Bericht zum Workshop "Passive Frequenzweichen" am 22.10.2005

1. Einleitung

Als ich von dem Workshop zur Frequenzweichentwicklung bei HiFi-Selbstbau erfahren hatte, war für mich klar, dass ich unbedingt teilnehmen muss. Die 700 km Anreise fiel auch nicht schwer, da ich meinen Bekannten Ralf für eine Teilnahme gewinnen konnte.

Der Ansatz des Workshops war eine Lautsprecherbox aus dem Teilnehmerkreis zur Entwicklung einer Frequenzweiche heranzuziehen (damit sich der Ausrichter nicht vorbereiten konnte ;-) ). Da ich momentan an einer 3-Wege-Standbox werkle, nutzte ich die Gelegenheit mein Projekt als Testkandidat des Workshops vorzuschlagen. Nach kurzem E-Mail-Wechsel war klar: es wird meine Box werden :-).

In den folgenden Zeilen werde ich berichten, was wir am Samstag wie angestellt haben und welche Erfahrungen ich mitnehmen konnte.


1.1. Gut angekommen

Nach einer kleinen Irrfahrt in der Gegend um die Bergisch Gladbacher Str. 380 sind wir dann auch am Ziel angekommen. Die E-Mail mit der Anfahrtsbeschreibung am Vorabend war lieb gemeint - nur waren Ralf und ich zu diesem Zeitpunkt schon in Köln, so dass wir keinen Zugriff auf unsere E-Mails hatten.

Wir waren insgesamt 7 Teilnehmer und wurden von Pico und Theo mit einer Tasse Kaffee begrüßt. Nachdem dann auch die Namensschilder angebracht waren, zeigten uns Pico und Theo die "heiligen Hallen". Neben einem großen "Empfangssaal" gab es ein Büro, einen Mess- und Aufnahmeraum, einen Hörraum, eine Holzwerkstatt sowie ein Lager zu begutachten. Da volles Programm anstand, haben wir uns dann auch schon auf den ersten Teil des Workshops konzentriert, das Messen.

1.2. Die Testbox

Bevor es jedoch richtig losgeht, noch ein paar Angaben zum Testobjekt. Es handelt es sich um eine 3-Wege-Standbox, die ich als Testbox aufgebaut habe. Als Chassis kommen zum Einsatz:
  • Hochtöner Peerless WA10/TV
  • Mitteltöner TangBand W4-655SA
  • Tieftöner Westra KW180-2694
Alle drei Spielpartner sind magnetisch geschirmt, infolge dessen die Box auch in der Nähe von Röhrenbildschirmen aufgestellt werden kann. Der Mitteltöner arbeitet derzeit auf ein geschlossenes Volumen von 1,6 Litern, was einer Einbaugüte von etwa Qtc = 0,7 entspricht. Dem Tieftöner habe ich eine 30 Liter Bassreflexkammer mit einer Abstimmfrequenz von Fb = 39 Hz spendiert. Die untere Grenzfrequenz F3 liegt bei 39 Hz.

Meine spätere Absicht ist, die Standboxen um Rear- und Centerspeaker zu erweitern, um auch ein Heimkino beschallen zu können. Aus diesem Grund habe ich den TangBand als Mitteltöner gewählt, der auch als Tiefmitteltöner für Center- und Rearspeaker eingesetzt werden kann. Center und Rears wären dann kleine 2-Wege-Boxen mit einem Nettovolumen von knapp 4 Litern.

2. Messen

Im ersten Teil des Workshops beschäftigten wir uns mit der Messung der HATSCHiBox, wie sie Pico in Anlehnung an meinen Foren-Nickname liebevoll nannte. Dazu versammelten wir uns im Messraum, wobei uns Pico schon den ersten Tipp mit auf den Weg gegeben hat:
  • Vor dem Messen sollte man sich (zumindest gedanklich) einen Fahrplan aufstellen, was man alles wissen/messen will.
  • Den sollte man dann erst mal systematisch und effektiv abarbeiten.
  • Erst dann sollte sich die Ergebnisse in Ruhe ansehen
  • und die richtigen Schlüsse daraus ziehen
Wenn man sich bereits während des Messens mit der Auswertung beschäftigt kann es schnell zu Fehlschlüssen kommen und man verliert den roten Faden. Unter anderem deswegen hat Pico auch das Mess- (JustOct) und Auswerteprogramm (JustDisp) getrennt.

