DreiZwo, Auf- und Zusammenbau Teil 2

im ersten Teil haben wir einiges zur grundsätzlichen Konstruktion geschrieben, jetzt ist sie fertig und hat ihre Feuerprobe auf der HiFi-Music-World in Stuttgart bestanden. Hatten wir zunächst befürchtet, dass "die Kleine" sich in unserem ca. 90 m² messenden Vorführraum verlieren würde, wurde schon am Freitag beim Aufbau klar, dass sie wie eine Große daherkommt und sich durch nichts beeindrucken lässt. Selbst als am ersten Messetag vierzig und mehr Besucher im Raum saßen und dort lebende Absorption spielten, konnten man nicht den Anflug von Problemen bei der Kleinen erkennen.

Dementsprechend viel Lob heimste sich die DreiZwo dann auch vom Publikum ein. Aber lest selber........

 

 

 

 

....hier stellvertretend einige Bemerkungen zur DreiZwo.

HiFi-Forum:

  • Omnes Minikoax+ Tangband Ovalette richtig gut
  • DreiZwo -> Ein Highlight für mich "und" für den Vetter - ah geht doch ;-)

DIY HiFi-Forum:

  • das zweite Highlight auf der Messe, eine kleine Box mit gleichem Coax wie bei der Lina, und Tangband Oval-Seitenbass, ich fand sie sehr angenehm abgestimmt, Stimmen kommen gut rüber, ohne jede Anstrengung, Bass war in diesem Raum etwas überfordert, oder war es der Verstärker der zu wenig Power brachte.
  • Gutes Konzept. Abstimmung gelungen, für die Größe beachtlich leistungsfähig. Rammstein hat der Erschaffer selbst aufgelegt, um das Auditorium zu schocken. Die DreiZwo hat sich auch mit dem Gedröhne gut aus der Affäre gezogen.

Das muss reichen mit der Lobhudelei, wenden wir uns wieder dem Lautsprecher zu. Im ersten Teil des Artikels zur DreiZwo hatten wir schon bemerkt, dass die Kantenreflexionen hingegen unserer Erwartungen von uns doch einen großen Einfluss auf das Koax-Chassis nehmen. Dem kann man schnell entgegenwirken indem man die Kanten der Box mit einer Fase versieht und das Chassis sorgfältig einfräst. Die Fase wurde mit der Handkreissäge erstellt und die Einfräsung für den Koax sorgfaltig manuell, ruhige Hand vorausgesetzt, mit der Oberfräse.

Da sieht man denn auch schon die nächste Hürde. Der Tieftöner würde, einfach auf die Seitenwand gesetzt, ganz schön dick auftragen und das sähe ziemlich hässlich aus. Einfach eine Abdeckung darüber machen würde nicht wirklich etwas verbessern. Also sollten Tieftöner und Verkleidung desselben versenkt eingebaut werden. Wie jedoch kann man mit einfachen Mitteln so einen "Eier-Tieftöner" wie den Tangband versenken?

Wenn man ein wenig drüber nachdenkt, ist es eigentlich ganz einfach. Zunächst sägt man sich grob eine Scheibe die auf den Bass passt und als Schablone dienen soll.

Dann klebt man den Bass sorgfältig ab, damit er keine Späne schlucken kann, und schraubt die Platte dran

Jetzt kann man mit einem Bündigfräser die Platte genau auf die Größe des Chassis bringen.

Nun kann man die Platte auf die Box schrauben und........

..... rundherum mittels Anlaufring in der Oberfräse die Kontur des Tieftöners fräsen.

Dann fräst man nur noch den überbleibenden Rest weg

und hat das Chassis wunderschön eingesetzt.

hier sieht man wie das fertig aussieht und welcher Platz für die anzufertigende Abdeckung über bleibt.

Die Schallwand der DreiZwo haben wir mit Granitlack aus der Dose lackiert und das Gehäuse hat eine Schaumvinyltapezierung bekommen.

Das sieht in der Praxis ziemlich schick aus und ist sehr preiswert zu erstellen.

