SCAN-SPEAK 2-Wege-System von lupau

Zum Abonnententreffen am Vatertag 2010 brachte unser Abonnent lupau seine 2-Wege-Boxen mit edler SCAN-SPEAK-Bestückung mit. Er sei mit dem Sound nicht ganz zufrieden und ob wir nicht mal reingucken wollten.

Klar wollten wir, denn mit den tollen SCAN-SPEAK-Chassis wollten wir immer schon mal arbeiten. Bei den Boxen handelt es sich im Prinzip um ein Standard 17/25-Konzept (17cm Tief-/Mitteltöner / 25mm Kalottenhochtöner):

- Im Tief-/Mitteltonbereich werkelt der 18W/4531G00 aus der Revelator-Serie (die mit den eingeschnittenen Membranen)

- Im Hochtonbereich werkelt der R2904/700005 aus der Revelator-Serie. Das R steht hier nicht für Revelator sondern für Ringradiator, da es eigentlich keine richtige Membrane gibt sondern nur eine Außen- und eine Innensicke gibt (beide recht breit), die von der ringförmigen Schwingspule angetrieben werden

 

 

 



Die Abmessungen sind:

  • Breite außen = 23.4 cm -> innen 19.0 cm (Wandstärke 22 mm)
  • Tiefe außen = 31.6 cm -> innen 26.6 cm (Wandstärke 25 mm)
  • Höhe außen = 44.5 cm -> innen 40.1 cm (Wandstärke 22 mm)
    -> damit beträgt das Innenvolumen ca. 20.3 l
Die Innenhöhe ist ziemlich genau 2x so groß wie die Innenbreite - das ist ungünstig, weil sich dann stehende Wellen bei etwa derselben Frequenz überlagern können.

Die Chassis sind wie folgt auf der Schallwand montiert:

  • Tieftöner mittig in Querrichtung, 17.5 cm von unten
  • Hochtöner 11.5 cm von oben, 0.7 cm außermittig (Abstände 11.0 und 12.4 cm)

 

Der Tieftöner sitzt in etwa auf 2/5 der Gehäusehöhe (innen), das ist ein guter Kompromis (1/2, 1/3 und 1/4 sollten gemieden werden). Die Abstände des Hochtöners zu den Kanten variieren nur leicht, das ist nicht genug um die Einflüsse der Kantenreflexionen (Einbruch um 2.6 kHz, Überhöhung um 1.4 und 4 kHz) deutlich zu reduzieren (grüne Kurve): 2.5 cm Versatz aus der Mitte hätten es schon sein sollen (9.2 - 11.5 - 14.2, magenta Kurve). Noch besser wäre es gewesen den Hochtöner näher an die obere Kante zu positionieren (10.0 - 6.5 - 13.4, rote Kurve):

Diese Problematik hatten wir bereits im Artikel Chassisposition auf der Schallwand ausgiebig erörtert.

 


 

Messungen im Labor:

Zunächst mal wurde der Impedanzverlauf der Chassis im Gehäuse gemessen:


-> BR-Abstimmfrequenz bei knapp 40 Hz
-> bis auf das untere Impedanzmaximum sehr geringe Pegelabhängigkeit der Impedanz
-> vermutete Resonanz bei 850 Hz
-> sehr geringer Impedanzanstieg oberhalb der Resonanzfrequenz

Die kleine Impedanzüberhöhung bei 850 Hz kommt entweder von Chassis selbst oder ist die "Duftmarke" einer stehenden Welle im Gehäuse. 850 Hz entspricht einer Wellenlänge von 343 / 850 = 0.404 m. Damit käme eine stehende Welle (bei ganzzahligen Vielfachen der halben Wellenlänge) in Querrichtung bzw. in Hochrichtung in Frage. Für einen akustischen Sumpf von 1/4 bis 1/3 der Gehäusehöhe ist zwischen Chassis und Boden leider nicht genügend Platz.


