HYPEX Reloaded

Auf der diesjährigen ProLight & Sound "stolperten" wir zufällig auch über einen Aussteller, den wir da eigentlich nicht erwartet hatten: HYPEX! Die kannten wir vor allem als Lieferant der ersten Stunde von Subwoofer-Aktiv-Modulen. Die tummeln sich allerdings eher im mittel- bis hochpreisigen Segment, liefern dafür aber auch mittel- bis hochleistungsstarke (meist Digital-) Endstufen bis 800 Watt ab. Seit längerem war HYPEX auf diesem Sektor aber nicht mehr so präsent - warum auch immer.

Auf der ProLight & Sound hatten die Holländer ihr neustes Baby im Gepäck - einen äußerst kompakten 2-Wege-Aktiveinschub mit DSP-Technik mit zusätzlichem Subwooferausgang. Damit wäre z.B. ein kleiner, aktiver, universell einstellbarer 2-Wege-Studio-Monitor machbar, ggf. mit Subwoofer-Unterstützung.

Seit Anfang Juli ist das Gerät nun verfügbar und wir haben uns gleich eines bestellt und ihm mal ausgiebig auf den DSP-Zahn gefühlt. Auch auf dem diesjährigen DIY-LS-Contest gab es ein Projekt mit einem Modul pro Seite, die DD2D von Sailor.

HYPEX AS2.100

Seit längerem juckt es uns in den Fingern mal einen Studio-Monitor zu bauen. Zu Anfang dachten wir daran einen 3-Wege-Monitor mit den Chassis der Trio zu machen, wobei wir den Tieftöner zur Volumenersparnis dann gegen einen VISATON TIW 250 XS ersetzt hätten. Das ganze natürlich per Digitalcontroller (z.B. BEHRINGER UltraDrive DCX 2496 oder ALTO MaxiDrive 3.4PC ) und externen Endstufen angetrieben, so dass es optimal auf den Raum anpassbar ist.

Das Konzept fand aber bei den von uns befragen Studiobesitzern wenig Anklang:

  • Es wurden vor allem kompaktere Nahfeld-Monitore nachgefragt, ggf. mit Subwoofer-Unterstützung
  • Es war oft kein Platz für die Elektronik vorhanden (immerhin mindestens 7 HE im 19"-Rack)
  • Es dürfen absolut keine Lüftergeräusche der Verstärker hörbar sein!
  • Die Einstellung darf nicht zu kompliziert sein

Studioleute schwören auf Boxen mit eingebautem Verstärker, so dass nur ein (XLR-) Kabel zur Box führen muss. Steckerleisten gibt es im Studio genug, daher stört die zusätzliche Stromversorgung nicht. Auf die Rückseite gehört ein "Mäuse-Klavier" (= Ansammlung von DIP-Schaltern), mit dem die Box im etwas auf den Raum angepasst werden kann.

2-Wege-Aktiveinschübe in DSP-Technik gibt es kaum - außer von Sitronik. Diese Einschübe sind jedoch sehr groß - und recht teuer. Außerdem sind die Einstellmöglichkeiten im Bereich Zeitverzögerung mit einer Auflösung von 5 cm nur für die Anpassung zwischen Subwoofer und Satelliten ausreichend, nicht aber um den Tiefenversatz zwischen Tief- und Hochtöner zu kompensieren.

Und so blieb der Wunsch nach einem bezahlbaren 2-Wege-Studio-Monitor in DSP-Technik eben das - ein Wunsch . . . Bis zur ProLight & Sound und zur Begegnung mit dem neuen HYPEX-Modul AS2.100. Dabei handelt es sich um eine 2-kanalige DSP-Weiche mit zuätzlichem, digital gefilterten Subwoofer-Ausgang und 2 eingebauten Digitalendstufen. Der "normale" AS2.100 besitzt nur einen analogen Eingang, die "Luxusvariante" AS2.100 Digital versteht auch SPDIF und USB-Audio. Letztere Variante funktioniert also wie eine externe USB-Soundkarte.

