"Hoher" Besuch bei HiFi-Selbstbau
So langsam hat es sich herumgesprochen, dass wir uns ab und an auch mal eines alten Schätzchens annehmen. Wer wie wir dem Lautsprecher-Selbstbau schon über 30 Jahre verfallen ist kennt sie noch, die "klingenden Namen" aus der Hochzeit des Lautsprecher-Selbstbaus in den 80er des letzten Jahrhunderts, als da wären (in alphabetischer Reihenfolge) AUDAX, DYNAUDIO, KEF, VISATON etc.
Etwas später gesellte sich eine 2. französische Firma hinzu - FOCAL. Furore machten sie mit kleinen Tiefmitteltönern mit Doppelschwingspule, die im Bassbereich parallelgeschaltet wurden und so den Bafflestep kompensierten. Revolutionär war auch die inverse Kalotte mit 30 mm durchmessenden Membran, angetrieben von einer 19 mm Schwingspule und gelagert in einer hauchdünnen Schaumstoffsicke - ein Konstruktionsprinzip das auch heute noch bei den Fertigboxen von FOCAL zu finden ist.
Aber ich schweife ab . . . Wir hatten also ein Paar FOCAL-Lautsprecher zu Besuch. Aber nicht irgendwelche sondern fast schon das Topmodell der damaligen Modellpalette, die Expression.
7600 DM für ein Paar Lautsprecher samt Gehäuse, die man noch selber zusammenbauen musste, war damals wie heute kein Pappenstiel (bei einer Preissteigerungsrate von 4%/Jahr wären das heute etwa 8000 € !!!). Aber selbst die HiFi-Zeitschrift STEREOPLAY (die damals wie heute dem Lautsprecher-Selbstbau noch verbunden ist) attestierte ihr 1989 einen Referenzstatus in der Spitzenklasse. Und wir hatten sie auch noch als dynamisch aufspielende Lautsprecher im Ohr und hätten es schade gefunden, wenn sie niemanden mehr betören könnten.
Was hatten sie denn? Na was wohl - die vier 25er Tieftöner waren dahin. Ein Paar hatte der Besitzer "vor 3 bis 4 Jahren" mal weggeschickt, um neue Sicken einzusetzen. Die waren aber schon wieder hin. Das andere Paar hatte andere Probleme - "Rheumatismus" in der Gummisicke. Die Sicke schien wie aus Kunststoff, so hart war sie. So etwas Ähnliches hatten wir schon mal bei betagten Chassis von Ghia erlebt - nur nicht so schlimm.
Das folgende Bild zeigt den Impedanzverlauf der linken (eingerissenen Sicken) bzw. rechten (verhärtete Sicken) Box:
-> links BR-Box mit 32 Hz Abstimmfrequenz, rechts Resonanzfrequenz von 125 Hz, kein BR-Effekt erkennbar
-> die Impedanz unterschreiten in weiten Bereichen leicht die 3.2 Ohm-Grenze
Eine Messung des oberen Tieftöners im extremen Nahfeld zeigt das Dilemma in seiner ganzen Tragweite:
-> der rechte Tieftöner geht gar nicht mehr tief . . .
Mit dem Wegschicken hatte der Besitzer ja nun eher schlechte Erfahrungen gemacht, und gleich alle 4 Chassis austauschen war ja nun auch keine Kleinigkeit - vor allem wenn man keine ordentliche Verpackung mehr hatte und alleine dadurch ein Schaden drohte. Ob wir nicht was wüssten . . .