2.1. Impedanz- und Schalldruckmessung

Zunächst haben wir den frequenzabhängigen Widerstand jedes einzelnen Chassis mit Hilfe von Picos Software JustOct gemessen. Wir bedienten uns der 2-Kanal-Impedanzmessung, bei der gleichzeitig die Spannung über einem Vorwiderstand sowie die Spannung über dem Chassis gemessen wird. Hintergrund ist nicht nur, dass man die Impedanz zur überschlägigen Auslegung der Frequenzweiche per Tabelle braucht. Die Impedanzmessung zeigt auch sehr schnell:
  • ob ein Chassis korrekt funktioniert (sind Impedanzminimum und Resonanzfrequenz da wo sie laut Datenblatt ungefähr sein sollten)
  • ob die Chassis des linken und rechten Kanals einen weitgehend identischen Impedanzverlauf haben (ansonsten ist zumindest bei einem Chassis vielleicht etwas nicht in Ordnung)
  • ob das Gehäuse richtig funktioniert (Undichtigkeit, stehende Wellen etc.)
Die Impedanzmessung an allen drei Chassis war in kurzer Zeit erledigt. Im Bass wurde auch die Impedanz mit geschlossenem Bassreflex-Rohr gemessen.

Im Anschluss daran positionierte Pico die HATSCHiBox innerhalb des reflexionsarmen Raums (RAR) um mit den akustischen Messungen (ebenfalls mit JustOct) fortzufahren.

Das Mikrofon wurde in 65 cm Abstand zur Schallwand mittig zwischen Hoch- und Mitteltöner positioniert. Der Schalldruck-Frequenzgang aller drei Chassis wurde nacheinander unter verschiedenen Drehwinkeln gemessen. Die Winkel von 0°, 15°, 30°, 45°, 60° und -30° wurden sehr bequem mittels einer Drehplatte eingestellt, wobei die Drehachse dem Mittelpunkt der Schallwand entsprach (Foto s.o.). Die Messung bei -30° war wichtig, um die Auswirkungen der außermittigen Montage von Hoch- und Mitteltöner zu prüfen.

Um auch den Bereich am unteren Übertragungsende zu erfassen, haben wir noch Nahfeldmessungen am Mittel- und Tieftöner in einem Abstand von 10 cm zur Schallwand durchgeführt. Das war notwendig, weil es im Messraum unterhalb von 200 Hz Reflektionen gibt, die zumindest bei größerem Messabstand zu Überhöhungen und Einbrüchen des gemessenen Schalldruck-Frequenzganges führen. Bei der Nahfeldmessung ist der Schalldruckpegel des vom Raum reflektierten Schalls wesentlich geringer als der vom Chassis abgestrahlte Direktschall, wodurch die Raumeinflüsse praktisch ausgeschaltet werden. Um auch die Funktionsweise der Bassreflexabstimmung zu prüfen, haben wir zusätzlich im Nahfeld des Bassreflexkanals gemessen.

