DXT (Diffraction eXpansion Technology), die tiefer gelegte Kalotte

Vor einigen Jahren gab es mal eine Kalotte die ein leichtes Waveguide mitbrachte und in der Szene sehr beliebt war. Die Peerless WA10/8 war seinerzeit bekannt für ihr gleichmäßiges Rundstrahlverhalten und wurde später auch in einer "TV" Version magnetisch geschirmt angeboten.

Seas hat seit einiger Zeit einen Hochtöner auf dem Markt der die Tugend des gleichmäßigen Abstrahlverhaltens wieder aufgreift. Dieser kann so, je nach Bedarf, helfen Klangprobleme durch zu heftige Reflexionen an schallharten Begrenzungswänden zu minimieren, indem man einfach versucht die Schallwellen durch eine geeignete Schallführung zu bündeln.

So ein Waveguide ist eine knifflige Sache und muss genau auf den Treiber abgestimmt sein. Ob die Entwickler bei Seas diese nicht ganz einfache Aufgabe gemeistert haben und wie es funktioniert, klärt unser Chassistest zum Seas 27TBCD GB-DXT, oder Seasintern einfach H1499.

Chassis-Datenblatt © www.hifi-selbstbau.de
So werden Lautsprecherchassis von HiFi-Selbstbau gemessen
Hersteller: SEAS Typ: 26 mm Kalotte Datenblatt des Herstellers




 Foto des Chassis
 


Der äußere Eindruck:
Auf den ersten Blick scheint der SEAS-Hochtöner mit der unaussprechlichen Typenbezeichnung 27TBCD/GB-DXT und dem SEAS-internen Kürzel H1499 ganz normal zu sein: eine 26mm Metallkalotte mit Schallführung, also "tiefer gelegter" Kalotte. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Schallführung nicht wie üblich kontinuierlich abgerundet ist (s. z.B. MONACOR DT-300 WG) sondern aus 2 konischen Stufen besteht. Außerdem fehlt der bei Metallkalotten sonst übliche Diffusor entweder in Form einer von außen vorgesetzter "Blende" (s. z.B. ETON HD26) oder als - von außen kaum zu sehende - von innen auf das Schutzgitter aufgebachte "Unterlegscheibe" aus durchsichtiger Kunststofffolie (s. VISATON KE25SC). Ziel des H1499 war nämlich nicht ein linearer Frequenzgang auf Achse, die mit einer zu hohen Frequenzen hin zunehmenden Bündelung "erkauft" wird sondern im Gegenteil eine möglichst gleichmäßige Bündelung - wofür die Abkürzung DXT (Diffraction eXpansion Technology) in der Typenbezeichnung steht.

Von hinten erkennt man einen 73mm durchmessenden Ferritmagnet und ein recht großes Koppelvolumen, was eine niedrige Resonanzfrequenz verspricht. Das Volumen wird jedoch teilweise von einem Kompensationsmagneten "bewohnt" um das magnetische Streufeld zu verringern und einen Betrieb in unmittelbarer Nähe von Bildröhren zu ermöglichen. 

Membranfläche: Außendurchmesser:
Innendurchmesser:
Plugdurchmesser:
-> Membranfläche Sd:
Sd:32 mm
28 mm
0 mm
7.07 cm²
TSP (Mittelwert und Streuung
von 2 Chassis, Anregung -12 dB):
Resonanzfrequenz Fs
DC-Widerstand Rdc
Mechanische Güte Qms
Elektrische Güte Qes
Gesamtgüte Qts
Wirkungsgrad Eta (1m, 2.83V, Halbraum)
738.1 Hz (+/-4.3%)
4.75 Ohm (+/-0.6%)
1.051 (+/-5.9%)
0.687 (+/-6.7%)
0.416 (+/-6.3%)
93.68 dB (+/-0.10)

Die TSP:
Das TSP-Impedanzmodell nähert den realen Impedanzverlauf unterhalb von 3 kHz nur unzureichend an. Das bedeutet tatsächlich passiert etwas, was im einfachen TSP-Impedanzmodell nicht vorgesehen ist. Bei der Ankopplung von Teilvolumina scheint es - besonders beim 2. Exemplar - bassreflex-ähnliche Effekte zu geben. Auch die Herstellerdaten zeigen diesen "unsymmetrischen" Verlauf bereits. Auch dort liegt das Impedanzmaximum mit knapp unter 1000 Hz nicht so tief wie vom großen Koppelvolumen erhofft.

