Bei der Messungen von Lautsprechern in "normalen" Hörräumen tritt immer wieder das Problem auf, dass die Raumeinflüsse das Ergebnis beeinflussen: das Messergebnis ist nicht auf andere Räume übertragbar! Zwar lassen sich die Einflüsse durch eine geringe Messentfernung (z.B. 20cm) reduzieren, dadurch handelt man sich aber andere Probleme ein (unterschiedliche Entfernung zu den einzelnen Chassis, unrealistischer Winkel etc.).

Wenn man Lautsprecher entwickeln will, die in verschiedenen Räumen gut klingen, dann ist es sinnvoll, die Eigenschaften des Lautsprechers von denen des Raumes zu trennen. Dazu bräuchte man einen Raum, der das Ergebnis nicht beeinflusst, in dem es also keine Reflexionen gibt - einen reflexionsfreien (oder -armen = RA) Messraum.

Wie sieht denn so etwas aus? Die "klassische" Variante ist ein rundum absorbierend ausgekleideter Raum, der als "Boden" ein akustisch transparentes Drahtgitter besitzt.

Bei der preiswerteren (und praxisgerechteren) Variante ist der Boden reflektierend ausgeführt. Schließlich steht eine Standbox immer auf dem Boden, oder?

Um auch tiefe Frequenzen zu absorbieren muss die Auskleidungstiefe (= Abstand der Absorberoberfläche zur Wand) sehr groß sein. Wir erinnern uns: Schallabsorption ist die Umwandlung von Schallschnelle in Wärme. Bei stehenden Wellen ist die Schallschnelle an der starren Wand aber 0 -> die maximale Schallschnelle findet 1/4 Wellenlänge (= Schallgeschwindigkeit c [m/s] / Frequenz F [Hz]) vor der Wand statt. Um also eine Frequenz von 100 Hz optimal zu absorbieren müsste das Absorptionsmaterial bei senkrechtem Schalleinfall ca. 1/4 · (340 / 100) = 0.85 m vor der Wand angebracht sein. Da der Schall ja auch schräg einfallen könnte müssen also auch andere Wandabstände abgedeckt werden, so dass man normalerweise die gesamte Entfernung zur Wand mit Absorptionsmaterial ausfüllt. Das hört sich teuer an! Bei einem nutzbaren Innenraum von 3 · 3 · 2.5 m wären das selbst bei einem reflektierenden Boden allein 51.5 m³ Absorptionsmaterial, das ist ein großer LKW voll!

Wie oben schon erwähnt wirkt das Material in Wandnähe ja eigentlich gar nicht, da dort ja die Schallschnelle 0 ist. Daher liegt es nahe, diesen Bereich gleicht auszusparen. In professionellen Messräumen werden üblicherweise 10 bis 15% der Auskleidungstiefe freigelassen (was auch für den Feuchtigkeitshaushalt des Mauerwerks günstig ist).

Professionelle reflexionsarme Messräume verwenden keilförmige Absorber (aus Mineralwolle), um eine direkte Reflexion zu vermeiden: selbst wenn der Schall nicht vollständig absorbiert wird, so wird er doch auch nicht gleich "zurückgeworfen" sondern "umgelenkt". Diese Absorberform ist sehr aufwändig. Die Keillänge beträgt 50% bis 67% der maximalen Auskleidungstiefe und die Keile werden um 90° versetzt!

So etwas ist mit "Bordmitteln" nicht zu realisieren. Eine einfach zu realisierende und preiswerte Annäherung stellt die folgende Variante dar:

Der Abstand der Absorberelemente wurde auf 35cm vergrößert, um trotz der relativ geringen Absorbertiefe von 16 cm (maximale Stärke von Steilwolledämmkeilen) eine niedrige untere Grenzfrequenz zu erzielen. Die Oberfläche besteht z.B. aus Noppenschaumstoff (nähere Einzelheiten zur Konstruktion der Absorber gibt es am Ende des Artikels).

Da wir neben der Lautsprecherentwicklung den Raum auch noch für Studioaufnahmen nutzen wollen bestand der Wunsch, die Akustik des Raumes in Grenzen "einstellen" zu können. Dafür bot sich die Realisierung als "hängendes" Element an. Damit der Platz hinter den Absorptionselementen nicht "verschenkt" ist haben wir dort unsere Lautsprecherschätzchen" (s.u.) gelagert.

Für Messungen an Lautsprecherchassis wurde ein großes Podest gebaut. Dadurch können auf einfache Weise Halbraumverhältnisse geschaffen werden. Nach DIN sollen Lautsprecherchassis zwar auf einer Normschallwand gemessen werden, hier ergibt sich durch den akustischen Kurzschluss am unteren Übertragungsende jedoch insbesondere für große Basslautsprecher ein unrealistischer Frequenzgang.