Damit sind eine Vielzahl von Varianten möglich:

Bei Verwendung von 2 Modulen ergeben sich weitere Möglichkeiten:

Außerdem kann das Modul gebrückt und so die Verstärkerleistung auf 140 W an 4 Ohm erhöht werden.

Technische Daten (Herstellerangaben):

  • Class-D Verstärker (UcD100) mit 2 x 100 Watt an 4 Ohm
  • Eingangsimpedanz 10 kOhm
  • Verstärkung 20 dB (10-fach)
  • Lautstärke einstellbar von -99 bis +6 dB in 1 dB-Schritten
  • 3-Wege-Mono-DSP mit je 12 Filterelementen für Tiefton und Hochton sowie 6 Filterelementen für den Subwooferkanal (V1.3)
  • Jeder Zweig kann von 0 bis 1000 uS (0 bis 34 cm) verzögert werden in Schritten von 1 uS (0.34 mm)
  • Bei jedem Filterelement kann die Frequenz von 1.0 bis 96000 Hz in 1/100 Oktavschritten eingestellt werden
  • Bei jedem Filterelement kann die Verstärkung von -144.0 bis +15.9 dB in 0.1 dB-Schritten eingestellt werden
  • Bei manchen Filterelementen kann die Güte von -0.1 bis 20.0 in Schritten von 0.05 eingestellt werden

Uns scheint die Anwendung von einem Modul als "Über-Alles-Entzerrung" von einem Paar (Breitband-) Lautsprechern mit mittlerem bis hohem Wirkungsgrad besonders interessant zu sein. So können die negativen Auswirkungen von Raummoden reduziert und etwaige Frequenzgangfehler kompensiert werden. Soll noch ein Mono-Subwoofer zur Bassunterstützung verwendet werden können die Satelliten sogar hochpassgefiltert und so vor der Schwerstarbeit im Tieftonkeller bewahrt werden - was JEDER Lautsprecher mit einem weniger gestressten Verhalten im Nutzfrequenzbereich quittiert. Dieser "Nebeneffekt" ist für Besitzer von Surroundsystemen zwar kalter Kaffee, bei Anhängern der reinen (Stereo-) Lehre ist dieses hochgradig sinnvolle Feature aber leider absolute Mangelware - und daher um so mehr hervor zu heben.

Mit einem Modul pro Box lassen sich auch relativ preiswert höchstwertige und extrem flexibel einstellbare 2-Wege-Aktiv-Boxen aufbauen. Rechnet man die Kosten für die ansonsten fällige passive Frequenzweiche und die Stereo-Endstufe heraus dürfte das nicht viel teurer werden.


Prinzipielle Vorgehensweise:

Die Vielzahl an Einstellungsmöglichkeiten von DSP-basierten Systemen lässt sich ohne messtechnische Unterstützung kaum sinnvoll nutzen. Die grundlegende Vorgehensweise beim HYPEX AS2.100 ist wie folgt:

  1. Einbau der Chassis im abzustimmenden Gehäuse
  2. Messung der einzelnen Zweige mit derselben Lautstärke und Abtastfrequenz und an demselben Messpunkt (dadurch muss man sich um enige "kritische" Aspekte der Messung nicht kümmern)
  3. Import der Messdaten (hier in Form der eher unanschaulichen Impulsantwort)
  4. OFFLINE-Manipulation des Frequenzgangs der einzelnen Zweige per Software (bei 2-Wege-Systemen wird auch die Überlagerung am Messpunkt berechnet)
  5. Überspielen der gefundenen Einstellung in das Modul
  6. Anhören des Ergebnisses am Hörplatz und Messen sowohl am ursprünglichen Messort als auch am Hörplatz
  7. Die Schritte 4-6 sind so lange zu wiederholen bis das Ergebnis zufriedenstellend ist

Im Prinzip ist das ähnlich wie mit Boxsim bei passiven Boxen. Es fehlt beim AS2.100 aber die Möglichkeit sowohl den Freifeld-Frequenzgang (0°) als auch den Energie-Frequenzgang zu betrachten (dieser ist prinzipiell NICHT als Impulsantwort zu exportieren). Daher sollte das Ergebnis immer auch am Hörplatz gemessen werden. Es gelten dieselben Optimierungskriterien wie bei passiven Boxen (s. Frequenzweichen - vom Anfänger zum Profi (Teil 6, Punkte 3 und 4)).


