Die Geschichte

Als Boxenbauer hat man meist keine gute Erfahrung mit der Familie was Aussehen und Größe der Lautsprecher betrifft. Immer im Konflikt mit dem WAF (WifeAcceptanceFactor), ist man froh wenn die gemeinsamen Kinder endlich in das Alter kommen um nach eigenen Lautsprechern zu rufen und man in dieser Richtung ein wenig Beistand erhält. Nun, da aus erzieherische Gründen der Nachwuchs an der Anschaffung eigener Lautsprecher beteiligt werden sollte, müssen die Lautsprecher möglichst billig sein, da die Taschengeldkasse meist nicht unbegrenzt gefüllt ist oder die Kohle für wichtigere Dinge benötigt wird.

Die Verstärker in der Kidi-Klasse glänzen zwar mit üppigen Wattangaben, wir alle wissen jedoch, dass diese Zahlen nur mit Sonne auf dem Dach und Kernkraftwerk am Stecker erreicht werden. So ist es denn keine Seltenheit, dass aus 200 angegebenen "ich bin doch nicht blöd" Watt, bei näherer Betrachtung im günstigen Fall echte 2 x 15 Watt an 8 Ohm übrig bleiben. Jetzt lassen unsere Nachkommen gerne mal die Kuh fliegen was Lautstärke betrifft, ich weiß das aus eigener Erfahrung. Da sind die Ärzte dann schon mal so laut, dass man wirklich befürchtet einen Arzt rufen zu müssen um Risse in den Trommelfellen zu kitten.

Wie kann man die Jugend in dieser Hinsicht zufrieden stellen, ohne ein jahrelanges Loch in die Taschengeldbörse zu reißen, oder sich selbst im Sinne des Sozialstaates als Unterstützer zu belasten? Bei dieser schwierigen Frage habe ich mich an eine der vielen Versuche mit Lautsprecherchassis in der Vergangenheit erinnert. Billig kann eigentlich nur heißen, so wenig Wege wie möglich und da liegt als erstes natürlich ein Breitbandsystem nahe. Genau so einen Kandidaten hatte ich früher schon mal in diversen "Spielgehäusen" ausprobiert. Es handelt sich um einen Breitbandchassis von Monacor, den SP-155X, ein Chassis das mit effektiven 89 dB/Watt recht laut ist, nicht viel kostet und in der Handhabung so gutmütig reagiert, dass es einem auch mal einen Einbaufehler verzeiht.

 

Simulation und Konstruktion

Erste, schnelle Simulationen ergaben ein 135 Ltr. Bassreflexgehäuse, was natürlich in keinen Zusammenhang mit einem üblichem Kinderzimmer zu bringen ist. Was also tun? Ich hatte schon in den diversen Foren immer wieder von der Software LspCAD gehört, die rechtzuverlässig Ergebnisse vorhersagen soll. Wenn man sich ein wenig im Internet umsieht, findet man auf der Webseite www.ijdata.com die besagte Software. Die dort verfügbaren Demoversionen erlauben es allerdings nicht mehr, dass man beliebige Chassis simulieren kann. Dies kann nur die Version LspCAD-Lite 1.0, die man z.B. hier downloaden kann. Eine Vollversion in zwei verschiedenen Ausführungen bekommt man übrigens beim deutschen Vertrieb Intertechnik.
Aber zunächst ist ein Test angesagt, also Download, Installation und los geht´s.
Nix zu machen, man kann zwar schon vorhandene Projekte öffnen und damit herumexperimentieren, findet aber keine Möglichkeit ein neues Chassis zu erfassen. Mehr aus Zufall bin ich im Stammverzeichnis der Software über eine kleine Datei namens speakerunit.exe gestolpert. Ein Doppelklick auf dieses ausführbare File zeigt einem die folgende Ansicht und eröffnet die Möglichkeit Chassisdaten zu erfassen und zu speichern.