Der Wirkungsgrad ist mit 93.7 dB/2.83V/m (Mittelwert von 2 bis 12.5 kHz) recht hoch, z.T. aber dem niedrigen Gleichstromwiderstand von 4.75 Ohm zu "verdanken".

 


Der Frequenzgang:
. . . gliedert sich in 2 Hauptbereiche: von 1.5 bis 5 kHz verläuft der Frequenzgang auf Achse weitgehend linear und auf hohem Niveau von ca. 95 dB/2.83V/m, um danach bis 20 kHz in einen kontinuierlichen "Sinkflug" über zu gehen, an dessen Ende nur noch ein Wirkungsgrad von 85 dB/2.83V/m erzielt wird. Darüber bäumt sich der H1499 noch einmal kräftig auf und erzielt bei ca. 26 kHz seinen höchsten Wirkungsgrad von ca. 102 dB/2.83V/m - immerhin knapp 20 dB mehr als noch einige Kilohertz zuvor. Diese Resonanz wird bei der auf 22 kHz limitierten CD-Wiedergabe nicht angeregt - zumindest nicht direkt (mehr dazu im Kapitel "Klirrfaktor").

Das Rundstrahlverhalten ist äußerst ungewöhnlich - dank DXT. Die Bündelung setzt bereits bei 3.5 kHz ein und ist zwischen 4 und 11 kHz fast konstant (0.4/2.2/4.7/7.0 dB bei 15/30/45/60°). Damit kommt der H1499 einer Schallquelle mit konstanter Richtwirkung (constant directivity) in diesem Frequenzbereich sehr nahe. Das spiegelt auch der Verlauf des Bündelungsgrades wider, der von 4.5 bis 11 kHz weitgehend konstant bleibt und erst darüber weiter ansteigt. Genau das wollte DXT erreichen -> Mission erfüllt!
Die Membranresonanz ist sogar in der Sprungantwort deutlich zu sehen. Im zeitskalierten Zerfallspektrum ist sie noch deutlicher zu erkennen und im periodenskalierten Zerfallspektrum sieht sie noch schlimmer aus - selbst nach über 20 Schwingungsperioden ist die Resonanz erst um 20 dB abgefallen! Und man sieht sogar, dass die Resonanz sich erst nach 2 Schwingungsperioden voll aufgebaut hat.
Da kann man die Skepsis der Metallmembrangegner verstehen und es stellt sich die Frage ob das wirklich nicht hörbar ist. CELESTION - ein früher Befürworter von Metallmembranen z.B. beim Hochtonbereich der SL6 von 1981 - hat damals zwar speziell abgestimmte Sperrkreise verwendet um die direkte Anregung der Membranresonanz zu unterbinden - den Klirrfaktor (also "intern produzierte" Oberwellen) können diese Sperrkreise aber nicht von seinem Unwesen abhalten . . .
Die Paargleichheit ist bis 16 kHz sehr gut. Erst im Dunstkreis der Membranresonanz zeigten sich deutliche Unterschiede.

 

Pseudorauschen > 1000 Hz (0°, 15°, 30°, 45°, 60°; MP3 42 kB)

 


Sprungantwort (Chassis 1, 20 cm, 0°)

 

Zerfallspektrum (Chassis 1, 20 cm, 0°)

Die Pegellinearität:
Die Abweichung vom "Pfad der Tugend" setzt vereinzelt bereits ab +10 dB re 2 V ein (entsprechend 102 dB in 1m im relevanten Frequenzbereich) - allerdings nur sehr sanft um 0.5 dB. Etwa 6 dB "später" bleiben 1 dB "auf der Strecke" und noch 3 dB später insgesamt 1.5 dB. Die Dynamikkompression setzt breitbandig ein, das ist ebenfalls sehr gut. Die Anregung erfolgte mit einem Hochpassfilter bei 2000 Hz und 12 dB/Oktave Steilheit - dieser Einsatz erscheint in Anbetracht des Impedanz- und Klirrfaktorverlaufs als sinnvolle Untergrenze.