HiFi-Selbstbau-Messungen:

Zunächst haben wir die Verstärkersektion etwas unter die Lupe genommen:

  • Kanalungleichheit 0.09 dB
  • Verstärkung 20.2 dB bei Lautstärkestellung 0 dB
  • Linearitätsabweichung der Ausgangsspannung < 0.1 dB bis 21 Vrms (1 Kanal, 3.6 Ohm)

-> das sieht doch schon mal ganz ordentlich aus

Das HYPEX-Modul verwendet Digitalverstärker. Dadurch entsteht weniger Abwärme und der Wirkungsgrad erhöht sich gegenüber einem konventionellen Verstärker. Damit kann der Aufwand für die Kühlung und/oder der Bauraum geringer ausfallen:

Stromaufnahme an 2x 3.6 Ohm Last:

Ausgang
[Vrms]
Ausgang
[Wrms]
Aufnahme
[Wrms]
Wirkungsgrad
0 2x 0.0 4 0 %
1 2x 0.3 11 5 %
2 2x 1.1 13 17 %
5 2x 6.9 26 53 %
10 2x 27.8 76 73 %
15 2x 62.5 189 66 %

Wir haben die Verzerrungen bei Ausgangsspannungen von -20 (1.308 Vrms) bis +3 dB (18.46 Vrms) gemessen bei Belastung eines Kanals mit 3.6 Ohm (24 Stück 5 Watt-Widerstände à 0.15 Ohm in Reihe auf einen Kühlkörper geklebt):

Das entspricht einer Leistung von 0.5 bis 95 Wrms:

Anregung Leistung K2avg K3avg K4avg K5avg K6avg K7avg
-20 dB 1x 0.5 W 0.03% 0.03% 0.01% 0.02% 0.01% 0.01%
-10 dB 1x 4.8 W 0.07% 0.05% 0.01% 0.02% 0.01% 0.01%
-3 dB 1x 23.8 W 0.15% 0.04% 0.01% 0.03% 0% 0.01%
0 dB 1x 47.5 W 0.21% 0.05% 0.01% 0.02% 0.01% 0.01%
1 dB 1x 59.8 W 0.24% 0.05% 0.01% 0.02% 0% 0.02%
2 dB 1x 75.3 W 0.28% 0.11% 0.03% 0.11% 0.03% 0.08%
3 dB 1x 94.8 W 0.30% 0.91% 0.23% 1.05% 0.24% 1.10%

Hier zeigt sich das typische Verhalten von Transistorverstärkern: der Klirrfaktor ist bei kleinen bis mittleren Ausgangsspannungen sehr gering, steigt aber kurz vor den maximalen Ausgangsspannung extrem stark an - als wenn man mit dem Auto vor eine dicke Betonmauer fährt. Lautsprecher haben da ein ganz anderes Verhalten: sie haben schon bei kleinen Schalldruckpegeln deutlich höhere Verzerrungen als die Verstärker, diese steigen kontinuierlich an und auch kurz vor der maximalen Belastbarkeit ergibt sich nicht ein so plötzlicher Anstieg des Klirrfaktors. Um im Bild des vor eine Wand fahrenden Autos zu bleiben: beim Lautsprecher ist das so, als würde man auf einen riesigen, relativ weichen Schaumstoffblock prallen (Formel-1-Fans würden den Reifenstapel wählen).

Daher kommt der Ausspruch, dass ein Verstärker eigentlich nie genug Leistung haben kann - damit man nie an diese "harte" Grenze kommt. Bei Röhrenverstärkern ist diese Grenze deutlich weicher, daher reagieren diese deutlich unkritischer auf kurzzeitige Übersteuerungen sondern fungieren quasi als sanfte Dynamikkompressoren (weshalb man auch oft Röhrenschaltungen für analoge Dynamikkompressoren verwendet).