2.2. Messung der relativen Phase

Zu meiner Überraschung hatte Pico noch ein Schmankerl vorbereitet, welches wir gleich an der HATSCHiBox ausprobieren wollten. Für eine korrekte Simulation der Schallüberlagerung beim Übergang vom Mittel- zum Hochton muss die akustische Phasenbeziehung zwischen Mittel- und Hochtöner bekannt sein und dem Simulationsprogramm mitgeteilt werden. Der gängige Weg besteht darin:
  1. Für jedes einzelne Chassis aus dem Schalldruck-Frequenzgang die akustische Minimalphase zu berechnen. Dabei geht prinzipbedingt die Lage des akustischen Zentrums verloren
  2. Die Lage des akustischen Zentrums der einzelnen Chassis abzuschätzen (was nicht ganz trivial ist) und manuell im Simulationsprogramm einzutragen
Es gibt aber auch einen anderen, bequemeren Weg, den Pico ausgetüftelt hat. Man schalte z.B. Hoch- und Mitteltöner parallel und zwar derart, dass sie einmal gleichpolig und einmal gegenpolig anschlossen sind. In beiden Verschaltungen wird eine akustische Messung durchgeführt, wie wir es dann auch an der HATSCHiBox gemacht haben. Auf Grundlage dieser 4 Messungen (2x Chassis allein, beide Chassis parallel ++ und +-) wird dann der relative akustische Phasenversatz zwischen beiden Chassis berechnet und einem der beiden Chassis zugewiesen. Darin sind alle nötigen Informationen (akustische Phase der Einzelchassis und der Versatz der akustischen Zentren) an der betrachteten Mikrofonposition beinhaltet! Die genaue Vorgehensweise wird Pico in Kürze in einem Artikel veranschaulichen.

3. Kampf gegen den Hunger

Trotz der vielen Einzelmessungen und den nötigen Erklärungen waren die Messungen nach gut 100 Minuten im Kasten und es ging ans Bestellen des Mittagsessens. Einige nutzten die Wartezeit um sich im Hörraum schon mal ein bisschen Musik anzuhören oder draußen eine Zigarette zu rauchen. Nur Pico und wenige Unermüdliche bereiteten schon mal die Daten so auf, dass sie in das Simulationsprogramm eingegeben werden konnten. Dazu wurden z.B. unterhalb von 400 Hz die Schalldruck-Frequenzgänge gegen die Werte aus den Nahfeldmessungen ausgetauscht. Da wir vor der Messung den Mikrofonabstand in JustOct eingegeben haben, wurde der Schalldruckpegel automatisch auf einen Mikrofonabstand von 1 m umgerechnet. Dass die Umrechnung exakt funktioniert hat haben wir beim Übereinanderlegen von Nah- und Fernfeldmessung gesehen. Schließlich hat Pico noch die Auswertung der relativen Phase gemacht, die zur Zeit noch mit EXCEL durchgeführt werden muss.

Während wir uns dann bei Pizza und Chinesischem kräftigten wurden schon einige Auffälligkeiten der Messergebnisse diskutiert. Beim Tieftöner war z.B. sowohl bei der Nahfeldmessung als auch der Impedanzmessung einige "Peaks" aufgefallen, die auf stehenden Wellen in der Tieftonkammer hindeuteten.

Gestärkt vom Mittagessen widmeten wir uns auch gleich dem nächsten anstehenden Punkt, dem Sichten und Aufbereiten der Messdaten mit dem Ziel, diese dann in ein Simulationsprogramm einzugeben.

4. Sichten und Aufbereiten der Messdaten

Nach dem Öffnen der Impedanz-Frequenzgänge mit JustDisp ließen sich die TS-Parameter durch Annähern einer berechneten Kurve an die gemessene Kurve bestimmen (Menüpunkt "Berechnen / Simuliere Impedanz"). Durch das Abspeichern der Simulationsergebnisse waren zumindest die Impedanzmessungen für den Export nach Lasip vorbereitet. Die Impedanz-Frequenzgänge von Hoch- Mittel- und Tieftöner sind im Diagramm 1 veranschaulicht.


Diagramm 1: Impedanzmessung der einzelnen Chassis im eingebauten Zustand

Anhand der Ergebnisse ließ sich die erfreulich niedrige Resonanzfrequenz des Hochtöners bei Fc = 890 Hz erkennen. Im Schalldruck-Frequenzgang bestätigte sich die Güte von Qtc = 1.25 durch eine leichte Schalldruck-Überhöhung im Bereich der Resonanzfrequenz, wie es im Diagramm 2 unschwer zu erkennen ist. Die akustischen Messungen unter Winkeln offenbarten ein gutes Rundstrahlverhalten des Hochtöners.