Uns so sieht das Ganze dann in "natura" aus:

Um die Bodenreflexion zu unterdrücken kann ein Schaumstoffblock verwendet werden (Messergebnisse s.u.):

Hier noch ein paar Details zur Deckenabsorption:

Für die Messung unter verschiedenen Winkeln (0°, 15°, 30°, 45°, 60° etc.) wird eine einfache Positioniervorrichtung verwendet:

Und hier ein paar Einblicke in die Konstruktion des Podestes, das aus 3 Teilen besteht:

Es können bis zu 21" Lautsprecherchassis (Einbaudurchmesser 500 mm) gemessen werden.

Und hier noch ein Blick auf unsere Lautsprecherschätze:

Und so sehen die "Innereien" der Absorberelemente aus:

Steinwolle weist wie Mineralwolle ganz hervorragende Absorptionswerte auf. Um die unangenehmen Begleiterscheinungen der Mineralwolle zu reduzieren wurde die Front mit 20mm Noppenschaumstoff verkleidet. Auf der Rückseite wurde 0.1mm PVC-Folie befestigt, die auch als Membranabsorber funktioniert und die Absorption von tiefen Frequenzen geringfügig verbessert.


Messungen von Lautsprecherboxen

Der Aufbau des Messraums ist für die Messung von in das Podest eingelassene Einzelchassis in 1m Abstand optimiert. Bei der Messung von kompletten Lautsprecherboxen hat man zum einen mit der Bodenreflexion zu kämpfen, die bei tiefen Frequenzen durch den dünnen Teppich kaum bedämpft wird. Außerdem liegt die Wirkung des Deckenabsorbers nicht auf demselben Niveau wie die der Seitenelemente, da der "Wandabstand" fehlt. Der Messaufbau sieht wie folgt aus:

Je nach Messhöhe h und Messabstand d ergeben sich andere "Umwege" für die unerwünschten Boden- bzw. Deckenreflexionen. Wenn der Umweg gerade die halbe Wellenlänge beträgt kömmt es - je nach Absorptionsvermögen des Reflektors und dem Verhältnis der Weglängen - zu einer teilweisen Auslöschung des direkten und reflektierten Schalls. Bei einem Messabstand von 100 cm und einer Messhöhe von 95 cm liegen die kritischen Frequenzen bei:

Bodenreflexion: Überhöhung von bis zu 3.32 dB bei 0, 300, 600, 900 . . . Hz Absenkung von bis zu 5.45 dB bei 150, 450, 750, 1050 . . . Hz

Deckenreflexion: Überhöhung von bis zu 2.71 dB bei 0, 200, 400, 600 . . . Hz Absenkung von bis zu 3.96 dB bei 100, 300, 500, 700 . . . Hz

Und wie sehen nun die Messergebnisse aus?

  • die Bodenreflexion kann bereits mit einer ca. 15cm dicken Schaumstoffmatte (s.o.) effektiv unterdrückt werden
  • der Einbruch bei 125 Hz muss durch eine Wandreflexion hervorgerufen werden

Hinweis: Durch die geringere Entfernung hätte sich ein 6 dB höherer Schalldruckpegel ergeben müssen. Da die Vorverstärkung jedoch um 5 dB reduziert wurde müsste die rote bzw. grüne Kurve idealerweise 1 dB über der schwarzen Kurve liegen!
  • durch eine Reduktion der Messentfernung (z.B. auf 50 cm) kann die Auswirkung der Reflexion bei 125 Hz unterdrückt werden
  • außerdem werden Reflexionen zwischen 500 und 1000 Hz weiter reduziert
Auch im reflexionsarmen Messraum wurde eine Nachhallzeitmessung mit der VeraTwo in 1m Abstand durchgeführt (links). Am anschaulichsten ist der Vergleich mit den Messungen im Hörraum (Zustand 8, Mitte) und im Hallraum (rechts):

MP3-File, 36 kB


Licht und Schatten

Und, hat sich der Aufwand gelohnt? Na ja, für den eigentlichen Einsatzzweck (Einzelchassis im Podest) haben wir ja noch gar keine Messungen gemacht. Aber die Messung einer kompletten Lautsprecherbox ist ja auch der kritischere Anwendungsfall. Hier kann man bei einem Messabstand von 1m bis hinunter zu 150 Hz fast ohne Raumrückwirkung messen, sofern man die Bodenreflexion durch einen Schaumstoffblock unterdrückt. Darunter dürften in einem "normalen" Raum ohnehin die Raumeinflüsse dominieren, denen man nur durch geschickte Wahl der Aufstellung beikommen kann.

Bei Messungen von im Podest eingebauten Einzelchassis dürfte es noch günstiger aussehen, da es dann keine Bodenreflexion mehr gibt und die Abstandsverhältnisse (Reflexion/Direktschall) günstiger sind. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe!

You have no rights to post comments