Bei gleichzeitigem Abschluss mit 3.6 Ohm-Lasten war eine maximale Ausgangsspannung von 15 Vrms machbar, das sind ca. 62.5 Watt.


Erste Praxiserfahrungen:

Die Installation der Software bereitete keine Probleme. Wir hatten die Digital-Option geordert, bei der die Signale auch über SPDIF oder die USB-Schnittstelle an das Gerät gesendet werden können. Der AS2.100 fungiert dabei quasi als externe Soundkarte. Beim ersten Anschluss installiert sich diese "Soundkarte" automatisch und drängelt sich als Standardgerät vor evtl. andere im System befindliche interne Soundkarten - wie sich das gehört.

Bevor wir zur Software kommen müssen wir erst unserem Ärger über das Bedienpanel Luft machen. Auf dem Panel befinden sich 3 Taster (Ein/Aus, Lauter, Leiser) sowie eine IR-Diode für die Fernbedienung. Leider schweigt sich die Bedienungsanleitung darüber aus, welchen Code eine evtl. schon vorhandene IR-Fernbedienung denn senden müsste. HYPEX bietet zwar auch eine Fernbedienung an - die ist aber für die gebotene Leistung nicht ganz billig (20.37 € + MwSt) und außerdem eine Strafe für das Auge. Das Verbindungskabel zwischen AS2.100 und dem Bedienpanel ist nur für kleinere Boxen ausgelegt, für eine Dolly reicht es definitiv nicht zur Frontwand. Die mitgelieferte Bemassungszeichnung ist bei einer Herstellung einer schön aussehenden Frontplatte nicht sonderlich hilfreich. So ist die genaue Lage der Taster ebenso wenig bemaßt wie die des Infrarot-Sensors (der zudem noch falsch eingezeichnet ist). Neuerdings gibt es glücklicherweise ein fertiges und chic aussehendes Panel zu kaufen, der Preis ist mit 37.50 € + MwSt aber ganz schön happig . . .

Nach Start des Programms "Hypex DSP Filter Design.exe" kommt man zunächst in das Control-Panel. Dort stellt man die grundlegende Konfiguration ein:

  • welches Eingangssignal soll genommen werden (Standard ist "Automatisch" bzw. die letzte Einstellung)
  • welches Setup soll genommen werden (Standard ist "2-Channel" bzw. die letzte Einstellung)
  • wie laut soll das Signal wiedergegeben werden (Standard ist "-96 dB" bzw. die letzte Einstellung)

Über "View / Filter design" (oder Strg+F) gelangt man dann zum DSP-Herzen des AS2.100:

Für Channel 1, Channel 2 und Subwoofer können nun Messdaten geladen

und bis zu 12 (beim Subwoofer 6) sog. Biquads (Beispiele s.u.) eingestellt werden. Die Einstellphilosophie unterscheidet sich von Geräten wie dem BEHRINGER UltraDrive DCX 2496 oder dem ALTO MaxiDrive 3.4PC und ähnelt eher der Philosophie bei den HiFi-Akademie-DSP-Modulen. Man kann z.B. keine bestimmte elektrische Filtercharakteristik eingeben (wie Bessel, Butterworth oder Linkwitz-Riley) und auch keine Steilheit größer als 12 dB/Oktave. Dafür kann man beliebige dieser Filter hintereinander schalten und so zusammen mit dem Frequenzgang der Chassis beliebige akustische Filtersteilheiten erzielen.

Man kann wählen, was man alles angezeigt bekommen will:

  • der importierte Frequenzgang des Chassis wird anzeigt, wenn der Haken bei "Show" gesetzt ist (dünne rote (=Channel1) bzw. grüne (=Channel2) Linie)
  • der Frequenzgang der Summe aller Filter wird anzeigt, wenn der Haken bei "Show Filter" gesetzt ist (dicke cyanfarbene Kurve)
  • der Frequenzgang jedes einzelnen Teilfilters wird anzeigt, wenn der Haken bei "Show Biquad" gesetzt ist (dicke orangefarbene Kurve)
  • der Frequenzgang des gefilterten Chassis wird anzeigt, wenn der Haken bei "Show Filtered Driver" gesetzt ist (dicke rote (=Channel1) bzw. grüne (=Channel2) Linie)
  • der Summen-Frequenzgang von Kanal 1 und 2 wird anzeigt, wenn der Haken bei "Show Sum" gesetzt ist (dicke schwarze Kurve)

