Von der Paragona zur DayMor

Auf dem 1. DIY-Lautsprecher-Contest weckte eine Box unser besonderes Interesse - die Paragona. Im Bass-/Mitteltonbereich werkelten je 2 Stück DAYTON RS180S8, darüber eine SEAS-Kalotte im Waveguide. Die Box hatte damals den 4. Platz gemacht - obwohl einer der beiden Tief-/Mitteltöner verpolt war !?!

Daraufhin haben wir uns die gesamte Reference-Serie der DAYTON-Chassis mal im Detail angeguckt - und durch die Bank für sehr gut befunden. Daher wurden auch 3 Chassis dieser Reference-Serie für die Bestückung der LAL ausgewählt und die Mitteltonkalotte RS52AN-8 schaffte es sogar in unsere Aktivreferenz Rocket.

Wenn uns mal ein paar Leute besuchen und sich einige unserer Boxen anhören wollen, dann wollen sie zum Vergleich oft die Trio oder die LAL hören. Und dann heißt es oft: "habt ihr nicht was was zwischen der Trio und der LAL klingt, aber kleiner (und schmaler) ist und nur die Hälfte kostet?"

Da mussten wir bisher immer passen. Wir hatten da zwar eine Idee, aber bisher noch keinen Leidensdruck sie umzusetzen. Doch dann war ein Interessent so sehr von der Idee begeistert, dass wir kurzerhand ein Testgehäuse bauten und eine Weiche steckten. Das Ergebnis gefiel ihm dann so gut dass er sich ein Paar davon baute. Im Bass-/Mittelton kommen wie bei der Paragona je 2 Stück DAYTON RS180S-8 zum Einsatz, als Hochtöner ein MOREL CAT378, der von Haus aus ein kurzes Waveguide mitbringt. Und darum heißt die Box DayMor . . .  

 

 

Die "Vorgaben" waren klar und deutlich. Sie sollte:

  • sich im Mittel-/Hochtonbereich eher an der LAL orientieren,
  • im Bass-/Mitteltonbereich eher zwischen der Trio und der LAL liegen,
  • höchstens 105 cm hoch und möglichst schmal sein,
  • auch mal laut können
  • und möglichst unter 200 €/Stück (Chassis + Weiche + Zubehör) kosten

Um auch im Bassbereich mal laut zu können muss viel Luft verschoben werden können, daher sollten wie bei der Paragona 2 Stück 17er Bass-/Mitteltöner RS180S-8 pro Seite eingesetzt werden. Parallel geschaltet bringen es die beiden auf 92 dB/2.83V/m. Das erfordert natürlich einen lauten Hochtöner, der wegen der geplanten D'Appolito-Anordnung der Tief-/Mitteltöner und der relativ geringen Hörentfernung von 2.5 m nicht allzu groß sein sollte. Die Wahl fiel auf den MOREL CAT378, einen geringfügig runderneuerten MOREL MDT37. Er ist mit 94 mm Außendurchmesser für einen Hochtöner mit 28 mm Schwingspule sehr kompakt und bringt das gewünschte Waveguide von Hause aus mit. Dazu ist er mit 48 €/Stück auch noch bezahlbar - was will man mehr?

Der nächste Schritt war die Messung des Chassis in unserem Messpodest und die Erstellung eines Boxsim-Modells. Die entsprechenden Daten des RS180S-8 hatten wir ja schon. Auch hier zeigte sich wieder, dass eine mittige Anordnung des Hochtöners für den Schalldruck auf Achse nicht optimal ist. In Boxsim war ein seitlicher Versatz von 4 cm am günstigsten. Obwohl Boxsim von "normalen" Kalotten ohne Waveguide ausgeht (Annährung des Rundstrahlverhaltens durch Kalottendurchmesser = Waveguidedurchmesser) und auch den Einfluss der beiden Tieftöner nicht berücksichtigen kann halten wir uns in der Regel an diese "Empfehlung".

Und so sah dann die erste virtuelle DayMor mit Daten aus dem Podest aus:


-> die später durch Hörversuche optimierte Weiche hatte bis zu 50% abweichende Werte!