Tja, beim Blick auf den "komischen" Korb des FOCAL 10N500 fiel uns gleich auf, dass der doch gewisse Ähnlichkeiten mit dem Korb der X-ACT LF10CC50 hatte, jenen NOS-Chassis, die uns vor einiger Zeit in größerer Stückzahl "zuliefen". Tatsächlich passte der "quadratische" Teil des Korbes und der Lochkreisdurchmesser perfekt, nur der "runde" Teil hatte etwas zu wenig Durchmesser und der Korb war nicht ganz so flach wie der der FOCAL-Chassis. Aber selbst der Einbaudurchmesser passte - einen Versuch war es also Wert, zumal sich die X-ACT LF10CC50 ja auch sehr gut in unserer Folterkammer geschlagen hatten. Ein kurzer Blick in das Hifisound-Jahrbuch von 1986/87 - die damals alle 1-2 Jahre escheinende "Bibel" des Lautsprecher-Selbstbauers - ermunterte uns zusätzlich.
Eigenschaft | 10N500 | X-ACT LF10CC50 | 10N500 (doppelt so steif) |
Resonanzfrequenz | 21 Hz | 30.04 Hz | 29.7 Hz |
Gesamtgüte Qts | 0.22 | 0.338 | 0.311 |
Äquivalentvolumen Vas | 261 dm³ | 124.8 dm³ | 130.5 dm³ |
DC-Widerstand Rdc | 6.25 Ohm | 7.32 Ohm | 6.25 Ohm |
Wirkungsgrad | 92.1 dB/2.83V/m | 92.18 dB/2.83V/m | 92.1 dB/2.83V/m |
Der X-ACT LF10CC50 erschien fast wie eine etwas "härtere" Variante des 10N500: Fs und Qts gehen um den gleichen Betrag X hoch, Vas geht um X² runter - sogar der Wirkungsgrad stimmte überein.
Was meint denn LASIP zum Frequenzgang im Gehäuse? Dazu braucht man natürlich nicht nur die TSPs des Chassis sondern auch die Gehäusegröße und die Abstimmfrequenz. Das Gehäuse ist außen 120 cm hoch, 36 cm breit und 43 cm tief. Der Mitteltöner hat oben ein eigenes, kleines Separee, etwa in der Mitte ist das Gehäuse mit einem massiven Brett geteilt. Bei einer Wandstärke von 2 cm (und unter Vernachlässigung des Mitteltongehäuses) bleiben in der Höhe 11.4 dm übrig, in der Breite 3.2 dm und in der Tiefe 3.9 dm, das macht also ein Nettovolumen von 142.3 dm³ = 142.3 Liter. Wenn man 4.3 Liter brutto für das Mitteltongehäuse abrechnet bleiben 69 l/Teilgehäuse übrig.
Die Teilgehäuse sind über jeweils 2 Bassreflexrohre BR70 (Durchmesser 70 bzw. 61 mm, Länge 185 mm) abgestimmt. Die obige Impedanzmessung verrät, dass die Abstimmfrequenz etwa 32 Hz beträgt:
-> der Unterschied ist vernachlässigbar
Dass die FOCAL Expression ganz schön tief geht hatten wir schon vorher bemerkt - unsere Raumresonanz bei 30 Hz wurde noch kräftig angeregt. Aber: war sonst noch alles OK? Die Boxen waren immerhin schon fast 20 Jahre alt . . .
Eine kurze Frequenzgangmessung am Hörplatz zeigte, dass die Grundabstimmung der FOCAL Expression gut gelungen ist und dass sich beide Boxen im Mittel-/Hochtonbereich sehr ähnlich verhalten
-> unten rum fällt die Expression etwas füllig aus
-> leicht zurückgenommene Mitten zwischen 2 und 6 kHz
-> ansonsten sehr gleichmäßiger Abfall
Es wäre natürlich interessant zu wissen, wo die Übernahmefrequenzen liegen. Dazu kann man die Spannung über den Chassis HINTER der Weiche messen:
-> Trennfrequenzen elektrisch etwa bei 250 und 3500 Hz
Eine Messung der einzelnen Chassis über die Weiche bestätigt diese Vermutung:
-> Trennfrequenzen akustisch etwa bei 300 und 3500 Hz
-> sehr flacher Tiefpass der Basslautsprecher
-> sehr steiler Tiefpass des Mitteltöners bei 3500 Hz
Die Wärme der Expression kommt durch die langsam auslaufenden Bässe, die noch bis 800 Hz den Mitteltöner tatkräftig unterstützen. Das entspricht zwar nicht ganz der wahren Lehre, aber alleine könnte der Mitteltöner den hohen Wirkungsgrad bis hinunter zu 250 Hz auch gar nicht schaffen. Das Zusammenspiel funktioniert über den gesamten Bereich recht gut. Für unseren Geschmack hätte der Mitteltöner ruhig noch 1-2 dB lauter sein können, aber die leichte Mittenabsenkung der Expression verleiht ihr gerade auch beim leiseren Hören eine angenehme Vollmundigkeit.