Folgende Funktionen eines Biquads sind möglich:

  • Unity = keine Filterwirkung des gewählten Teilfilters (Standardeinstellung)
  • LPF1 = Low Pass Filter 1 (= Tiefpassfilter 1. Ordnung = 6 dB/Oktave); es kann nur die Frequenz eingestellt werden
  • LPF2 = Low Pass Filter 2 (= Tiefpassfilter 2. Ordnung = 12 dB/Oktave); es kann die Frequenz und die Güte eingestellt werden
  • HPF1 = High Pass Filter 1 (= Hochpassfilter 1. Ordnung = 6 dB/Oktave); es kann nur die Frequenz eingestellt werden
  • HPF2 = High Pass Filter 2 (= Hochpassfilter 2. Ordnung = 12 dB/Oktave); es kann die Frequenz und die Güte eingestellt werden
  • Shelf1 = Shelving Filter 1 (= Stufenfilter 1. Ordnung = 6 dB/Oktave); es kann die Frequenz, die Höhe der Stufe und die Lage der Stufe (Low Shelf = Stufe im Bassbereich, High Shelf = Stufe im Hochtonbereich) eingestellt werden werden
  • Shelf2 = Shelving Filter 2 (= Stufenfilter 2. Ordnung = 12 dB/Oktave); wie Shelf1, aber es kann die es kann zusätzlich die Güte des Übergangsbereichs eingestellt werden
  • Asymmetric Shelf (= asymmetrischer Stufenfilter 2. Ordnung = 12 dB/Oktave); wie Shelf2, aber die Güte kann für beide Übergangsbereichs einzeln eingestellt werden
  • Boost/Cut = es handelt sich um einen parametrischen Equalizer mit Einstellung der Mittenfrequenz, Dämpfung und Güte

Zur Veranschaulichung der Möglichkeiten hier ein paar Frequenzgänge:

Hinweis: In V1.2 und V1.3 stimmte die gemessene Filterfrequenz nicht genau mit der Anzeige überein (es gab einen Offset von 1 Schrittweite nach unten, d.h. erst bei einer softwaremäßigen Einstellung von 1023 Hz trat die maximale gemessene Wirkung eines PEQ bei 1000 Hz auf)


Das erste Projekt: Inputdaten messen und laden

Die mitgelieferten Beispieldaten waren nicht besonders erquicklich, außerdem wollten wir ja mit realen Messdaten arbeiten. Hypex empfiehlt (bzw. geht davon aus), dass die Messdaten am selben Punkt mit derselben Verstärkungseinstellung gemessen wurden. Dann muss man sich nicht um die tatsächlichen Schallentstehungsorte und Lautstärken kümmern sondern betrachtet nur das relative Verhalten - was die Messung überschaubar und eine Pegelkalibrierung entbehrlich macht.

Ein eigenes Messprogramm wird allerdings nicht mitgeliefert. Als Eingangsdaten wird die Impulsantwort des eingebauten Chassis erwartet, die man z.B. mit ARTA messen kann (dazu reicht bereits die Demo-Version). Es empfiehlt sich ein möglichst lineares Mikrofon zu verwenden. ARTA kann zwar (in der lizenzierten Version) den Frequenzgangfehler bei der Berechnung der Frequenzgänge berücksichtigen, dies hat aber keinerlei Auswirkung auf die angezeigte und exportierte Impulsantwort!!!
Hinweis: Eine Korrektur der Impulsantwort wäre nicht ganz einfach und wir vermuten, dass auch andere Messprogramme wie Hobbybox und Clio dies nicht tun.