 


Der Klirrfaktor:
Bei einem mittleren Schalldruckpegel von 85 / 90 / 95 / 100 dB beträgt der Klirrfaktor K2 oberhalb von 2000 Hz im Mittel moderate geringe 0.36 / 0.62 / 1.11 / 2.03%. K3 beträgt unter diesen Bedingungen (bis 95 dB) extrem geringe 0.03 / 0.04 / 0.10 / 0.29%. Auch bei einem mittleren Schalldruckpegel von 100 dB explodiert der Klirrfaktor noch nicht, der H1499 ist demnach kein Kind von Traurigkeit . . .

Da bei unserer Standardauswertung nur die Antwort bis 22 kHz erfasst wird, wird die Auswirkung der Membranresonanz bei 26 kHz hier nicht deutlich. Denn die Klirrkomponenten werden immer dann besonders stark wiedergegeben, wenn sie mit einer Membranresonanz zusammen fallen. Ein "eigentlich" nur 1% großer Klirrfaktor K2 bei 13 kHz (Grundwelle 87 dB/2.83V/m) würde durch die Membranresonanz (102 dB/2.83V/m bei 26 kHz) um 15 dB und damit um den Faktor 10(15/20) = 5.6 "verstärkt". Zum Glück ist unser Gehör für hochfrequenten Klirrfaktor recht unempfindlich, allerdings stehen die lange ausklingenden Resonanzen von Hartmetallmembranen im Verdacht durch andere Trägerfrequenzen in der hörbaren Bereich heruntermoduliert und damit wieder wahrnehmbar zu werden. Das ist allerdings ein Thema, welches nicht so einfach isoliert untersucht werden kann - weshalb es wohl so kontrovers diskutiert wird . . .

 

Klirrfaktor bei 85 bis 100dB/1m (Halbraum)



Fazit:

Will man eine Box mit weitgehend konstanter Bündelung aufbauen sollte auch der Mitteltöner entsprechend ausgelegt werden - was gar nicht so einfach sein dürfte. Auf jeden Fall sollte der H1499 nicht zu tief angekoppelt werden, denn dann ist das Entwicklungsziel der möglichst konstanten Bündelung nicht mehr erfüllt. Vom Impedanz- und Klirrfaktorverlauf her wäre eine Trennfrequenz von mindestens 2 kHz mit einer Filtersteilheit von mindestens 12 dB/Oktave zu empfehlen.

Und wie setzt man den H1499 nun ein? Erzwingt man einen linearen Frequenzgang auf Achse oder betrachtet man mehr den Energiefrequenzgang und strebt einen gleichmäßigen Abfall am Hörplatz von z.B. 1 dB/Oktave an? Das hängt vom Hörraum ab: je näher er einem reflexionsarmen Raum ist desto mehr bestimmt der Direktschall den Höreindruck, und je halliger ein Hörraum ist desto wichtiger wird der Energiefrequenzgang. Immerhin ist der Unterschied zwischen beiden (nämlich der Bündelungsgrad) beim H1499 geringer als üblich, so dass in unter "extremen" Abhörbedingungen "ähnlicher" klingen sollte. Die "Entzerrung" des H1499 auf linearen Frequenzgang bzw. einen gleichmäßig abfallenden Frequenzgang am Hörplatz ist allerdings nicht ganz trivial . . .

Mit einem UVP von 44 € ist der SEAS H1499 ein preiswerter Einstieg in die Welt der Hochtöner mit weitgehend konstanter Richtwirkung. Klirrfaktor und Pegellinearität sind sehr gut. Alles in allem also ein sehr empfehlenswerter Hochtöner vor allem für Leute mit eher halligem Hörraum und fortgeschrittenen Kenntnissen der passiven Weichenauslegung - oder Aktivtechnik.

Kompletter Datensatz beider Chassis (Impedanz, Schalldruck, Bündelungsgrad und Schallleistung im OCT-Format, Klirrfaktor und komplexer Frequenzgang als TXT-Datei, ZIP, 61 kB)  Hinweis: Beide Chassis sind 24 Stunden eingerauscht!

 

Kommentare

leifislive
13 jahre vor
Der Titel ist falsch... das ist der DXT nicht GXT... ;-)
HiFi Selbstbau
13 jahre vor
Danke Dir, ist geändert.

Das HiFi-Selbstbau Team

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