Nun, virtuell sah das schon mal ganz gut aus, jetzt hieß es: Testgehäuse bauen! Denn erst dann zeigt sich, ob die Chassis gut harmonieren und das Gesamtergebnis dem Interessenten gefällt. Eine weitere Vorgabe des Interessenten war, dass die Box für relativ wandnahe Aufstellung geeignet und daher das Bassreflexrohr nach vorne zeigen muss. In diesem Stadium probierten wir auch eine Variante mit 2 Bassreflexrohren aus. Dadurch hat man die Möglichkeit 3 verschiedene Frequenzgänge im Bassbereich zu erzeugen:

  1. beide Rohre offen -> hohe Tuningfrequenz mit leichter Bassüberhöhung
  2. ein Rohr offen -> niedrigere Tuningfrequenz mit leichter Bassabsenkung
  3. beide Rohre zu -> geschlossene Box mit geringem Tiefbassanteil

Mit 2 unterschiedlichen BR-Rohren sollten sogar 4 Frequenzgänge zu schaffen sein . . .

Beim Testgehäuse machten sich die Bassreflexrohre allerdings durch stehende Wellen unangenehm bemerkbar. Dies ist gerade bei 2-Wege-Lautsprechern ein Problem. "Eigentlich" sollte das BR-Rohr nur Frequenzen im Bereich der Abstimmfrequenz passieren lassen und ansonsten akustisch "dicht" sein. Wenn aber genau 1/2 Wellenlänge (oder deren Vielfache) in das Rohr passt, dann reichen schon kleinste Anregungen aus um diese Resonanzen in Schwung zu bringen. In unserem Falle hatten die Rohre einen Durchmesser von 60 mm und waren physikalisch 140 mm lang (JetLine 60). Damit ergaben sich in einem 50 l großen Gehäuse Abstimmfrequenzen von 30 (nur ein Rohr offen) bzw. 42 Hz (beide Rohre offen).

Gleichzeitig ergab sich durch die akustische Länge von 180 mm (inkl. beider Endkorrekturen) eine stehende Welle bei 950 Hz - und damit mitten im Übertragungsbereich. Besonders Männerstimmen und Streicher litten unter der ungewollten Einstreuung.

Da erinnerten wir uns an einen alten Trick aus den 80er Jahren: wenn man das BR-Rohr auf der Hälfte der Länge "durchlöchert" dann kann man der stehenden Welle im Schnellemaximum Energie entziehen, den ungewünschten Effekt also reduzieren. Dadurch ändert sich gleichzeitig die wirksame Länge des BR-Rohres und auch der BR-Effekt wird etwas reduziert - im Leben gibt es halt nix umsonst ;-)

Das folgende Bild zeigt den Schalldruckpegel 1 cm von der BR-Öffnung entfernt. Die schwarze Kurve stammt vom Testgehäuse mit 2 offenen BR-Rohren (JetLine60, Länge 140 mm, Abstimmfrequenz 42 Hz), die rote Kurve von der fertigen Box mit nur einem BR-Rohr (JetLine60, Länge 140 mm, Abstimmfrequenz 30 Hz), welches in der Mitte gelocht ausgeführt war:


-> die ursprüngliche Resonanz bei 950 Hz wurde um gut 7 dB "entschärft"

Da die DayMor für Wandnahe Aufstellung optimiert werden sollte war die Variante mit 2 offenen BR-Rohren ohnehin nicht gewünscht (ud klang auch freistehend in unserem Hörraum so zu bauchig), so dass das 2. BR-Rohr in der endgültigen Version gleich weggelassen wurde.

Im Testgehäuse wurden dann noch einmal Messdaten ermittelt, mit denen ein verfeinertes Boxsim-Modell aufgebaut wurde. Da es insbesondere um den Übergang bei 2 kHz ging wurden die Messungen in 1m Abstand gemacht (-> das Modell greift erst ab ca. 500 Hz). Dadurch muss Boxsim nicht mehr den Einfluss der Schallwand selbst berechnen, sondern es konnten die realen Messungen im Gehäuse importiert werden, Dies erhöht die Genauigkeit der Vorhersage von Boxsim noch einmal und liefert am Messpunkt eine sehr exakte Voraussage des Summenpegels. Wie üblich wurden noch ein paar Feinheiten in der Weiche geändert bis die DayMor bei uns im Hörraum gut klang. Das Weichenschema blieb zwar konstant, die Bauteile änderten sich aber z.T. um bis zu +/- 50%!

Hier können unsere Abonnenten das finale Boxsim-Modell downloaden.