Das bedeutet, dass in den exportierten Daten der Frequenzgangfehler des Messmikrofons enthalten ist! Unsere Übersicht von 200 kalibrierten Mikrofonen zeigt, dass dieser Fehler selbst bei Messmikrofonen zwischen 50 und 100 € wie dem BEHRINGER ECM 8000 oder dem IMG STAGELINE ECM 40 nicht vernachlässigbar ist und diese Mikrofone eine große individuelle Streuung aufweisen. Man sollte also den individuellen Fehler seines Messmikros kennen und ihn sich "wegdenken" und ihn nicht etwa per DSP "wegbügeln".

Das Format der Eingangsdaten ist leider nicht dokumentiert, kann anhand der Beispieldateien aber leicht "erraten" werden (Beginn des mitgelieferten Datensatzes WOOF1.DAT):

-2.08779956528E-07
-4.94390037145E-08
-6.97349347114E-09
-3.24234051177E-07
-1.32260516898E-07
...

Es wird nur die Amplitude der Impulsantwort erwartet, jeweils eine Amplitude pro Zeile (wissenschaftliches Format nicht zwingend, aber das Dezimaltrennzeichen muss ein Punkt sein -> ggf. die Ländereinstellung temporär auf Englisch umstellen). Die Nennung der zugehörigen Zeitachse spart man sich um die Dateigröße kompakt zu halten. Das Programm geht davon aus, dass alle Amplitudenwerte im Abstand 1/Abtastfrequenz auftreten (der Beispieldatensatz WOOF1.DAT ist immerhin 625 kB groß). Die Abtastfrequenz wird leider nicht im Dialog für den Datenimport (Schaltfläche "Select" im Channel 1 bzw. 2) sondern an einer völlig anderen Stelle definiert (Menu "File/Settings" im FilterDesigner), was die Sache etwas unanschaulich macht.

Leider stimmt die Behauptung, dass alle Dateien mit der Endung *.imp, *.txt oder *.dat angezeigt werden nicht, denn TXT-Dateien werden nicht aufgelistet.

Hinweis: Da das Hypex-Modul intern mit einer Abtastrate von 48000 Hz arbeitet empfiehlt es sich die Messungen auch mit dieser Abtastfrequenz zu machen!

Üblicherweise arbeitet man in der Frequenzgang-Ansicht. Dieser Reiter des unteren Teilfensters ist mit "Magnitude" bezeichnet. Daneben gibt es die beiden Reiter "Impulse" und "Step", in denen die Impulsantwort bzw. die Sprungantwort gezeigt wird.

Um eine ausreichende Frequenzauflösung zu haben muss die Impulsantwort eine bestimmte Länge haben. Dann wird aber nicht nur der Direktschall sondern auch Reflexionen mit erfasst, wodurch es zu einem "verzappelten" Frequenzgang kommt (s. a. Messen ohne RAR). Dies kann man entweder durch eine stärkere Glättung der Daten "wegbügeln" (s. vorletztes Bild, z.B. "Graph smoothing (octave)" = 0.5) oder aber man "beschneidet" die Impulsantwort graphisch. Dazu markiert man mit gedrückter linker Maustaste den interessierenden Bereich von links nach rechts (die Amplitude wird immer automatisch skaliert) und lässt dann die Maustaste los. Dann wird der markierte Zeitausschnitt angezeigt. Mit gedrückter rechter Maustaste kann man den Ausschnitt verschieben, einen zu klein geratenen Ausschnitt kann man durch Markieren eines beliebigen Abschnitts von rechts nach links wieder auf den gesamten Bereich erweitern. Die Markierung hat erst nach Drücken der Schaltfläche "Truncate" (= abschneiden) einen Einfluss auf die Berechnung des Frequenzgang. Ein ggf. bereits deaktivierter Anteil der Impulsantwort wird grau dargestellt.