Der hintere Schlitz für die KU wird mit eine gefalteten Lage Noppenschaumstoff verschlossen

Auf der Rückseite unsere obligatorische Doppelreflexrohr-Bestückung und die Speakon Anschlussbuchse.

Man kann sich mit Sicherheit auch einen schöneren Fuß vorstellen, aber für die Messe in Stuttgart musste es einfach und schwer sein, daher eine profane, schmale Gehwegplatte (20 x 40 cm).

Zwischen großen Lautsprechern sieht die DreiZwo ziemlich verloren aus.......

....im Hörraum macht sie gar keine schlechte Figur.

So, das war der grundsätzliche Aufbau und nun geht es ab in die Messtechnikabteilung.

 

DreiZwo - die Messungen:

Im Rahmen einer Lautsprecherentwicklung wird an vielen Stellen gemessen:

  1. zuerst werden die Chassis alleine in unserem Podest gemessen, in der Regel zunächst ohne konkrete Absicht sie in einem bestimmten Projekt zu verbauen
  2. wenn die Ergebnisse vielversprechend aussehen wird zunächst ein virtuelles Projekt erstellt. Dazu werden die Messdaten in ein Boxsim-Modell geladen und es wird mit der Anordnung auf der Schallwand und dem Weichenlayout experimentiert
  3. wenn das immer noch vielversprechend aussieht wird ein Testgehäuse gebaut und anhand des Impedanz- (und Schalldruck-) Verlaufs zunächst eine günstige Anordnung des Absorptionsmaterials erarbeitet; mit dieser werden dann die Chassis im Testgehäuse vermessen
  4. mit diesen Messungen wird das Boxsim-Modell verfeinert; da nun das Gehäuse nicht mehr simuliert werden muss ist das Modell in der Regel noch genauer
  5. dann wird weiter an dem Weichenlayout gefeilt und schließlich eine Testweiche aufgebaut und das Ergebnis vermessen
  6. dann fängt ein iterativer Prozess von hören -> modifizieren -> simulieren -> ggf. messen -> wieder hören etc. an
  7. schließlich wird die "endgültige" Weiche aufgebaut und das Gesamtergebnis gemessen

Bei der DreiZwo hatten wir zunächst eine Boxsim-Simulation mit den Messergebnissen aus dem Podest gemacht, das sehr vielversprechend aussah:

Daraufhin haben wir ein provisorisches Testgehäuse aufgebaut ohne allerdings das Koaxialchassis zu versenken (wie bei den Podestmessungen) und ohne das Gehäuse anzufasen (wie im Boxsim-Projekt angenommen). So sah das Testgehäuse aus:

Und so sah das Ergebnis im Testgehäuse aus (Messung am Hörplatz, unkalibriert):


-> das war ja wohl nix!

Bei der Messung der Chassis ohne Weiche im Gehäuse fiel der Hochtöner mit einem "Buckel" um 6 kHz "unangenehm" auf (Messung am Hörplatz, unkalibriert):

Der Hochtöner mit obiger Weiche im Testgehäuse (nicht versenkt, keine Fase, Messung ohne Raumeinfluss) sah dann so aus:


-> der Buckel bei 6 kHz bleibt

Das provisorische Abkleben bzw. Abkitten des Übergangs brachte zwar schon einen kleinen Effekt in die richtige Richtung (schwarze -> grün), aber ein Blick auf das Boxsim-Modell zeigte, dass das Weglassen der Fase keine gute Idee war:

Als wir dann das Testgehäuse mit einer 19mm Fase versehen und das Chassis ordnungsgemäß eingefräst hatten kam das Grinsen zurück auf unser Gesicht (Messung im RAR):


-> der Mitteltöner wirkt ab 2 kHz als Waveguide für den Hochtöner mit schön gleichmäßigem Verlauf
-> dadurch muss sich ein zu tiefen Frequenzen hin leicht ansteigender Verlauf ergeben

Der Verlauf ist sogar noch günstiger als in unserem Messpodest (s. u. bzw. Datenblatt OMNES AUDIO CX3.0):


-> unterhalb von 1000 Hz sinkt der Wirkungsgrad durch die schmale Front (Bafflestep) auf bis zu 85 dB/2.83V/m ab
-> der Mitteltöner zeigt eine gleichmäßige, leicht zunehmende Bündelung
-> im Übernahmebereich verläuft die Bündelung von MT und HT ähnlich

Auch hier ist der Verlauf sogar noch günstiger als in unserem Messpodest (s. u. bzw. Datenblatt OMNES AUDIO CX3.0):

Tja, was man mit dem "richtigen" Einbau alles erreichen kann . . .