Die so gespeicherte Datei lässt sich in LspCAD-Lite wieder öffnen und man kann mit dem gewünschten Chassis arbeiten. Unter dem Menüpunkt "File..... New Project", wählt man beispielsweise die Gehäuseart Bassreflex wie in unserem Fall. Da sich alle Fensterchen hartnäckig weigern irgendwelche Ergebnisse zu zeigen, scheint da wohl noch was zu fehlen.
Ach ja, kein Chassis, also suchen wo und wie man das auf den Bildschirm bekommt. Im Menüpunkt "Driver unit......load" wird man fündig. Hier kann man das eben mit speakerunit.exe erfasste Chassis laden. So ein Mist, die Fensterchen bleiben immer noch leer, also weitersuchen.


Im Menüpunkt "Box" werden wir fündig, hier kann man die Daten des gewünschten Gehäuses eintragen. An dieser Stelle bemerkt man, dass schon etwas Erfahrung dazugehört, um einfach die Daten eines Gehäuses abschätzen zu können. Überschlägige Werte erhält man z.B. auf unserer Online-Berechnungsseite für Bassreflexlautsprecher.

Tatsächlich, jetzt gibt es Daten und Kurven in den Fenstern.

Schauen wir uns die Ergebnisse genauer an.

Ich hatte schon im Vorfeld das Gehäuse Pi x Daumen auf regalfreundliche 15 Ltr. festgelegt und bekomme nun von LspCAD-Lite die Quittung, die gar nicht so schlecht aussieht. Mit einem handelsübliche Bassreflexrohr von 14,5 cm Länge und 6 cm Durchmesser, bekommt man, bei lockerer Befüllung des Gehäuses mit Dämpfungsmaterial, eine -3dB Frequenz von etwa 62 Hz. Die durch das "zu kleine" Gehäuse entstehende Überhöhung von 4 dB bei ca. 120 Hz, kommt dem Wunsch der Kids von vermeintlichem Druck entgegen, lässt den Lautsprecher dicker klingen als er ist.
Mein Töchterchen bestätigt mir zudem, dass die Box bei Ihren männlichen Schulfreunden sehr gut ankommt, Tochter glücklich, Papa glücklich, was will man mehr?

 

Die Messung

Jetzt sollen diverse Messungen das Hör- und Simulationsergebnis Messtechnisch belegen.

In einem Meter Abstand sieht man von der simulierten, kleinen Überhöhung nicht sehr viel, was sich durch die nicht vorhandene unendliche Schallwand erklären lässt. Simulationsprogramme gehen in der Regel davon aus, dass ein Chassis in der besagten Schallwand montiert ist und es zu einer gleichmäßigen halbkugelförmigen Abstrahlung kommt. Dieser Effekt kommt umso stärker zum tragen, je tiefer die Frequenzen werden. Bei einer Box fehlt die halbkugelförmige Abstrahlung und es kommt zu einer Ausdünnung des Grund- und Tieftonbereiches, weil sich die Reflexionen der Schallwand nicht zu dem vom Chassis abgestrahlten Anteil hinzuaddieren. Der Fachmann nennt diesen Effekt Bafflestep, welchen wir in einem gesonderten Bericht noch näher erläutern werden. Ganz gut lässt sich das mit unserer Standard-Simulations-Software Lasip zeigen, da wir dort zwischen Schallwand und einer einzugebenden Gehäusebreite wählen können.

Die grüne Kurve zeigt hier die Simulation auf der unendlichen Schallwand und die gelbe bei einem 28,8 cm breiten Gehäuse.


Da die Box jedoch in einem meist zu kleinen Kinderzimmer und darüber hinaus oft auch noch in einem Regal steht, kommt uns dieser Effekt ganz gut zu pass und wir dürfen erwarten das die Basswiedergabe nicht zu bumsig wird.

Was die Simulation für das Bassreflexrohr ausgibt, zeigt sich in der Messung so

Erstaunlich, wie nahe LspCAD da an der Wirklichkeit liegt, dass wird noch deutlicher bei der Impedanzmessung.