Hier noch ein paar Bilder von der Herstellung der Gehäuse und der Weiche:

 

Und schließlich der stolze Besitzer bei der "Endkontrolle" in unserem Hörraum (er hatte sogar seine Elektronik mitgebracht):

Und hier nun die Messungen am fertigen Gehäuse (die Welligkeit < 1 kHz ergibt sich durch die Bodenreflexion):


-> Anpassung im Hochtonbereich durch Terminal mit variablen Brücken

 


-> nur sehr geringer Einfluss der Messhöhe


-> der Frequenzgang auf Achse ist sehr linear, aber unter Winkeln zeigt sich eine Überhöhung um 3 kHz


-> hier zeigt sich ein sehr linearer Verlauf mit einer leichten Überhöhung um 3 kHz, die schon bei den Winkelmessungen vermutet wurde


-> kaum Nichtlinearitäten im Arbeitsbereich


-> insgesamt sehr verstärkerunkritischer Impedanzverlauf (Min 3.5 Ohm, max. 9.7 Ohm)

 

Fazit:

Alle Zielvorgaben wurden erfüllt und der Kunde ist zufrieden. Nachdem die Impedanz und der Spannungsverlauf der DayMor überprüft worden war gaben wir das erste Mal richtig Stoff - und waren begeistert was die DayMor an Lautstärke auch im Bassbereich klaglos umsetzte.

Zum Schluss noch eine Zeichnung wie die DayMor aufgebaut ist. Unsere Abonnenten könnten das komplette Datenpaket (bemaßte Zeichnung, Frequenzweiche, Boxsimprojekt) hier downloaden.

 Diskussion zur DayMor im internen Forum

Kommentare

Ingo11581
12 jahre vor
Hallo,die Daymore täte mich schon interessieren.
Was mir fehlt ist eine Klangbeschreibung und was bedeutet "A" bzw."B" in der Weiche?
Gruss Jörg
klausl
13 jahre vor
-15dB bei 55Hz und plus 7dB bei 85Hz am Hörplatz (aber gewedelt!). Das hört man dann aber nicht, oder? Sind denn auch die resonanzen an den Seitenflächen ermittelt worden? Ich hör schon den techniker bei Mundorf jaulen, der Zementwiederstand , auch in der Ableitung und Bassbereich, beeinträchtigt doch ganz immens die Spielfreude der tieftöner im Mittellton GERADE bei einer solch hohen Abstimmung im Zweiwegebetrieb! Wenn ich mir die Dinger dann zu Hause hinnstelle und messe, krieg ich ne Kurve wie`n Wellblechdach, hab aber für fünf mille Elektronik davor damit Miles Davis auch möglichst authentisch ist. Vier Drehregler für Trennfrequenz und Pegel zum stellen und hören zu Hause, das wärs! Ich hab mal `nem Kunden seine Autoanlage so verstellt bis er es gut fand. Ich hätte schreien können! Da hätten Conrad Bässe und Piezohochtöner gereicht. Schade für die Exact Speaker!!! Der hat `ne hörschwäche im mittenbereich, stressbedingt. Jedes Ohr hört anders, jedes Jahr! DARUM ist das alles Voodoo für mich!!!
Ist schon komisch, was Marktwirtschaft für Blüten treibt!
Christoph Gebhard
14 jahre vor
Schöner Bericht!
Vor allem der Hinweis auf die Stehwelle im Rohr. Ein typisches und nerviges Problem von nach vorne strahlenden BR-Kanälen.
Komisch, dass das von einigen Urgesteinen der DIY-Szene trotzdem immer wieder so gebaut (und gemessen) wird :whistle:
Kritik möchte ich aber an dem Begriff "Waveguide" loswerden. Es ist auch sehr schön an den Messungen zu sehen, dass das Morel-Krümelhorn ;-) viel zu klein ist, um im Präsenzbereich einzuschnüren und diesen Namen deswegen nicht mal im Ansatz verdient.

Gruß, Christoph
kasbc
14 jahre vor
Hi,

schöner Bericht - interesssante Box. Könntet ihr noch etwas ausführen, was mit der genannten klanglichen Orientierung "zwischen LAL und Trio" gemeint ist.

Gruß
Theo
14 jahre vor
Hi,

nicht ganz so analytisch wie die TRIO, aber auch nicht so rund wie LAL, im "Normalzustand". Der Kunde hat dann alles an Hochton reingedreht was geht und auch noch die BR verschlossen weil es ihm so gefällt. Das erklärte uns auch seine Entscheidung für Yamaha Elektronik, die auch schon etwas heller klingt als die XTZ Kombi.

:-) Theo

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