Nachdem das Gehäuse die endgültige Form hatte (19 mm Fase links, rechts und oben) und der Coax eingefräst war wurde für das Feintuning ein neues Boxsim-Modell erstellt, bei dem die Chassis im Gehäuse gemessen wurden. So musste Boxsim den Gehäuseeinfluss nicht berechnen. Dieses Modell wurde jedoch nur für das Feintuning im Mittel-/Hochtonbereich eingesetzt, im Bassbereich war das Boxsim-Modell mit den Podestmessungen besser geeignet, dort ist der Einfluss der Gehäusekanten auch nicht so relevant.

Bei der DreiZwo haben wir das erste Mal einen Seitenbass eingesetzt. Das Rundstrahlverhalten sah sehr interessant aus (die Einbrüche bei 125 / 375 / 625 / 875 Hz kommen durch die Bodenreflexion):


-> deutlich ausgeprägte Richtwirkung bereits ab 160 Hz

Da hatte Boxsim doch recht, das uns auf Coax-Achse einen leiser als erwarteten Bass vorhergesagt hatte. Zum Glück gucken wir im Bassbereich aber eher auf den Energiefrequenzgang (wer hört schon in einem schalltoten Raum), und da hatte es gepasst (das Bild zeigt eine Simulation der 1. Frequenzweiche mit Podestdaten, nachher haben wir den Mitteltöner dann doch noch etwas leiser gemacht).

Eigentlich trennt man ja bei einem Seitenbass möglichst tief, aber der Coax kann nicht tiefer spielen als etwa 300 Hz. Dort bekommt man beim Bass laut Datenblatt eine "Anschubfinanzierung" für die Frequenzweiche, so dass eine Filtersteilheit von 12 dB/Oktave ausreichen sollte:

Tja, da hilft nur Ausprobieren. Und da haben wir uns nicht lumpen lassen: insgesamt 9 (in Worten: NEUN) Weichenschaltungen haben wir ausprobiert bevor wir zufrieden waren. Während die ersten Layouts noch recht aufwändig waren (15 Bauteile)

sah es zum Schluss recht "übersichtlich" aus (11 Bauteile):

Schließlich sah der Frequenzgang im Hörraum am Hörplatz bei Betrieb von 2 Boxen so aus:

Die rote Kurve ist der Verlauf eines idealen Punktstrahlers (bzw. Lautsprechers mit frequenzneutraler Bündelung) in unserem Hörraum am Hörplatz. Dieser Verlauf ist nicht etwa durch Messungen so hingetrimmt worden sondern durch sehr ausgiebige Hörsitzungen wurde eine Lösung gefunden, die sich dann auch sehr gut gemessen hat.

Und wie sehen die Ergebnisse nun im Detail aus? Gespannt waren wir vor allem auf den Frequenzgang unter verschiedenen Winkeln horizontal und vertikal. Gerade im vertikalen Rundstrahlverhalten haben Coaxialchassis ja prinzipielle Vorteile, da hier eben nicht der Hochtöner über bzw. unter dem Mitteltöner platziert ist:


-> sehr gleichmäßige horizontale Bündelung


-> sehr gleichmäßige vertikale Bündelung bei 11 bzw. 22°

Tja, das hat ja wohl voll hingehauen! So etwas kriegt man mit separaten Mittel- und Hochtönern einfach nicht hin, zumindest nicht passiv.