Diagramm 2: Schalldruck-Frequenzgang Hochtöner

Die Impedanzmessung des Mitteltöners verriet uns die Einbauresonanz der geschlossenen Kammer bei 137Hz. Im Diagramm 3 ist die bekannte Resonanz des TangBand bei 6 kHz zu erkennen. Eine merkliche Bündelung setzt ab ca. 2500 Hz ein.


Diagramm 3: Schalldruck-Frequenzgang Mitteltöner

Im Bassbereich gibt es Probleme mit stehenden Wellen im Gehäuse, wie es die Impedanzmessung (Diagramm 5) und die akustische Messung (Diagramm 4) des Tieftöners aufzeigen. Die Messungen veranschaulichen, dass der Tieftöner bis etwa 1kHz sauber laufen würde, wenn die stehenden Wellen im Gehäuse ausreichend bedämpft würden.


Diagramm 4: Schalldruck-Frequenzgang Tieftöner

Der Einbruch bei knapp 40 Hz im Diagramm 4 deutet auf die Abstimmfrequenz der Tieftonkammer hin. Diese Messung wurde im Nahfeld des Tieftöners gemacht. Bei der Abstimmfrequenz eines Bassreflex-Systems weist der vom Chassis abgestrahlte Schall ein Minimum und der vom BR-Kanal abgestrahlte Schall ein Maximum auf, was diesen Kurvenverlauf erklärt.


Diagramm 5: Impedanz-Frequenzgang Tieftöner, stehende Wellen ab etwa 250Hz aufwärts

Nach dem Sichten der Messdaten war klar, dass sich die Trennfrequenzen bei etwa 400 Hz und 2500Hz bewegen werden. Ferner stellten wir fest, dass sich die außermittige Anordnung von Hoch- und Mitteltöner kaum auswirkte.

Um nun die Daten nach Lasip zu exportieren mussten wir in JustDisp nur den Menüpunkt "Spezial/Schreibe TD6-Datei" wählen und die zusammengehörigen Daten (Impedanz, Schalldruck 0° und Schalldruck 30°) der Reihe nach auswählen. Für den Hochtöner wurden zwei verschiedene TD6-Dateine angelegt, einmal ohne und einmal mit der vorher berechneten relativen Phase.

5. Simulation einer Frequenzweiche mit Lasip und BoxSim

Im Anschluss an den Import der Messdaten und Pegelanpassung in Lasip (das immer Daten um 0 dB herum erwartet), beschäftigten wir uns mit dem Hochpass des Hochtöners. Erwartungsgemäß hat die Berechnung nach "Lehrbuch" mit einer Steilheit von 6 oder 12 dB/Oktave wegen des Impedanz- und Schalldruckanstiegs um die Resonanzfrequenz nicht den gewünschten akustischen Filterverlauf gebracht. Durch Probieren sind wir letztendlich auf einen elektrischen Hochpass 3. Ordnung bei einer Trennfrequenz von etwa 2500 Hz gekommen. Auch beim Mitteltöner hat die Berechnung nach Lehrbuch keinen Erfolg gebracht. Die Abstimmung des Bandpasses hat uns zusätzlich die Impedanzüberhöhung bei 137Hz schwer gemacht, so dass wir einen RLC-Schwingkreis zur Impedanzlinearisierung einsetzen mussten. Nach Eingabe von Rdc, Fc, Qmc und Qec schlägt Lasip netterweise die benötigen Werte zur Impedanzlinearisierung vor. Nach vielem Versuchen war dann die gewünschte akustische Übertragungsfunktion des Mitteltöners gefunden.

Auch die Beschaltung des Tieftöners mittels eines Tiefpasses hat nicht auf Anhieb geklappt. Das zweite Maximum des Impedanzverlaufes hat die korrekte Funktion des elektrischen Tiefpasses 2. Ordnung gestört, so dass es zu einer breiten Schalldruck-Überhöhung bei etwa 100 Hz gekommen ist. Der "Pico-Trick", das Parallelschalten eines Widerstandes zum Tieftöner (z.B. 5 x Rdc), hat leider nicht zufriedenstellend funktioniert. Letztendlich konnten wir diesen Effekt durch eine Impedanzlinearisierung ausschalten, wie wir es bereits beim Mitteltöner machen mussten.

