sind - bei gleicher Verstärkerleistung - 2.2 dB mehr Spitzenpegel erzielbar. Alternativ hätte man auch einen neuen AV-Receiver kaufen können - der hätte dann aber 60% mehr Verstärkerleistung haben müssen (also z.B. 250 Watt statt 150 Watt) um genau so laut zu spielen! 2.2 dB hört sich wenig an - einen AV-Receiver mit 250 Watt pro Kanal kann man aber lange suchen . . . .

Unsere Abonnenten können sich hier das Boxsim-Projekt, das Schaltungslayout und die Bauteileübersicht herunterladen

Kommentar von T. Leeb

Für mein Heimkino war ich lange auf der Suche nach den für mich passenden Lautsprecher für die vorderen Kanäle. Da ich das Signal so wiedergeben möchte, wie es von der Quelle kommt ohne es im Bassmanagement aufzuteilen, war die Richtung von Anfang an klar. Konfiguration auf Large, nur der LFE kommt auf die Subwoofer. Meine Zielkonfiguration war eigentlich schon immer ein großer 3-Wege-LS mit 15 Zoll im Bass, 8 Zoll Mittelton + Hochtonhorn. Leider wird sowas nicht mehr gebaut, da im PA Bereich nicht benötigt. Ich hatte aber noch zwei B&C 15PS100 15 Zöller aus einem früheren Subwooferprojekt über, die ich gerne wieder verwendet hätte. Eine Eigenkonstruktion kam leider aus Mangel an Erfahrung und Equipment nicht in Frage. Entsprechende Bausätze in der Größenordung waren auch nicht zu finden.

Dann bekam ich aber den Tipp, doch mal bei HiFi-Selbstbau zu fragen, ob dort Interesse an einem derartigen Projekt besteht - und bin dort auf offene Ohren gestossen. In zahlreichen E-Mails wurde dann das Projekt gemeinsam geplant und virtuell konstruiert. Angefangen bei der schwierigen Suche nach der passenden Chassiauswahl für Mittel und Hochtöner. Dort wurden einige Varianten durchgespielt, HiFi-Selbstbau hat sogar auf eigene Kosten ein paar zuerst favorisierte PA-Mitteltörner bestellt und vermessen. Diese haben dann aber die gesteckten Erwartungen leider nicht erfüllt. Letztendlich wurde es dann die schon viel erprobte Kombination aus Celestion TF0818 und CDX1-1430 + Faital STH 100. Die Bässe gingen vorab auch nach Köln um dort vermessen zu werden. Am Ende stand dann ein Gehäuse- und Boxsimmodell fest, welches dann in der Realität aufgebaut werden konnte.

Da ich in der Nähe von München wohne wäre ein "Hausbesuch" eigentlich viel zu aufwändig gewesen. Zum Glück konnte Herr Ahlersmeyer das mit einem "dienstlichen" Besuch der High-End Messe verbinden. Dadurch konnte der Lautsprecher in der realen Einbausituation abgestimmt werden, denn die Front LS stehen bei mir hinter der Leinwand und sind von den Subwoofern und Steinwollepaketen umgeben.

Vor Ort bei mir zeigte sich dann die ganze Professionalität. Die simulierte Weiche wurde am Steckbrett aufgebaut und dann ging es ans Messen und Ändern. Es wurden einige Varianten der Weiche probiert und immer wieder gemessen und dann im Feintuning mit rosa Rauschen und Musik bewertet. Erstaunlich was man so alles hört wenn man weiß auf was man achten muss.

In der finalen Abstimmung ist der Tieftöner eigentlich zu leise (bzw. Mittel- und Hochtöner sind zu laut). Der MT hat bei der Einbausituation fast perfekte Halbraumbedinungen, der TT anscheinend nicht. Am Hörplatz fehlt so einiges an Grundton und Bass. Da ich aber Dirac habe, wurde das mit eingeplant und der MT nicht und der HT nur gering im Pegel reduziert um keine Leistung zu verbraten.

Leider konnte ich bis jetzt nur den Center fertigstellen, die zwei anderen sind aber gerade im Bau. Viele Filme sind aber schon über das Prachtstück gelaufen und es macht richtig Spass. Für meine Ohren klingt es tonal absolut sauber und ist mit Dirac auch leicht an den eigenen Geschmack anpassbar. Ein ganz wichtiger Test ist immer ob der Lautsprecher als Einheit wahrgenommen wird oder die unterschiedlichen Frequenzen irgendwie auseinanderfallen. Sehr gut geht das mit rosa Rauschen, hier ist gerade der Mittel- und Hochtöner trotz passiver Trennung auch bei sehr naher Distanz untrennbar.

Für mich war die Zusammenarbeit mit HiFi-Selbstbau und das Ergebnis ein voller Erfolg!