Damit die DreiZwo an verschiedene Aufstellungsorte und Hörräume anpassbar ist haben wir ihr wieder einmal 2 Bassreflexrohre verpasst. Durch Schließen eines oder beider Rohre können auf einfachste Weise 3 verschiedene Frequenzgänge im Bassbereich erzeugt werden:


-> prinzipieller Einfluss der BR-Rohre (ausgedehnter Frequenzgang mit 1 Rohr offen)


-> keine Rohrresonanzen im Übertragungsbereich

Die Abstimmfrequenzen sind demnach 27 bzw. 37 Hz. Damit ergeben sich laut Lasip folgende Frequenzgänge (geschlossen, 1 bzw. 2 Rohre offen, Gehäusevolumen 25 Liter, Vorwiderstand 0.5 Ohm):

Bevor wir das erste Mal "Gas gegeben" haben wurde der Spannungsverlauf an den Chassis gemessen und mit dem Boxsim-Modell verglichen:


-> das sieht ziemlich ähnlich aus

Eine 2. Möglichkeit zu überprüfen, ob die Frequenzweiche richtig funktioniert, ist der Vergleich der Impedanz:


-> das Impedanzminimum bei 100 Hz beträgt 4 Ohm, ansonsten ist die DreiZwo eher eine 6-Ohm-Box

Auch hier sah alles gut aus, dann konnte es ja los gehen. Bei der Konzeption der DreiZwo hatten wir wegen der Zierlichkeit des Lautsprechers vor allem solche Leute im Visier, die bei leisen bis mittleren Lautstärken Musik hören. Daher haben wir auch einen leicht badewannenförmigen Frequenzgang angestrebt, um die geringe Ohrempfindlichkeit bei tiefen und hohen Tönen näherungsweise zu kompensieren. Aber nach den ersten Takten hat es uns doch in den Fingern gejuckt um mal zu sehen ob die beiden DreiZwos auch laut können. Und da waren wir doch fast schon entsetzt, wie mühelos sie auch wirklich hohe Lautstärken in unserem 25 m² großen, relativ stark bedämpften Hörraum erzeugen konnte. Davon konnten wir auch die Besucher der 8. HiFi-Music-World in Stuttgart überzeugen. So manche Kinnlade mussten wir nach der Vorführung wieder hochklappen, so laut spielten die DreiZwo in unserem 85 m² Vorführraum vor teilweise über 40 Zuhörern. Voraussetzung dafür ist allerdings ein kraftvoller Verstärker, der auch mal kurzfristig 2x 250 Watt (Musikleistung) aus den Transistoren schütteln kann, wie z.B. unseren XTZ Class A 100 D3. Denn bei einem Wirkungsgrad von 84 dB/2.83V/m muss man schon ordentlich Leistung einspeisen, damit es laut wird.

Dass die DreiZwo auch laut kann ohne zu komprimieren zeigt unser Dynamiktest, bei dem wir einen kurzen Sinussweep kontinuierlich von 2 bis 20 Volt (rms) steigern (jeweils 1 dB lauter) und gucken, wie sehr der lautere Pegel von der erwarteten Pegelsteigerung abweicht:


-> bis 20 Volt (rms = 100 Watt an 4 Ohm) ist kaum eine Dynamikkompression erkennbar!

Zum Abschluss noch eine Zusammenstellung der Kosten der DreiZwo. Beim Bass sollte man unbedingt Maschinenschrauben mit Einschlagmuttern nehmen, normale Holzschrauben vibrieren sich leicht los. Die Frequenzweichenbauteile stammen von Mundorf, da es hier Spulen mit hohen Induktivitäten und kleinem Drahtdurchmesser gibt, die nicht nur preiswert sondern auch klein sind. Bei den Parallelspulen ist der Einfluss der Innenwiderstands recht gering, bei der Spule vor dem Mitteltöner ist ohnehin ein Widerstand in Reihe, der durch den hohen Innenwiderstand der Spule kleiner ausfallen kann und daher weniger heiß wird:

Den Platz für die Frequenzweiche ist in der DreiZwo leider Mangelware:

Für unsere Abonnenten gibt es hier noch das Boxsim-Modell, eine bemaßte Gehäusezeichnung und Absorptionsplan, sowie das Weichenbild und den Kostenplan.

 

Und nun viel Spaß mit der DreiZwo

Euer HiF-Selbstbau Team