Bei der Überlagerung der einzelnen Wege kam dann heraus, dass der Mitteltöner gegenüber dem Tieftöner verpolt werden muss, wie das bei 12 dB-Weichen "üblich" ist. Die Filterzweige bewirken bei der Übernahmefrequenz eine elektrische Phasendrehung von 90° (Tiefton) bzw. -90° (Mittelton), so dass die relative Phasenlage 180° ist und es zu einer Auslöschung kommt. Erst durch zusätzliches Einführen einer 180° Phasendrehung durch Verpolung kommt es zur gewünschten Schalladdition.

Bei Übergang von Mittel- zu Hochtöner ergab sich mit und ohne Berücksichtigung der relativen Phase ein völlig unterschiedliches Bild. Spätere Messungen im Hörraum zeigten jedoch, dass die Simulation mit Berücksichtigung der relativen Phase fast perfekt mit der Messung übereinstimmte.

Der Umgang mit Lasip hat gezeigt, dass eine Berechnung von Frequenzweichen nach Lehrbuch keine zufriedenstellenden Ergebnisse lieferte. Wenn der zeitliche Aufwand überschaubar bleiben soll, kommt man um die Nutzung vom Simulationssoftware nicht herum. Für die erfolgreiche Simulation müssen Impedanz- und Schalldruckfrequenzgänge der Chassis bekannt sein. Die zeit- und kostenaufwändige Alternative wäre das Hin- und Herstöpseln von Bauteilen unter permanenter Kontrolle von Impedanz- und Schalldruck-Frequenzgang mittels Messung.

Als I-Tüpfelchen wollten wir dann noch die simulierte Weiche in BoxSim überprüfen. Der Import der originalen Messdaten (*.OCT) klappte zwar auf Anhieb, aber darüber hinaus müssen erst noch umfangreiche Eingaben (TSPs, Gehäuseabmessungen etc.) gemacht und eine "Schaltung" aufgebaut werden, so dass wir dies aus Zeitgründen abgebrochen haben.

Vor der Kaffeepause ging es dann noch in den Hörraum, wo die Box aufgestellt und an die steckbare Frequenzweiche angeschlossen wurde. Beim Aufbau der Frequenzweiche wurde uns bewusst, dass der Aufwand an Weichenbauteilen durch die benötigte Impedanzlinearisierung im Tief- und Mitteltonbereich doch recht groß ist, so dass wir beschlossen zunächst ein "abgespeckte" Variante auszuprobieren. Vor dem intensiven Hören wollten wir uns aber erst mal bei Kaffee und Kuchen stärken, denn dazu muss man möglichst ausgeruht sein.

6. Hören und Fein-Tuning

Nun kamen wir zu dem Teil, den ich persönlich am spannendsten finde. Das Messen und Simulieren ist ja mehr oder weniger "Fleißarbeit", obwohl natürlich Hintergrundwissen erforderlich ist.

In dem letzten Teil des Workshops ging es um das Aufbauen, das messtechnische Prüfen und subjektive Abstimmen der simulierten Weichen. Dazu versammelten wir uns wieder im Hörraum. Zum Prüfen der einzelnen Weichenzweige positionierte Pico das Mikro im Nahfeld jedes einzelnen Chassis und gab mittels CD-Player, Test-CD und Verstärker rosa Rauschen als Anregungssignal aus. Gemessen wurde mit einem Notebook, wo die alte DOS-Version von JustOct den Schalldruck-Frequenzgang zur Anzeige brachte.