Nachdem die Simulation grünes Licht gegeben hatte und auch ein testweiser Einbau der X-ACT LF10CC50 (ohne zusätzliche Einfräsung) in das Gehäuse mit den verhärteten Bässen zeigte, dass die Klangbalance identisch zur anderen Box mit den leicht eingerissenen Sicken war . . .
. . . wurden die X-ACT-Chassis ordnungsgemäß versenkt. Das ist gar nicht so einfach, weil der Fräszirkel ja kein Führungsloch mehr hat. Aber wo kein Loch ist, da klebt man eben kurzerhand eine Hilfsleiste mit Heißkleber ein und gibt so dem Fräszirkel eine Führung. Aber zunächst mussten wir die lackierte Oberfläche sorgfältig abkleben.
Der Korb des X-ACT hat eine, früher durchaus übliche, Stufe, die einen direkten Einbau verhndert
Diese "Treppe" muss man dann auch ins Gehäuse bringen......vorher
...............nacher
Dass die X-ACT-Bässe die Versenkung des Korbes im Durchmesser nicht ganz ausfüllen sieht man dank des schwarz lackierten Gehäuses selbst in 50 cm Abstand kaum. Die mattschwarze Polypropylen-Membran des X-ACT-Basses wirkt edler als die glänzend beschichtete und "unten" nach all den Jahren schon deutlich verstaubte Membran der Originalchassis.
Quintessenz:
Auch vor 20 Jahren gab es schon richtig gute Selbstbauboxen - die selbst heute noch so manche Neukonstruktion blass aussehen lässt. Die FOCAL-Chassis sind auch nach heutigen Maßstäben hervorragend und die Weichenabstimmung ist gelungen. Das Grundkonzept (2x 25er Bässe, 13er Konus-Mitteltöner und 30 mm HochtonKalotte) versprechen Souverainität und ordentlich Dampf. Das Ganze hat(te) nur 2 Nachteile:
- das Gehäuse ist nicht gerade klein
- die Expression hat 'ne ordentliche Stange Geld gekostet
Mit den X-ACT-Bässen spielen sie weitestgehend wie im Original und versprechen noch viele Jahre Musikgenuss auf höchsten Niveau. Der Besitzer war mit unserer Lösung jedenfalls akustisch, optisch und vom Kostenaufwand her sehr zufrieden . . .
wir haben an den Ausschnitten nichts verändert, immer nur die Chassisöffnung mit einem 45° Fräser angefräßt. Das kann man auch mit einer Holzraspel hinbekommen. Dann passten die Chassis in die schon vorhandenen Öffnungen.
Theo
Ihr habt mit der Oberfräse eine weitere Stufe gefräst. Das möchte ich ebenso sauber erledigte und möchte dafür mir eine Schablone bauen. Dazu bräuchte ich aber das Maas (Durchmesser und Tiefe).
Ich hatte gehofft, dass Ihr das ähnlich gelöst hattet.
MfG
Jürgen
jetzt habe ich erst verstanden was Du meinst, sorry. Das habe ich mit einem Anlauffräser gemacht. So ein Teil:
d = 12,6 mm
D = 30,6 mm
Frästiefe = 6 mm
Theo