-> bei geschlossenem BR-Rohr relativ hohe Gesamtgüte von 0.9 bei knapp 65 Hz

Die obige Impedanzmessung erfolgte dank externer Weiche ohne Vorwiderstände direkt am Chassis. Bei einer Freiluft-Resonanzfrequenz Fs von 33 Hz, einer Freiluft-Gesamtgüte Qts von 0.35 und einem äquivalenten Luftvolumen Vas von 42 l (gemäß Hersteller-Datenblatt) wäre in einem geschlossenen Gehäuse von 20.3 l eine Resonanzfrequenz Fc von 57.8 Hz mit einer Gesamtgüte von 0.613 zu erwarten gewesen -> was ist da passiert?

Die angegeben TSPs sind in sich stimmig wie unser Programm TspCheck bezeugt:

Leider sind die Chassis offenbar mit dem Gehäuse verklebt, so dass eine Freiluftmessung nicht möglich war. Oftmals werden die Chassis bei der Ermittlung der Hersteller-TSPs ausgiebig "vorgealtert", womit die TSPs vorweggenommen werden sollen die sich nach mehreren Monaten intensiven Betriebs mit hohen Pegeln ergeben würden. Durch das "Voraltern" (auch "Weichprügeln" genannt) wird im Wesentlichen die mechanische Nachgiebigkeit der Einspannung bestehend aus Sicke und Zentrierspinne reduziert, z.T. um bis zu 50%. Wenn man die Nachgiebigkeit um den Faktor X verändert ändert sich die Resonanzfrequenz um Wurzel(1/X), die Güte um Wurzel (1/X) und das äquivalente Luftvolumen um X. In der Regel kompensieren sich die Einflüsse bei Einbau in ein geschlossenen Gehäuse weitgehend.

Wenn man von einer doppelt so harten Einspannung ausgeht ergäbe sich ein Fs* von 46.7 Hz ausgeht, ein Qts* von 0.495 und ein Vas* von 21 l gehören. Dann wäre ein Fc* von 66.6 Hz und ein Qtc* von 0.706 zu erwarten. Die gemessene Gesamtgüte von 0.9 ist nur dadurch zu erklären dass die elektrische Güte Qes höher ist als angegeben (z.B. durch zu geringen Kraftfaktor BL).


-> geringe Serienstreuung; Chassis 2 ist etwas niederohmiger


-> nur bei der Resonanzfrequenz zu erahnende Pegelabhängigkeit der Impedanz
-> sehr geringer Impedanzanstieg oberhalb der Resonanzfrequenz


-> sehr niedrige Resonanzfrequenz von 510 Hz
-> sehr geringe Gesamtgüte von 0.36


-> so gering sollte eine Exemplarstreuung sein!

Positiv fällt die sehr geringe Streuung der Chassis sowie der geringe Impedanzanstieg bei hohen Frequenzen auf.

Und wie sieht der Frequenzgang in der Box aus?


-> sehr gleichmäßiger Abfall bei hohen Frequenzen ohne Resonanzen
-> gleichmäßig einsetzende Bündelung ab 2200 Hz
-> in 50cm Abstand Bafflestep von 3 dB < 500 Hz
-> kleine Störstelle um 850 Hz (Impedanzpeak)


-> recht gleichmäßiger Abfall von 0 - 60°, außer von 1.8 - 5.4 kHz
-> ab 1 kHz recht linearer Verlauf


-> besonders gleichmäßiger Verlauf unter 15°

Mit der von lupau angeliferten Weiche ergibt sich der folgende Frequenzgang auf Achse (< 500 Hz wird die Messung durch Raumreflexionen verfälscht):


-> unter 700 Hz sind die Ergebnisse durch Bodenreflexionen verfälscht
-> Frequenzgang des Hochtöners unter 0° "verformt" durch Kantenreflxionen
-> recht linearer Gesamt-Frequenzgang oberhalb von 700 Hz
-> Pegelabfall des Tief-/Mitteltöners ca. 5 dB/Oktave oberhalb von 1 kHz
-> Pegelabfall des Hochtöners im Mittel ca. 6 dB/Oktave zwischen 1.3 und 4 kHz
-> akustische Trennfrequenz bei ca. 1800 Hz mit ca. 6 dB/Oktave