Nach kurzer Zeit war eine "abgespeckte" Variante aufgebaut, so dass wir verschiedene Szenarien durchspielen konnten. So haben wir die Auswirkungen der Impedanzliniearisierung des Tieftöners messtechnisch und per Hörtest überprüft. Pico zeigte uns auch, wie man mittels rosa Rauschen per Gehör schmale Einbrüche oder Schalldrucküberhöhungen feststellen konnte. Dazu wurde der BEHRINGER DSP8024 verwendet und mittels parametrischem Equalizer eine Überhöhung bzw. Absenkung von 6 dB und einer Bandbreite von 1/3 Oktave zwischen 100 und 10 kHz verschoben. Eine Überhöhung führte zu einem "Ton" im Rauschen. Bei einem Einbruch war das Rauschen in zwei Bereiche zerfallen, was sehr deutlich zu hören war. Weiterhin führte er uns seinen "Ortungstrick" vor, mit dessen Hilfe die Überlagerung der Schallanteile zweier Chassis bei Wiedergabe von rosa Rauschen beurteilt werden kann. Dabei macht man sich zu Nutze, dass das Gehirn "unsinnige" Annahmen über den scheinbaren Schallentstehungsort (z.B. "alles Rauschen kommt aus dem Hochtöner") mit "kann nicht sein" quittiert. Wenn man sich als scheinbaren Schallentstehungsort einen Punkt zwischen Mittel- und Hochtöner vorstellen kann ohne dass solche "Einwände" kommen, dann "verschmelzen" beide Chassis wie gewünscht.

Nachdem die Box grob im Lot war, haben wir uns zurückgelehnt und verschiedene Titel angespielt, mit denen sich "Problemzonen" der Box besonders gut abchecken lassen. Pico und Theo erklärten, worauf zu achten wäre und wie bzw. wie es nicht klingen sollte. Das A und O dabei ist, dass man beobachtete "Fehler" entweder der Aufnahme, dem Raum oder der Box zuordnen kann. Daher fingen wir zunächst mit einer ganz einfachen Aufnahme an (nur 1 Sänger) und steigerten den aufnahmetechnischen Schwierigkeitsgrad langsam. Da Pico und Theo die Stücke schon spektral analysiert und mit sehr vielen Anlagen in sehr vielen Räumen gehört haben konnten sie erklären wo es üblicherweise Schwierigkeiten gab. So wurde z.B. bei einem Stück darauf hingewiesen, dass es zu fett im Bass klingen muss etc.

Unsere Variablen waren die Lautstärke von Hoch- und Mitteltöner und die Schallführung im Bass. So haben wir z.B. herausgestellt, dass ein Verschließen des BR-Kanals in diesem Raum zu einem sauberen Bass führt. Eine wichtige Feststellung war, dass die Optimierung in eine Richtung immer in Wechselwirkung mit anderen Eigenschaften steht und das gesamte Hörprogramm immer wieder durchfahren werden muss. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist auch, dass beim Hören gewisse Ermüdungs- und Gewöhnungseffekte auftreten.

Uns wurde klar, dass so eine Abstimmung nicht in 10 Minuten gemacht ist, sondern dass gerade hier die Kunst im Lautsprecherbau liegt. Gemäß Theos Worten kann es schon mal mehrere Monate dauern, bis ein Projekt zufriedenstellend klingt, was ich jetzt voll und ganz nachvollziehen kann.

Als Ergebnis der Hörtests kann festgehalten werden, dass das Konzept an sich stimmig ist. Bis zur endgültigen Weiche sind aber noch einige Hörsessions notwendig. Zur Optimierung der Basswiedergabe werden auch mechanische Änderungen fällig, um die stehenden Wellen innerhalb der Basskammer in den Griff zu bekommen. Die räumlichen Abbildungsqualitäten konnten wir nicht beurteilen, da nur eine Box zur Verfügung stand

Zum Abschluss hat Pico noch eine Messung im Hörraum am Hörplatz durchgeführt. Der Schalldruck- Frequenzgang sollte bei Hörplatzabstand zu hohen Frequenzen hin abnehmen, wie es in Diagramm 6 zu erkennen ist. Gemessen wurden die einzelnen Weichenzweige und der resultierende Gesamt-Schalldruck-Frequenzgang. Die starke Welligkeit der Kurven ist auf den zunehmenden Einfluss des Diffus-Schallfeldes im Hörraum zurückzuführen. Der Kammfiltereffekt, verursacht durch die Wandreflexionen, führt zu Schalldrucküberhöhungen und -einbrüchen.


