Lautsprecher strahlen den Schall nicht in alle Richtungen gleich ab, sondern haben eine gewisse horizontale und vertikale Richtcharakteristik. Man ist heute zunehmend der Auffassung, dass eine kontrollierte Richtwirkung günstig ist um die Wiedergabe eines Lautsprechers möglichst unabhängig vom Wiedergaberaum zu machen.

Wenn man das messen will braucht man z.B. einen reflexionsfreien Messraum und muss dort z.B. mindestens alle 15° in horizontaler und vertikaler Richtung einen Frequenzgang aufnehmen und ihn entsprechend gewichten, denn die Abstrahlung genau nach vorne entspricht eigentlich bei einer Erdkugel lediglich dem Nord- oder Südpol, während die Fläche um den Äquator (also 90° seitlich) doch viel größer ist!

Das hört sich alles nach sehr viel Aufwand an. Viel schöner wäre es doch, wenn man die in alle Raumrichtungen abgestrahlte Energie aufsammeln und mit einer einzigen Messung ermitteln könnte. Genau das kann ein Hallraum leisten. Wie soll das denn gehen?

 

Der Hallraum, das unbekannte Wesen

In einem Hallraum wird der von einer Schallquelle abgestrahlte Schall so lange reflektiert, bis quasi das gesamte Raumvolumen gleichmäßig mit Schall durchsetzt ist. Im Idealfall könnte man an jedem beliebigen Punkt eines Hallraumes denselben Schalldruck messen, sofern man weit genug von der Schallquelle entfernt ist.

Merke: In der Nähe der Schallquelle überwiegt der direkt abgestrahlte Schall (Direktschall). Weiter entfernt von der Schallquelle überwiegt der diffus reflektierte Schall (Diffusfeld).

Der Übergang vom Nahfeld in das Fernfeld passiert etwa im Abstand des Hallradius rH:

Hallradius rH [m] = 0.057 · Wurzel ( Raumvolumen V [m³] / Nachhallzeit T60 [sec.] )

Es ist daher erstrebenswert, eine möglichst hohe Nachhallzeit T60 zu haben. Dies erreicht man durch schallharte Begrenzungsflächen (z.B. Fliesen). Na ja, ein großes Raumvolumen ist natürlich auch erstrebenswert, kostet aber viel Platz und damit Geld :-(

Bei tiefen Frequenzen gibt es jedoch auch in Hallräumen das Problem, dass sich Raummoden (= Stehwellenfelder) ausprägen, so dass die Schalldruckverteilung doch nicht gleichmäßig ist. Erst wenn die Anzahl von Raummoden pro Frequenzband (= Modendichte) groß genug ist stellt sich eine gleichmäßige Schalldruckverteilung ein. Diese Grenzfrequenz berechnet sich zu:

Grenzfrequenz [Hz] = 1000 / ( Raumvolumen [m³] ) ^(1/3)

In unserem Fall ist der Hallraum etwa 2.00 m breit, 2.35 m lang und 2.60 m hoch. Durch Betonpfeiler, Unterzüge und 2 eingebrachte Schrägen (rechts oben und unten) beträgt das Restvolumen etwa 11.3 m³, wodurch sich eine Grenzfrequenz von etwa 445 Hz ergibt. Da Nachhallzeiten üblicherweise in 1/3 Oktavschritten angegeben werden ist die 500 Hz Oktave (von 447 bis 562 Hz) also das unterste nutzbare Frequenzband.

 

 

Weitere Informationen zum Thema Nachhallzeit gibt es im Artikel Raumakustik im Detail.

