Herzlichen Glückwunsch zum 1000.

Als wir vor ca. 7 Jahren begannen die Kalibrierung von Mikrofonenals Service anzubieten hätten wir uns nicht träumen lassen, dass die Nachfrage so groß sein würde. Mittlerweile haben wir das 1000. Mikrofon kalibriert - und dadurch eine "gewisse Übersicht" über die systematischen Abweichungen und die Streuung diverser Mikrofontypen.

Wir haben zwar schon eine ähnliche statistische Auswertung nach 100, 200 bzw. 500 kalibrierten Mikrofonen gemacht, aber aus Anlass des 1000. kalibrierten Mikros haben wir noch einmal alle Ergebnisse schön zusammengestellt um die Problematik noch deutlicher zu machen.

1000 Mikrofonkalibrierungen - eine Übersicht

 

 

 

 

 

 

 

In den beiden ersten o.g. Artikeln wird beschrieben, wie wir bei der Mikrofonkalibrierung prinzipiell vorgehen. Der Begriff "Mikrofon" bezieht sich hier übrigens nicht allein auf das eigentliche Mikrofon sondern ggf. auch auf die Kombination aus Mikrofon und Vorverstärker. Wir empfehlen übrigens immer die komplette Kombination zu kalibrieren, damit der Frequenzgang des Vorverstärkers (insbesondere der Bassabfall durch das eingebaute Hochpassfilter) mit berücksichtigt wird.

Das Ergebnis einer Mikrofonkalibrierung ist der Frequenzgang des Mikros in dB relativ zum Pegel bei 1 kHz (dort ist er also definitionsgemäß immer 0 dB) sowie die absolute Empfindlichkeit des Mikros bei 1 kHz in mV/Pa. Damit sind - ein spannungskalibriertes Messsystem vorausgesetzt - auch pegelrichtige Messungen möglich.

Wir kalibrieren die Mikros von 10 bis 21135 Hz mit einer Frequenzauflösung von 1/12 Oktave, so dass sich 134 verschiedene Pegelwerte ergeben (s. Beispieldatei).

Die 1000 Mikrofone lassen sich in 13 Hauptgruppen aufteilen:

  1. 193x IMG STAGELINE ECM40, alte Kapsel (80 €)
  2. 159x IMG STAGELINE ECM40, neue Kapsel (80 €)
  3. 130x BEHRINGER ECM8000 (48 €)
  4. 16x DIY-Mikros mit der PANASONIC-Kapsel MCE2000 (inkl. DLSA, CANTON Digital, ATB-PCpro etc.)
  5. 9x AUDIO-SYSTEM Micro AS (70 €)
  6. 30x SUPERLUX ECM999 (39 €)
  7. 11x the t.bone MM1 (35 €)
  8. 11x BEYERDYNAMIC MM1 (154 €)
  9. 5x HAUN MBNM 550 E-L (429 €)
  10. 165x einfaches Elektretmikrofon 1 (25 € inkl. 0° Kalibrierung, nicht mehr lieferbar)
  11. 56x einfaches Elektretmikrofon 2 (25 € inkl. 0° Kalibrierung, nicht mehr lieferbar)
  12. 59x modifiziertes Elektretmikrofon 2 (40 € inkl. 0°+90° Kalibrierung)
  13. 156x sonstige Mikros

Die folgenden Bilder zeigen die Ergebnisse der einzelnen Mikrofongruppen. Dabei ist zu beachten, dass die Mikros teilweise mit unterschiedlichen Vorverstärkern betrieben wurden (ca. 90% waren aber IMG STAGELINE MPA-102 oder IMG STAGELINE MPA-202). Die Messungen wurden zum Großteil mit dem mitgelieferten Windschutz aus Schaumstoff gemacht, damit das Mikro im Falle eines Falles (im wahrsten Sinne des Wortes) eine höhere Überlebenschance hat:


-> leichte "Bassanhebung" mit relativ steilem Abfall
-> kontinuierlicher Höhenanstieg von im Mittel ca. 5 dB bei 20 kHz

Vor etwa 2 Jahren informierte uns MONACOR darüber, dass die Kapsel des ECM-40 gegen einen anderen Typ ausgetauscht worden ist:


-> unten rum gleich, Höhenanstieg von im Mittel ca. 8 dB bei 17 kHz



-> linearer Verlauf im Bass mit sanftem Roll-off
-> deutlich höhere Streuung um 10kHz als ECM40

Das SUPERLUX ECM-999 sieht dem BEHRINGER ECM-8000 sehr ähnlich (nur in schwarz) - und wie misst es sich?


-> die Messungen würden im Umfeld der ECM-8000-Messungeun gar nicht auffallen . . .

Das the t.bone MM1 ("Hausmarke" Thomann) sieht dem BEHRINGER ECM-8000 ebenfalls extrem ähnlich - und wie misst sich das?


-> das the t.bone MM1 streut deutlich mehr als die beiden "Geschwister" und muss unbedingt individuell kalibriert werden!!