-> früher Abfall beim Tieftöner
-> gleichmäßiger Verlauf beim Hochtöner dank Impedanzentzerrung

Auch aus dem Vergleich mit den direkten Messungen erkennt man jedoch, dass der Pegel im Mittel- und Hochtonbereich um gut 6 dB reduziert worden ist. Damit wird der so genannte Bafflestep (= Schalldruckunterschied im Bassbereich zwischen Messung im Gehäuse mit kleiner Schallwand und auf der unendlichen Schallwand) vollständig kompensiert. Das ergibt idealerweise einen linearen Frequenzgang im ReflexionsArmen Raum (= RAR), führt in normalen Hörräumen allerdings zu einer zu vollen Basswiedergabe, da dort die zur Seite und nach hinten abgestrahlten Schallanteile ja (im Gegensatz zum RAR) NICHT "verloren" sind sonder reflektiert werden und somit zu einem höheren Lautstärkeeindruck führen (s. HAAS-Effekt).

Frequenzweichen mit einer (elektrischen) Filtersteilheit von 6 dB/OKtave stehen im Ruf alle bei Frequenzeichen erstrebenswerten Eigenschaften zu besitzen (übrigens als einzige Schaltungsvariante):

  • linearer Spannungs-Frequenzgang (elektrisch)
  • linearer Leistungs-Frequenzgang (elektrisch)
  • perfektes Impulsverhalten (elektrisch)

Das gilt aber nur elektrisch und nur dann, wenn sich Hoch- und Tiefpassfilter 3 dB unter dem Gesamtfrequnenzgang bei der Trennfrequenz mit einer Phasendifferenz von 90° treffen. Es würde auch akustisch gelten wenn:

  1. die Chassis auch 3 Oktaven (= Faktor 8) jenseits der Trennfrequenz noch einen perfekt linearen Frequenzgang hätten - natürlich auch unter beliebigen Winkeln
  2. die Chassis von einem Punkt aus abstrahlen würden, also z.B. keinen Versatz der Mittelpunkte hätten (auch in der Tiefe)
  3. die Chassis einen linearen Impedanzverlauf hätten
Uff, ganz schön harte Anforderungen. Wird die 2. Bedingung nicht erfüllt kommt es in einem breiten Frequenzbereich um die Trennfrequenz herum zu deutlichen Frequenzgangabweichungen - was man in der folgenden Darstellung sehr gut erkennt:

Bei Änderung der Mikrofonhöhe um +/- 10 cm in 100 cm Abstand (= +/-5.7°) verändert sich der Frequnzgang zwischen 2.2 und 10 kHz um +1.8/-2.1 dB. Sitzt man oberhalb des Hochtöners wird der Bereich tendenziell leiser wiedergegeben, sitzt man darunter lauter. Diese Problematik haben alle "normalen" Weichenschaltungen, bei einer höheren Filtersteilheit begrenzen sich die Auswirkungen aber auf einen kleineren Frequenzbereich und durch geschickte Auslegung kann man erreichen, dass der Frequenzgang außerhalb der Achse nicht ansteigt.

Neben der Tatsache, dass selbst die sehr guten SCAN-SPEAK-Chassis die oben genannten harten Anforderungen für perfekte Chassis nicht erfüllen (Punkt 1 und 3) treffen sich die beiden Frequenzgänge nicht beim -3 dB-Punkt (und einer Phasendifferenz von 90°) sondern eher beim -6 dB-Punkt (und einer Phasendifferenz von 0°). Auch hier wird die in der Theorie so vorteilhafte 6 dB/Oktave-Philosophie nicht konsequent bzw. falsch umgesetzt.