Bei der ersten Messung haben wir die VeraTwo als Schallquelle verwendet. Damit ergab sich die folgende Nachhallzeit:

  • die Nachhallzeit liegt trotz der geringen Raumgröße oberhalb von 315 Hz deutlich über der Nachhallzeit eines typischen Hörraums
  • selbst bei 10 kHz beträgt der Hallradius nur ca. 22 cm! Ab dem doppelten Hallradius befindet man sich sicher im Diffusfeld
Hinweis: Ein Vergleich zum reflexionsarmen (=RA) Messraum und zum Hörraum findet sich hier

 


 

Messungen im Hallraum

Ja, aber jeder Hallraum sieht doch anders aus und hat doch seine individuelle Nachhallzeit, wie soll ich denn da Messungen vergleichen? Guter Einwand! Im Endeffekt interessiert uns nicht der Schalldruckpegel LP im Hallraum (der ja idealerweise an jedem Ort identisch ist) sondern die (idealerweise) von der Raumgröße und der Nachhallzeit unabhängige Schallleistung LW. Die beiden Größen sind wie folgt verknüpft:

LW [dB] = LP [dB] - 10·Log10 (T60[s]) + 10·Log10 (V[m³]) - 14

Was bedeutet das anschaulich? Ein Lautsprecher mit einer bestimmten Schallleistung wird in einem stärker bedämpften Raum (= kürzere Nachhallzeit) im Diffusfeld einen geringeren Schalldruckpegel erzeugen. Klingt doch logisch, oder? In einem größeren Raum mit gleicher Nachhallzeit wird er im Diffusfeld einen geringeren Schalldruckpegel erzeugen. Da muss er ja auch mehr Volumen "ausfüllen".

Jetzt muss man nur noch wissen wie LP und LW bei ungestörter Ausbreitung im Freifeld (oder reflexionsarmen Messraum) verknüpft sind. Denn bei konstanter abgestrahlter Schallleistung hängt ja der Schalldruck von der Messentfernung ab:

LP [dB] = LW [dB] - 10·Log10 (Messoberfläche S [m²])

Was ist denn nun wieder eine Messoberfläche? Na ja, in der Akustik stellt man sich Schallquellen gerne als winzig kleine (Punkt-) Quellen vor, die in alle Richtungen gleichmäßig abstrahlen. Damit wäre die Messoberfläche eine Kugel mit dem Radius r:

Kugeloberfläche S [m²] = 4 · Pi · ( Radius r [m] )2

Für die ideale Punktquelle wird daraus also:

LP [dB] = LW [dB] - 20·Log10 (Radius r [m]) - 8

in einer Entfernung von 1.0 m ist LP also 8 dB kleiner als LW in einer Entfernung von 28 cm ist LP = LW bei Entfernungsverdoppelung reduziert sich LP um 6 dB

Hinweis: Man könnte aber natürlich auch auf einer beliebigen Messoberfläche (z.B. Halbkugel oder Quader) um eine reale Quelle herum messen.

Bei einer idealen Punktquelle wäre der gemessene Schalldruck in 1.0 m Entfernung also für alle Frequenzen um 8 dB geringer als die berechnete (über alle Raumrichtungen aufsummierte) Schallleistung. Durch den Vergleich von LP und LW kann man also etwas über das Rundstrahlverhalten eines Lautsprecherchassis erfahren.

In einem Hallraum kann man aber noch viel mehr interessante Dinge anstellen. Aus der Formel für die Nachhallzeit:

Nachhallzeit T60 [sec] = 0.163 · Raumvolumen V [m³] / äquivalente Absorptionsfläche A [m²]

kann man z.B. die äquivalente Absorptionsfläche bestimmen. Was ist denn das nun wieder? In einem realen Raum ist die gesamte Absorption ja verteilt: jede Teilfläche Si [m²] trägt mit ihrem Absorptionsgrad Alphai [%] zur Gesamtabsorption A [m²] bei. Die Gesamtabsorption A = Summe (Si · Alphai) kann man sich also als eine einzige Fläche mit 100% Absorption vorstellen.

Wenn man nun die Nachhallzeit eines "leeren" Hallraums misst und dann ein Absorptionsmaterial mit einer Oberfläche von z.B. genau 1 m² einbringt, dann wird sich die Nachhallzeit verringern. Aus der Veränderung der Nachhallzeit kann man auf das Absorptionsvermögen des eingebrachten Materials zurückschließen. Es gilt:

T60 (ohne) = 0.163 · V / A (ohne)

T60 (mit) = 0.163 · V / (A (leer) + A(mit)

-> A (mit) = 0.163 · V / (1/T60 (mit) - 1/T60 (ohne))

Mit diesem "Trick" wurde z.B. die Wirkung der einzelnen Maßnahmen in unserem Hörraum bestimmt. Wenn man jetzt noch die äquivalente Absorptionsfläche durch die "reale" Fläche teilt dann kann man den Absorptionsgrad eines Materials bestimmen. Dabei sind allerdings die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen (z.B. "offene" Seiten etc.).

