Bei den Zerfallspektren von allen bisher getesteten Chassis fällt auf, dass das Abklingen unterhalb von etwa 500 Hz immer deutlich verzögert ist. Das scheint somit eine systematische Eigenschaft der Messkette oder der Analysemethode zu sein. Um Probleme der Messkette auszuschließen wird dasselbe Verfahren angewandt wie bei der Bestimmung der Filterwirkung von GoldWave: eine ideale Impulsantwort wird hochpassgefiltert und ergibt damit ein ideales Chassis mit einer einstellbaren unteren Grenzfrequenz. Von diesem wird dann das Zerfallspektrum berechnet, wobei man die FFT-Größe beliebig groß machen kann, da man ja keine Schallreflexionen ausblenden muss.

Zunächst erzeugen wir uns eine WAV-Datei Dirac_1s.wav, bei der fast alle Werte 0 sind. Nur der 300. Wert ist 1. Nach dem Import in ARTA sieht das dann so aus:

Das Zerfallspektrum mit den "üblichen" Einstellungen:

und einer Cursorposition von 290 sieht dann wie folgt aus:


-> na, wenn das kein ideales Chassis ist!

Nach Hochpassfilterung mit GoldWave (F3 = 100 Hz, Qtc = 0.707) sieht die Impulsantwort so aus:

Hm, außer einem kleinen Unterschwingen sieht es doch aus wie vorher, oder? Gucken wir doch mal durch die Lupe . . .

Das Zerfallspektrum mit identischen Einstellungen wie vorher sieht dann so aus:


-> uups, wo kommt denn das Nachschwingen her?

Bereits kurz nach Beginn der Analyse "sieht" ARTA die große, kurze Spitze gar nicht mehr sondern nur noch das lange Unterschwingen (hier z.B. 1024 Werte ab dem 302. Wert):

Das Unterschwingen enthält keine "schnellen" Änderungen des Zeitsignals, also auch keine hohen Frequenzen. Das Signal hat nach etwa 150 Abtastwerten einen Nulldurchgang und dauert insgesamt etwa 400 Abtastwerte an. Das Zerfallspektrum arbeitet sich 80x (Eintrag "Max. number of time slices") jeweils 3 Abtastwerte (Eintrag "Slice shift (samples)") vor, startet zum Schluss also beim (290+80x3) = 530. Wert (= 12.02 ms), ist also immer noch voll im überschwingenden Teil. Man kann sogar ungefähr die Eckfrequenz des Filters ablesen, wenn man die Zeitspanne vom maximalen Unterschwingen bis zum 1. maximalen Überschwingen als halbe Wellenlänge interpretiert. Demzufolge müssten Chassis mit tieferen Resonanzfrequenzen ein "schlechteres" Zerfallspektrum haben. Ebenso müsst sich die Güte des Filters (bzw. Lautsprechers) auf das Zerfallspektrum auswirken.

Exemplarisch wird daher zunächst - bei gleich bleibender Güte - die Resonanzfrequenz auf 50 Hz

bzw. 200 Hz geändert:


-> eine höhere Resonanzfrequenz führt zu einer Erhöhung des vom verzögerten Ausschwingen betroffenen Frequenzbereichs aber auch zu einem schnelleren Abklingen

Schließlich wird noch die Güte - bei konstanter Resonanzfrequenz Fc von 200 Hz - auf 0.5 reduziert

bzw. 1.0 erhöht:


-> eine geringere Güte führt zu einem schnelleren Abklingen

Betrachtet man die Zeitachse in Schwingungsperioden so wird deutlich, dass das scheinbar so unendlich lange Ausschwingen in Wahrheit nur etwa 1 Schwingungsperiode (= 1/Fc) dauert. Das sind bei einer Resonanzfrequenz von 50 Hz eben 20 ms, bei einer Resonanzfrequenz von 200 Hz aber "nur" 5 ms. Eine Skalierung in Schwingungsperioden würde die Problematik der Resonanzfrequenz entzerren und besser die Systemeigenschaften eines Lautsprechers (Fc, Qtc) von seinen Fehlern wie verzögertes Ausschwingen trennen.


Zusammenfassung:

Durch die Filterung einer idealen Impulsantwort wurden verschiedene ideale Lautsprecher mit einstellbarer Resonanzfrequenz und Güte erzeugt. So konnte gezeigt werden, dass das scheinbar "schlechte" Ausschwingen im Grundtonbereich kein "Fehler" des Lautsprechers oder der Messkette sondern eine Eigenschaft der Signalanalyse ist!

Das Zerfallspektrum mit konstanter Zeitachse verliert damit im Grundtonbereich seine Aussagefähigkeit. Wir warten sehnsüchtig auf ein in Schwingungsperioden skaliertes Zerfallspektrum bei ARTA. Dann sähe das Zerfallspektrum trotz unterschiedlicher Resonanzfrequenz "gleicher" aus und Lautsprecherfehler würden sich deutlicher abheben.

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