Wenn man etwas mehr Geld ausgeben will/kann gäbe es da noch das BEYERYNAMIC MM1:


-> zwischen 30 und 8000 Hz auch ohne Kalibrierung nutzbar, streut erst > 10 kHz

Noch deutlich teurer ist das HAUN MBNM 550 E-L - lohnt sich das?


-> ähnlich BEYERDYNAMICS MM1, aber früher einsetzender, sanfterer Höhenanstieg

Alle bisherigen Mikrofone benötigen eine Phantomspannung von 12-48 V und haben nur eine geringe Empfindlichkeit von 2 bis 8 mV/Pa, benötigen also noch einen Vorverstärker (bzw. eine externe Soundkarte mit Phantomspeisung). Das folgende Mikro bringen seinen Vorverstärker schon mit (Gesamtempfindlichkeit dann ca. 30-50mV/Pa), benötigt aber noch 12 Volt Speisespannung weil es eigentlich für den Einsatz im Fahrzeug vorgesehen ist:


-> die Streuung geht für den Preis in Ordnung

Wer es besonders einfach haben möchte nimmt ein "normales" Elektretmikro und schließt es einfach an den Mikrofoneingang an, muss dann aber in der Regel ein höheres Rauschen in Kauf nehmen (und ggf. einen fest eingebauten Hochpassfilter). Die Versorgungsspannung von 3 V wird vom Mikrofoneingang zur Verfügung gestellt. Diese Lösung ist für den Anfang und für Messungen am Hörplatz OK, für Zerfallspektren, Klirrfaktor und Nachhallzeitmessungen sind diese Mikros oft weniger geeignet:


-> von 20 bis 3000 Hz nur wenige Ausreißer (Toleranzschlauch +/- 2.5 dB)

Abweichungen > +/- 10 dB kann man zwar noch numerisch korrigieren, diese "Fehler" ziehen aber andere Schmutzeffekte nach sich (die leiseren Frequenzbereich versinken z.B. eher im Rauschen). Zur Suche der optimalen Lautsprecher- und Hörposition im tieffrequenten Bereich sind diese Mikros aber sogar unkalibriert hervorragend zu gebrauchen.

Dieses Mikro war irgendwann vergriffen und wir suchten einen adäquaten Ersatz:


-> von 20 bis 3000 Hz war die Streuung zwar deutlich geringer, darüber streuten die Mikros jedoch ähnlich munter

Daher haben wir im Folgenden damit begonnen diese Mikros mit einer besseren Kapsel zu modifizieren und serienmäßig unter 0° und 90° zu kalibrieren:


-> deutlich geringere Streuung im gesamten Bereich und höherer Pegel > 15 kHz


-> recht linearer Verlauf im Bass mit sanftem Roll-off, starke Streuung durch unterschiedliche Vorverstärker/Ankopplung
-> generell leicht ansteigender Verlauf, aber teilweise starke Streuung um 10 kHz

Man sieht also: wer besser als +/- 2 dB genau messen will kommt um eine individuelle Kalibrierung nicht herum! Aber: wie genau ist die eigentlich?


Messgenauigkeit:

Im Rahmen der 1. ARTA-Reihenuntersuchung wurden die Messsysteme verschiedener Teilnehmer indirekt miteinander verglichen. Die Ergebnisse wurden bereits im Rahmen der 200. Mikrofonkalibrierungdiskutiert. Dort finden sich auch Angaben zur Drift der Messapparatur. Hier eine aktualisierte Übersicht der letzten 500 Kalibrierungen:


-> die Abweichungen sind normalverteilt -> keine Drift!
-> 80% der Messwerte liegen > 100 Hz im Bereich +/- 0.7 dB

Da im Rahmen einer jeden Mikrofonkalibrierung das Anregungssignal noch einmal mit dem Referenzmikro gemessen wird heben sich diese durch verschiedene Ursachen begründeten Abweichungen weitgehend heraus. Dennoch ist eine Mikrofon-Kalibrierung von HiFi-Selbstbau nicht beliebig genau. Es gibt:

  • Unterschiede durch eine leichte Variation des Mikrofonabstands (50.0 +/- 0.5 cm -> Pegelabweichung von +/- 0.09 dB
  • Messgenauigkeit der Spannungskalibrierung des Referenzmikros (+/- 1%) -> Pegelabweichung von +/- 0.09 dB
  • Genauigkeit des Kalibrierprotokolls des Referenzmikros / Abweichung durch Luftfeuchtigkeit etc. -> Pegelabweichung von +/- 0.25 / 0.50 dB bei 10 / 20 kHz
  • Unterschiede durch eine leichte Variation der Mikrofonposition (+/- 1°) und des Hängewinkels (+/- 1°) -> Pegelabweichung von +/- 0.25 / 0.50 dB bei 10 / 20 kHz
  • Unterschiede durch Hintergrundgeräusch -> Pegelabweichung von +/- 0.50 / 1.00 dB bei 20 / 10 Hz

Zusätzlich gibt es ggf. noch Unsicherheiten durch eine unterschiedliche Versorgungsspannung:

  • Unterschiede durch nicht repräsentative Versorgungsspannung (12 V statt 48 V) -> unbekannte Pegelabweichung (breitbandig)
  • Unterschiede durch nicht repräsentative Versorgungsspannung und Auskoppelung bei Elektretmikrofonen (3 V, 4.7uF statt ? V, ? uF) -> unbekannte Pegelabweichung (breitbandig) + Einfluss im Bassbereich

Bei hohen Ansprüchen an die Genauigkeit der Mikrofonempfindlichkeit (z.B. für Aussagen zum Wirkungsgrad) empfiehlt sich daher die gemeinsame Kalibrierung von Mikro und Vorverstärker/Spannungsversorgung.