Diagramm 6: Hörplatzmessungen mit aufgebauter Frequenzweiche

Denkt man sich eine gemittelte Linie durch die Kurvenverläufe, dann sieht das messtechnische Ergebnis schon recht gut aus.

7. Fazit

Mein Fazit ist, dass ein Workshop durch nichts zu ersetzen ist. Bei solchen Gelegenheiten kann man Erfahrungen und Tipps mitnehmen, die man sich sonst kaum oder nur mühevoll aneignen kann.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an HiFi-Selbstbau für den Workshop und auch dafür, dass meine HATSCHiBox Thema des Tages werden durfte. Als "Nachlese" erhielten übrigens alle Workshopteilnehmer die gemessenen Daten sowie die Lasip- und Boxsim-Simulationen der gefundenen Frequenzweiche per E-Mail zugeschickt. Dadurch kann man verschiedene Weichenvarianten einfach durchprobieren und seine Simulationserfahrungen vertiefen.

 

8. Ausblicke

An der HATSCHiBox gibt es noch einiges zu tun. So werde ich mich nicht nur mit dem Feintuning an der Frequenzweiche beschäftigen, sondern auch mechanische Veränderungen ausprobieren.

Ich werde mit einer tieferen Bassreflexabstimmung experimentieren und versuchen, stehenden Wellen durch einen geschickteren Innenaufbau besser in den Griff zu bekommen. Derzeit befindet sich der Tieftöner direkt am Ende des länglichen Tieftongehäuses, wo stehende Welle besonders gut angeregt werden.

Weiterhin gibt es Optimierungspotential in Bezug auf den Bandpass. Mit einer anderen Gehäuseform für den Mitteltöner könnte die Einbauresonanz gesenkt und ein flacher Impedanzverlauf im Bereich der unteren Trennfrequenz erreicht werden. Der elektrische Filter würde dann besser funktionieren und ein gleichmäßiger akustischer Filterverlauf resultieren.

Pico hat Ideen in der Richtung geäußert, mit einem Abflussrohr zu experimentieren, was z.B. geschlossen oder nach hinten offen ist. Dieses Rohr könnte man mit Noppenschaumstoff umwickeln und damit als Nebeneffekt die stehenden Wellen der Tieftonkammer bedämpfen. Aus jetziger Sicht wird wohl noch ein weiteres Testgehäuse fällig, da ich am Innenaufbau der aktuellen Version nichts mehr ändern kann.

Kommentare

prof.inti
8 jahre vor
6 Jahre später... mit der Massenmethode (8gr) gemessen: Fs und Mms passen nicht zur damaligen Messung - die Werte vom Hersteller (Fs 70) ebenfalls nicht.

TangBand W4-655SA
Fs 110Hz
Qes 0,69
Qms 3,59
Vas 2,39
Mms 3,8
Re 6,5

In WinISD werden die weiteren Werte berechnet.
prof.inti
14 jahre vor
Hallo,

da ich selbst die TSP gesucht und nun mithilfe von ARTA gemessen habe, stelle ich hier meine Werte vom Tangband w4-655sa zur Verfügung. Ohne Gewähr auf Perfektheit ala HS :-)

Tangband w4-655sa

Fs = 100.88 Hz
Re = 6.50 ohms[dc]
Le = 181.34 uH
L2 = 415.95 uH
R2 = 10.67 ohms
Qt = 0.55
Qes = 0.63
Qms = 3.98
Mms = 5.10 grams
Rms = 0.811104 kg/s
Cms = 0.000488 m/N
Vas = 2.21 liters
Sd= 56.75 cm^2
Bl = 5.754261 Tm
ETA = 0.34 %
Lp(2.83V/1m) = 88.37 dB

Closed Box Method:
Box volume = 3.50 liters
Diameter= 8.50 cm

Impedanzmessungen freeAir und closedBox sind ebenfalls vorhanden -> eMail.

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