 

Fast eine Punktlandung könnte man sagen, dass lässt erwarten, dass Lautsprecher die man mit dieser Software rechnet, auch wie erwartet funktionieren. Das Gesamtbild zeigt die Ergebnisse noch mal in der Übersicht.

 

Das Gehäuse

Wie verpackt man dieses Ergebnis jetzt in ein Gehäuse, dass nicht wie ein fieser Klotz im Kinderzimmer herumlungert? Da Regale meist nicht tief sind, habe ich die Box etwas breiter gemacht. Der Treiber wurde dezentral ins Gehäuse gesetzt, was uns die Möglichkeit gibt den Lautsprecher liegend, als auch stehend zu betreiben und ein wenig mit der Klangsymmetrie zu spielen. Die hinten liegende Reflexöffnung soll vermeiden das zuviel Mitteltonanteile direkt in Richtung Ohr abgestrahlt werden.

19mm Spanplatte reicht für das Gehäuse vollkommen aus und sorgt dafür, dass der Lautsprecher nicht zur Belastungsprobe für die Tragfähigkeit der Befestigungsdübel am Regal wird.

Der SP-155X ist ein erstaunlich spielfreudiges Chassis und ich kann jedem raten doch ein paar Versuche damit anzustellen. Darüber hinaus spielt der Breitbänder sehr pegelfest und verzeiht auch wenn man es einmal krachen lässt. Das sollte natürlich immer im Rahmen bleiben, denn Wunder darf man auch hier nicht erwarten. Ich für meinen Teil jedenfalls werde dieses Chassis auch noch in anderen Konstruktionen testen und dann hier wieder berichten. Hier noch die technischen Daten des Chassis und die Kosten für einen Lautsprecher inklusive Holz und Zubehör.

 

TSP SP-155X

Fs:
Qms:
Qes:
Qts:
Rdc:
Sd:
Mms:
Cms:
Vas:
Eta:

76,91 Hz
2,982
1,114
0,811
6,90 Ohm
125,7 cm²
7,08 g
0,605 mm/N
13,54 l
89,34 dB/W/m

Kosten

Chassis:
Holz:
Kleinmaterial:

Gesamtkosten:

30 €
5 €
10 €

45 €

 

Kommentare

sne-t
11 jahre vor
Hallo,

dieser Vorschlag war Grund für mich, es zu versuchen, endlich meinen ersten Lautsprecher- Selbstbau durchzuführen.
Hat auch fast alles gut geklappt. Nur war für mich als Anfänger nicht zu erkennen, welche BR- Rohre man braucht. Hatte natürlich erst Falsche besorgt und später durch recherche im Netz die BR/70 von Intertechnik verwendet. Jetzt klingen meine Boxen, bei dieser Größe mit diesen BB- Chassis, ganz gut. Sie können auch laut ( bei 30Watt/Sinus und reichen für Kinderzimmer oder wie meines (ca. 20qm).

Danke und Gruß, Dirk
wolfgang520
11 jahre vor
Die Aufgabenstellung war bei mir ähnlich, bei möglichst kleinen Kosten einen optimalen Lautsprecher zu bauen.
Genutzt wurde der BG 20 von Visaton und das Projekt nennt sich BG 20 Partybox.
Für Interessenten mehr dazu auf der Seite:
http://www.lautsprecher-berlin.de/partybox.html.
Eine weitere Idee mit dem BG 20 ist auf folgender Seite zu finden:
http://www.geist4711.de/BG20-seite.html.

Obwohl das BG 20 Chassis nicht mehr ganz neu ist, lässt sich damit noch einiges machen.

Gruß

Wolfgang
Oliver Martin
13 jahre vor
Hallo zusammen :cheer:
Ein tolles, kleines Projekt für den schmalen Geldbeutel. Das findet bestimmt Nachahmer.
Es wäre toll, wenn Ihr ein Datenblatt des SP-155X veröffentlichen würdet.

Gruss
Olli

You have no rights to post comments