 


 

Messungen im Hörraum:

Die Überlagerung auf Achse beim -6dB-Punkt hat den Charme, dass die Überlagerung unter allen anderen Winkeln IMMER leiser sein MUSS als auf Achse. Denn nur bei perfekter Addition ergeben 2 Teilschallquellen mit -6 dB wieder 0 dB - und diese perfekte Addition findet nur auf Achse statt. Im Hörraum, bei dem neben dem Direktschall am Hörplatz auch Diffusschall ankommt (der ursprünglich unter anderen Winkeln abgestrahlt wurde) MUSS der Frequnzgang daher eine "Delle" im Bereich der Übernahmefrequenz aufweisen. Zum Vergleich wird die Kurve gezeigt (HS_Raum1_ideal, schwarz) die eine perfekte Punktschallquelle in unserem Hörraum am Hörplatz erzeugen sollte:


-> zwischen 1.2 und 3.5 kHz gibt es einen "Durchhänger" von 1.5 dB
-> bei der Trennfrequenz beträgt die Addition "nur" noch 3.5 dB
-> bei 85 und 170 Hz dröhnt's im Bassbereich

Tja, das passiert, wenn man die Box im RAR abstimmt und die Bündelng der Chassis "vergisst"! lupau beschrieb den Klang dann auch als "entfernt", "wenig lebendig", "löst sich nicht von den Boxen". Da gefiel ihm unsere Trio und vor allem unsere Kontra deutlich besser. Uns störte auch ein bisweilen vorlauter, zum Dröhnen neigender Grundtonbereich.

 


 

Boxsim-Modell:

Um eine alternative Weichenabstimmung zu erarbeiten haben wir ein Boxsim-Modell erstellt. Da der Frequenzgang unter 15° eher dem Verlauf am Hörplatz entspricht wurden die Messungen unter diesem Winkel gemacht, wobei der Messabstand 50 cm betrug. Das Mikrofon wurde so positioniert, dass die Differenz der Abstände Mikrofon/Hochtöner und Mikrofon/Tieftöner genau so groß ist wie am Hörplatz. Dadurch ist gewährleistet, dass die am Hörplatz relevante Laufzeit- bzw. Phasendifferenz auch an der Messposition gegeben ist:

Und so sieht die Simulation im Istzustand aus:


-> sehr linearer Frequenzgang unter 15°
-> mittlerer Wirkungsgrad ca. 85.5 dB/2.83V/m
-> der Energiefrequenzgang zeigt einen breiten "Durchhänger" um 1500 Hz (bei Verwendung von 0°-Daten wäre der Durchhänger etwas geringer)


-> sehr gute Übereinstimmung der Simulation mit der Messung


-> Phasendifferenz im Übernahmebereich ca. 40°, also weitgehend konstruktive Überlagerung

Ziel der Neuabstimmung sollte es sein dieses "Loch" im Energiefrequenzgang zu linearisieren, in dem der Mitteltonbereich angehoben und der Hochtonbereich "günstiger" angekoppelt wird. Der Energiefrequenzgang sollte idealerweise kontinuierlich lecht abfallen. In Boxsim sieht z.B. diese Variante viel versprechend aus:


-> Trennfrequenz ca. 2300 Hz
-> mittlerer Wirkungsgrad ca. 87.5 dB/2.83V/m (+ 2 dB)
-> linearer abfallender Energiefrequenzgang von ca. 3 dB/Dekade


-> der Hochtöner wird mechanisch deutlich entlastet (ca. 10 dB leiser bei 800 Hz)


-> Phasendifferenz im Übernahmebereich ca. 40°, also weitgehend konstruktive Überlagerung


-> die Weiche ist "minimalistisch" aufgebaut

An diesem Punkt hilft nur: Musik hören, Musik hören und noch einmal Musik hören. Unser Abonnent lupau wird uns in Kürze besuchen und mit uns zusammen eine ihm mehr zusagende Weichenabstimmung erarbeiten. Stay tuned . . .