 

Messungen nach DIN/ISO

Wenn man genormte Messungen machen will, dann muss man allerdings einige Details beachten:
  • die Schallquelle muss möglichst gut rundumstrahlend sein
  • die Schallquelle muss an mehreren Punkten im Raum positioniert werden
  • der resultierende Schalldruck muss an mehreren Punkten im Raum gemessen werden
  • es müssen Diffusfeld-Mikrofone verwendet werden
Uff, gar nicht so einfach. Als möglichst gut rundumstrahlende Schallquelle hat sich eine Kugel mit 12 identischen Teilflächen (sog. Dodekaeder) bewährt, bei dem die Lautsprecher üblicherweise in Reihe geschaltet werden um den Ausfall eines einzelnen Chassis detektieren zu können. Außerdem fallen dann Verluste durch Leitungswiderstände nicht mehr ins Gewicht.

Bliebe nur noch zu klären was Diffusfeld-Mikrofone sind. Bei hohen Frequenzen, bei denen der Membrandurchmesser nicht mehr klein gegenüber der Wellenlänge ist kommt es vor der Membran eines Mikrofons bei Beschallung von vorn prinzipbedingt zu einem Druckstau von bis zu 10 dB. Bei Freifeld-Mikrofonen wird dies durch eine geringere Empfindlichkeit möglichst spiegelbildlich kompensiert. Von der Seite oder von hinten beschallt zeigen solche Mikrofone in der Folge also einen zu geringen Schalldruckpegel an. Wenn man über alle Raumeinfallswinkel integriert wird die Gesamtenergie also auch zu gering angezeigt.

Bei Diffusfeld-Mikrofonen wird daher der Druckstau nicht kompensiert. Von vorne beschallt zeigt es dann "zuviel" an, von der Seite "richtig" und von hinten "zuwenig". Wenn man jedoch über alle Raumwinkel integriert dann kommt in etwa das "richtige" Ergebnis heraus.

Und wie messen wir nun? Also beim Thema Mikrofon verwenden wir für Messungen im Hallraum das MONACOR ECM-40. Wie im Artikel Mikrofonkalibrierung, wie geht das denn . . . gezeigt weist es bei Beschallung von vorne einen starken Anstieg der Empfindlichkeit oberhalb von 5 kHz auf, der Druckstau dürfte also nicht kompensiert sein. Bei Messungen im Hallraum wird der Freifeld-Frequenzgang des ECM-40 dann also auch nicht kompensiert.

Beim Thema Lautsprecher haben wir uns für eine "Sparversion" des Dodekaeders entschieden, einen einfachen Würfel. Hier werkeln zwar nur 6 Chassis (FOSTEX FE87 (PDF, 60 kB)), aber dafür haben sie aufgrund des geringen effektiven Membrandurchmessers von 6 cm auch ein gutes Rundstrahlverhalten. Das Ganze sieht dann so aus:


hier ist deutlich zu sehen wie dünn
die Textilsicke des Fostex ist

 

OK, Bass kommt aus der kleinen Kiste natürlich nicht raus, soll ja aber auch gar nicht. Der Hallraum "funktioniert" ja ohnehin erst ab der 500 Hz Terz (s.o.), und ab da spielt der Kleine munter mit.

 


 

Ausblick

Eine detaillierte Untersuchung des Hallraums (Abhängigkeit von der Quellen- bzw. Mikrofonposition und -orientierung) gibt es voraussichtlich in der nächsten Ausgabe des Magazins. Dann werden wir auch bei einzelnen Chassis den Freifeld-Frequenzgang im reflexionsarmen Messraum mit der Schallleistung im Hallraum vergleichen.

Und dann wollen wir auch mal "amtliche" Absorptionsgrade bestimmen, z.B. von unseren Absorbern. Wir sind schon gespannt . . .

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