Ein Problem ist, dass ARTA das von Hypex gewünschte Format nicht direkt schreiben kann. Ein Export als MLSSA-ASCII-Datei hat zwar fast das richtige Format (es müssen nur die 3 Kopfzeilen von Hand gelöscht werden)

0 <- manuell="" l="" schen="" startzeitpunkt="" td="">
0.020833 <- manuell="" l="" schen="" zeitinkrement="1/Abtastfrequenz)</td">
16384 <- manuell="" l="" schen="" anzahl="" der="" zeilen="" td="">
-7.893871E-004
-8.080585E-004
-9.180989E-004
-9.487625E-004
-6.130849E-004
...
ARTA Exported impulse response (normalized to max=1)

aber leider wird (wie in der letzten Zeile der Exportdatei beschrieben) die Impulsantwort immer auf 1 normiert und führt so zu Pegelunterschieden. So sieht z.B. der überlagerte Frequenzgang bzw. die überlagerte Impulsantwort von Bass und Hochtöner der Dolly in 1 m Abstand in ARTA aus:

Wenn man diese Messungen als MLSSA-ASCII-Datei exportiert

und in den HypexFilterDesigner importiert sieht das Ergebnis so aus:

-> uuups, der Bass ist jetzt 14 dB lauter anstatt 15 dB leiser !?!?!

In ARTA muss man daher die Impulsantwort als CSV-Datei exportieren (ein ggf. gesetzter Start- und Stopp-Cursor wird dabei übrigens NICHT berücksichtigt). Die Ländereinstellung sollte dafür temporär auf Englisch umgestellt werden.

Numpoints 16384
SamplingRate(Hz) 48000
Mic-sensitivity(mV/Pa) 672.099948
Time(s) Amplitude(V)
0.0000E00 -3.8029E-04
2.0833E-05 2.7000E-05
4.1667E-05 -2.3443E-04
6.2500E-05 -4.3119E-04
8.3333E-05 -2.9747E-04
... ...
3.4131E-01 5.6578E-05

Wenn man diese CSV-Datei mit einer Tabellenkalkulation öffnet wird der Inhalt in der Regel automatisch in 2 Spalten angezeigt (sofern die Ländereinstellung noch auf Englisch steht). Man muss dann nur die zu exportierenden Felder der 2. Spalte markieren, das gewünschte Zahlenformat einstellen und die Zahlen über Strg+C in die Zwischenablage kopieren. Dann öffnet man eine leere Textdatei mit dem Editor oder Notepad, fügt den Inhalt der Zwischenablage mit Strg+V ein und speichert das Ergebnis als Name.txt ab. Dann sollte es so aussehen:

-3.8029E-04
2.7000E-05
-2.3443E-04
-4.3119E-04
-2.9747E-04
...
5.6578E-05

Wenn man diese Datei dann noch in *.imp umbenennt kann man sie leicht in den HypexFilterDesigner importieren und dann stimmen auch die Lautstärkeproportionen:

Hinweis: Zur Veränderung des Anzeigebereichs muss man die rechte Maustaste innerhalb der Diagrammfläche drücken, sie gedrückt halten und kann dann durch Bewegung nach oben bzw. unten den Bereich verschieben (die Dynamik von 40 dB bleibt immer gleich).

Wenn alles so weit vorgegeben ist sollte man das "DSP-Project" unter "File / Save" erst mal abspeichern:

Die Ergebnisdatei enthält die Endung *.dsp - und ist recht klein. Sie enthält alle Einstellungen und einen Verweis auf die Dateien mit der Impulsantwort mit einer absoluten Pfadangabe. Wenn man ein Projekt also woanders weiterbearbeiten will muss man:

  1. die Dateien mit der Impulsantwort mitkopieren
  2. auf dem Zielrechner entweder dieselbe Verzeichnisstruktur haben (nicht immer praktikabel)
  3. oder die Daten erneut laden

Es wäre wünschenswert, wenn die Daten im Projekt enthalten wären. Um Platz zu sparen könnte man sie z.B. binär speichern (4 Byte für einen Short-Wert, die 2 byte für CR+LF entfallen -> Datenreduktion auf ca. 25%).


