Kategorie: Raumakustik
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Subwoofer im Hörraum - Sinn und Unsinn einer Grenzfrequenz von 20 Hz

Wenn man sich Bauvorschläge für Subwoofer anguckt scheint nur eines zu zählen: "wie tief geht er?" Untere Grenzfrequenzen von "nur" 35 Hz werden müde belächelt, ab 25 Hz unterer Grenzfrequenz wird man so langsam ernst genommen.

Unsere Erfahrung mit der Trio - die linear bis 35 Hz runtergeht - in mehreren Hörräumen deutet eigentlich in eine andere Richtung. Viele Leute bevorzugen in ihrem Raum die Version mit zugestopftem Bassreflexrohr. Wie kann das sein? Was geht da vor?

In bekannt fleißiger Manier (s. Artikel Dipol-Subwoofern) haben wir daher einen bis 13 Hz linear spielenden Subwoofer mal an 76 Positionen in unserem Hörraum aufgestellt und an 6 Hörpositioen den sich ergebenden Frequenzgang gemessen. Das Ergebnis unser bisher mit Abstand größten Messreihe war - überraschend . . .

Hier geht's zum Artikel Subwoofer im Hörraum

 


Wir haben zwar schon so einige Projekte gemacht, aber ein Subwoofer-Satellitensystem war noch nicht dabei. Woher kommt diese stiefmütterliche Behandlung des Themas Subwoofer?

Na, so ganz stimmt das ja nicht! Vor einiger Zeit haben wir uns schon mal mit Dipol-Subwoofern beschäftigt und mussten einige Mythen dieses Konzepts revidieren. So ist ein Dipol-Subwoofer ähnlich aufstellungskritisch wie ein "normaler" Subwoofer (Monopol), wobei der Dipol-Subwoofer gut da funktioniert wo der Monopol nicht gut funktioniert - und anders herum.

Auch den oft gehörten Einwand dass ein Dipol-Subwoofer einen sehr schlechten Wirkungsgrad hat konnten wir im direkten Vergleich nicht bestätigen. Der gemessene Schalldruck war bei gleichem Basschassis im Mittel weitgehend identisch. Der "gefühlte" Wirkungsgrad war allerdings tatsächlich niedriger, da der Dipol-Subwoofer nicht so unangenehm "drückt" wie ein Monopol sondern viel "luftiger" klingt.

Wer dann aber wieder denselben liebgewonnenen "Druck" mit einem Dipol-Subwoofer erzielen will - der hat tatsächlich ein Problem mit dem Maximalpegel und der dafür benötigten Leistung . . .

Das grundlegende Problem EINES Subwoofers ist unserer Meinung nach allerdings, dass sich bei nur einem Subwoofer die Raummoden stärker ausprägen als bei zwei an verschiedenen Orten (am besten leicht unsymmetrisch) aufgestellten Basslautsprechern. Dadurch ist die Integration eines Subwoofers mit 2 Satelliten im Bassbereich im Hörraum noch komplizierter.

Wie viel bringen nun aber 2 oder gar 4 Subwoofer und wie muss man sie aufstellen? Oder sollte man sogar ein DBA realisieren?

Digital Bass Array (DBA)
Wenn man an der Vorderseite des Raumes eine ebene Wellenfront anregen und diese an der Rückseite des Raumes spiegelbildlich "absaugen" würde müsse sich eine Freifeldausbreitung erzielen lassen ohne Ausprägung von Raummoden etc.

Zur Anregung müssen mehrere Basslautsprecher gleichmäßig auf der Vorderseite verteilt werden (z.B. je 3 Stück in der Breite und je 2 Stück in der Höhe). Die "Absaugung" muss identisch aufgebaut und mit identischem Pegel angeregt werden - allerdings werden die Chassis verpolt und das Signal um die Laufzeit zwischen Vorder- und Rückwand verzögert.

Zu Klärung dieser Fragestellung haben wir eine aufwändige Versuchsreihe durchgeführt. Da die Markierungen vom der Untersuchung mit dem Dipol-Subwoofer noch vorhanden waren (50 x 50 cm Raster) haben wir einfach einen "normalen" Subwoofer an allen Positionen aufgestellt. Um die Sache noch etwas allgemeingültiger zu machen haben wir an allen 6 Hörpositionen die Antwort gemessen.


Schema unseres überarbeiteten Hörraums


Lage der Anregungspunkte (rot) und Hörpositionen (blau)

Insgesamt wurde an 78 Punkten angeregt und an 6 Punkten die Antwort gemessen. Als Anregung wurde ein geschlossener Subwoofer mit eingebautem Digitalen SignalProzessor (DSP, s. XTZ 99W12DSP) verwendet, mit dessen Hilfe der Frequenzgang im Nahfeld des Chassis (10 cm) bis auf 13 Hz (-3 dB) linearisiert wurde:

Die Messungen wurden 2-kanalig in ARTA mit einer Frequenzauflösung von 11025/16384 = 0.673 Hz durchgeführt. Trotz der minimslen Blockgröße von 16384 waren die 76 · 6 = 456 Impulsantworten insgesamt 28.5 MB groß. Die Daten wurden mit 1/24 Oktave geglättet und als ASCII- bzw. CSV-Datei mit Amplitude und Phase exportiert (insgesamt 10.7 MB). Die Ergebnisdatei enthält insgesamt 720 Frequenzlinien im logarithmischen Abstand, wovon nur jede 3. Linie zwischen 10 und 250 Hz verwendet wurde (insgesamt 86 Linien, also etwa 12%). Dies entspricht in etwa einer Frequenzauflösung von 1/18 Oktave. Die endgültige Datendatei ist durch Abspeichenr im Binärformat schließlich nur 194 kB groß - eine Datenredution um den Faktor 151!