Einbinden der Kalibrierdatei in unterschiedliche Messprogramme:

Die Kalibrierdatei ist für das Programm JustOctzugeschnitten. Da es sich aber um eine ASCII-Datei handelt kann sie leicht für andere Messprogramme angepasst werden. Oft reicht es einfach die Dateiendung umzubenennen:

  • Für ARTA und Hobbybox ist die Endung *.mic
  • Beim RoomEqWizzard und bei HOLMImpulse ist die neue Endung *.cal
  • Bei CARMA gibt es nur ein undokumentiertes Binärformat. Die Werte können dort (mit "komischen", vorgegebenen Stützstellen) in eine Maske eingetragen werden. Ab Version 4 soll eine Einbindung unserer Kalibrierdatei möglich sein
  • Bei ATB kann man den Frequenzgang nur per Maus malen
  • Bei der Raumkorrektur-Software DiracRCS (es wird die 90° Kalibrierung erwartet) muss bis Version 1.02 nur die Zeile "dB-Offset94" auskommentiert werden.

Im Zweifelsfall muss man in der Bedienungsanleitung für die Messsoftware nachschauen wie die Datei aussehen soll. Oder man guckt sich die standardmäßig mitgelieferte Datei z.B. mit einem ASCII-Editor an (z.B. Notepad).


Optionen:

Standardmäßig führen wir die Kalibrierung für die Beschallung von vorne durch (= Freifeldkalibrierung). Im reflexionsarmen Raum oder im Nahfeld des Lautsprechers muss das Mikro also auf die Schallquelle gerichtet sein, damit die Kalibrierung und die Messung zusammen passen.

Bei hohen Frequenzen ist der Frequenzgang eines Mikrofons stark richtungsabhängig. Hier wird z.B. der Frequenzgang bei Beschallung von vorne (= 0°) und von der Seite (= 90°) eines ECM-40 Mikrofons gezeigt:

Bei Messungen am Hörplatzkommt der Schall nicht nur von vorne sondern von allen Seiten. Bei Verwendung einer Freifeldkalibrierung und Ausrichtung des Mikros auf die Schallquelle (nur eine) wird nur der Direktschall "richtig" bewertet. Alle Reflexionen werden unterbewertet, da sie nicht genau von vorne auf das Mikrofon treffen.

Damit der Direktschall UND die Reflexionen gleicht gewichtet werden empfehlen wir das Mikrofon nach oben zeigen zu lassen. Dann treffen sowohl der Direktschall als auch die Reflexionen an den Seitenwänden unter 90° auf das Mikrofon. Damit diese richtig gewichtet werden muss das Mikrofon also unter 90° kalibriert werden. Diese Kalibrierung bieten wir optional zusätzlich an (s. Shop / Kalibrierung, unter Optionen).

Im Artikel Messen am Hörplatz gehen wir noch etwas detaillierter auf das Thema ein.


Fazit:

Wenn man genauer als +/- 2 dB messen will ist eine individuelle Kalibrierung des Messmikros (ggf. samt Vorverstärkers) unumgänglich!

Die "Beipackzettel" sind zwar schön anzuschauen, zeigen aber nicht das individuelle Verhalten des Mikros sondern eine generalisierte "Wunschvorstellung" ohne Angabe der Messbedingungen und von Streubändern.

Nach 1000 Mikrofonkalibrierungen können wir sehen, dass unser Kalibrierprozess "langzeitstabil" und reproduzierbar ist. Die Kalibrierung entspricht zwar nicht dem höchsten Industriestandard, ist mit 25 € (0°) bzw. 40 € (0° + 90°) aber äußerst erschwinglich und erreicht zumindest für den semiprofessionellen Lautsprecherentwickler eine vollkommen ausreichende Genauigkeit.

 

Kommentare

Dietmar Porschen
10 jahre vor
Ebenfalls herzlichen Glückwunsch zum Kalibrier-Millenium!
das mit der Kalbrierung unter 90° werde ich mir noch überlegen. Mache nämlich viele Raumessungen.

Gruß Eismann
FlorianK
10 jahre vor
Kleines Jubiläum -- Glückwunsch zum 1000ten !! Und Dank für eine wirklich gute Betreuung mit tollen Berichten , Datenblättern und wirklich sehr informativen Veranstaltungen bei euch im Haus ! Und - eine so weit möglich " Nicht angepasste Handlungsweise " !! Ihr kennt noch den Begriff des Exotischen !

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