Im 1. Schritt soll aber zunächst "nur" der Frequenzgang an einem der 6 Hörplätze bei Anregung an allen gemessenen Anregungspositionen dargestellt werden. Darüberhinaus können noch energetische Mittelwerte für mehrere Gruppen von Hörpositionen berechnet werden. Außerdem ist die Anzeige der einzelnen Frequenzspektren am jeweiligen Hörplatz möglich.

Von den zahlreichen möglichen Darstellungen werden hier nur einige exemplarisch gezeigt. Abonnenten des Magazins können sich ein spezielles Anzeigeprogramm downloaden (ZIP-Datei, 173 kB inkl. Daten), mit dem alle Daten interaktiv angezeigt werden können (insgesamt 12 verschiedene Mikrofonpositionen bzw. -gruppierungen bei 86 Frequenzen = 1032 verschiedene Schalldruckkarten sowie 9 · 13 · 12 = 1404 verschiedene Zusammenstellungen von Frequenzspektren).


-> die Schalldruckkarten sind leicht unsymmetrisch, da die Mikrofonpositionen ca. 25 cm außermittig liegen

Neben der Anzeige der Frequenz kann optional der energetische Mittelwert aller Anregungspunkte angezeigt werden (mittlere Raumenergie). Im Bereich von 10 bis 250 Hz schwankt diese von 117.22 dB (bei 30 Hz) bis 97.86 dB (bei 43.7 Hz) - bereit senergetisch über alle 6 Mikrofonpositionen gemittelt und bei einen Subwoofer, der im Freifeld bis 13 Hz linear läuft. Das zum Thema Raumeinfluss.

Und so sehen die Frequenzspektren aus:

Beide Bilder zeigen, dass ein ab 35-40 Hz steil abfallender Subwoofer besser mit unseren Hörraum harmonieren würde. Dann ließe sich - bis auf die Spitze bei 55 Hz - ein recht ausgeglichener Frequenzgang erzielen. Durch die lineare Anregung bis 13 Hz handelt man sich hier also - unter HiFi-Gesichtspunkten - besonders bei 30 Hz massive Schwierigkeiten ein. Bei 30 Hz lässt sich nur durch Verschieben des Subwoofers (oder der Hörposition) in die Raummitte (Längsrichtung) eine Verbesserung erzielen - was meist nicht praktikabel ist.

Betrachtet man alle gemessenen Positionen ergibt sich ein Wiedergabeschlauch von 30 dB Breite - Prost Mahlzeit. Dabei ist unser Raum (4.43 m breit, 6.21 m lang) nicht mal besonders schlecht: 3 von 4 Wänden bestehen aus einem Ständerwerk mit Gipskartonplatten. Diese Konstruktion entzieht dem Raum deutlich mehr Energie als eine gemauerte Steinwand und sollte das Problem von Raummoden daher tendenziell entschärfen.

Interessant ist auch, dass die Messergebnisse nicht ganz mit der Theorie zusammenpassen, die - notgedrungen - von perfekt steifen Betonwänden ausgeht. Somit kommen die miesten Leute mit "weichen" Begrenzungsflächen (schwimmend verlegtes Parkett/Laminat, große Fensterflächen, Gipskartonwände etc.) nicht um eine Messungen herum, wenn sie ihren Hörraum "verstehen" und so eine harmonische Kombiantion von Lautsprechern und Raum im Bassbereich erzielen wollen.

Die Forderung nach ultratiefen und ultralinearen Subwoofern kommt vor allem aus dem Heimkinobereich. Dort soll es richtig Stampfen und Donnern. Bei dem ein oder anderen Soundeffekt mag eine 10 dB Überhöhung bei 30 Hz die Wirkung noch steigern - mit HiFi hat das aber unserer Meinung nach nichts zu tun. Wenn eine Raummode angeregt wird ist dies fast immer auch mit einem längeren Ausschwingen verbunden. Dieses längere Ausschwingen mit zu hohem Pegel deckt dann häufig nachfolgende "Feinheiten" zu. Beispielhaft sei hier das Ausschwingen das Subwoofers im Nahfeld (10 cm von der Membran) sowie an der Position X=2 Y=2 Mikro vorne Mitte gezeigt:


-> perfektes Ausschwingen des Subwoofers im Nahfeld


-> stark verzögertes Ausschwingen des Subwoofers im Hörraum

 


 

Erstes Fazit:

Nach dem 1. Teil der Auswertungen ergibt sich folgendes Bild:

Für den 2. Teil der Auswertung wird das Anzeigeprogramm zunächst so aufgebohrt, dass auch die phasenrichtige Überlagerung mehrerer "virtueller" Subwoofer in Kombination mit Verpolung und Zeitversatz möglich wird. Dann kann auch das Potenzial von Mehrfachsubwoofern sowie von einfachen DBA-Anordnungen untersucht werden. Dann wird man abschätzen können, ob sich in unserem Hörraum bei den betrachteten Anregungs- und Hörpositionen ein solcher Zusatzaufwand lohnen würde.