Das erste Projekt: Frequenzgang verbiegen

So, nun kann man in Ruhe mit den Biquads herumspielen und den Frequenzgang "kneten". Ziel ist es eine akustische Trennfrequenz von ca. 1000 Hz mit einer akustischen Filtersteilheit von ca. 24 dB/Oktave zu erzielen. Da ein 38cm Basslautsprecher nicht beliebig sauber beliebig hoch spielen kann sollte die Trennfrequenz möglichst niedrig sein. Andererseits kann die Hochton-Horn-/Treiber-Kombination nicht beliebig tief spielen. Aus den gemessenen Frequenzgängen und Hintergrundinformationen wie Klirrfaktor und Rundstrahlverhalten ergibt sich ein relativ schmaler Korridor für die Trennfrequenz von 1000 +/- 100 Hz. Damit die Horn-/Treiber-Kombination nicht thermisch und/oder mechanisch überlastet wird ist eine akustische Filtersteilheit von 24 dB/Oktave das Minimum. Die Kombination fällt unterhalb von 700 Hz ohnehin von alleine mit 24 dB/Oktave ab; damit dieser "Knick" nicht mehr stört sollte die Horn-Treiber-Kombination bis dahin bereits -18 dB unter Bezugspegel abgefallen sein. Auch der Basslautsprecher fällt oberhalb von 1500 Hz bereits von alleine mit 24 dB/Oktave ab, hier gilt das Entsprechende.

Damit der Anzeigebereich besser ausgenutzt werden kann wollen wir zunächst mal den Hochtöner grob zurecht biegen. Dazu nehmen wir ein Shelving-Filter "Shelf1" mit 10000 Hz und -12 dB und reduzieren den Pegel noch um 5 dB:

Das sieht im Prinzip schon ganz gut aus, aber so ließe sich die Trennfrequenz von 1000 Hz nur durch eine nachfolgende Anhebung erzielen. Wie wäre es stattdessen mit einem parametrischem Equalizer "Boost/Cut" (F = 2500 Hz, Q=0.90, -12.0 dB)?

Na, das seht doch schon prima aus! Der leichte Hochtonanstieg auf Achse entspricht etwa der Überhöhung des Messmikrofons, der "wahre" Frequenzgang wäre also linear (gar nicht so einfach mit dem "Wegdenken"). So dann wollen wir uns mal an die Filterung machen. "Leider" kann man pro Biquad beim hier benötigten Hochpass nur eine Filtersteilheit von 6 dB (HPF1) bzw. 12 dB (HPF2) pro Oktave einstellen. Wie um alles in der Welt kommt man denn dann auf eine Filtersteilheit von z.B. 24 dB/Oktave? Dazu muss man 2 Biquads HPF2 "entsprechend kombinieren". Na toll, und wie macht man das? Das hängt davon ab, welche Filtercharakteristik man erzielen will:

Filtercharakterisitik Eigenschaft
Bessel möglichst konstante Gruppenlaufzeit im Durchlassbereich -> "sanfter" Übergang in den Sperrbereich, geringes Überschwingen im Zeitbereich
Butterworth Frequengang im Durchlassbereich möglichst lange linear ohne Überschwingen im Frequenzbereich, im Sperrbereich nach -3 dB-Frequenz möglichst gleichmäßiger Abfall mit X · 6 dB/Oktave -> "runder" Übergang in den Sperrbereich, mittleres Überschwingen im Zeitbereich
Tschebyscheff Übergang zum Sperrbereich möglichst steil, dafür wir dim Durchlassbereich eine bestimmte konstante Welligkeit zugelassen
Linkwitz-Riley Konstanter Spannungsfrequenzgang bei Kombination mit spiegelbildlichem Tiefpass; 6 dB Abfall bei Trennfrequenz -> 2 hintereinander geschaltete Butterworth-Filter

Im Folgenden werden verschiedene Filtersteilheiten und Filtercharakteristiken verglichen:

Die folgende Tabelle zeigt exemplarisch, wie man ein 1000 Hz Hochpassfilter mit verschiedenen Filtercharakteristiken und Steilheiten mit dem HypexFilterDesigner aus Biquads zusammen setzen kann:

Charakteristik Steilheit Pegel @ 1 kHz 1. Biquad 2. Biquad
Alle 6 dB/Oktave -3.01 dB HPF1 (F=1000 Hz) -
Bessel 12 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1000 Hz, Q=0.577) -
Butterworth 12 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1000 Hz, Q=0.707) -
Tschebyscheff 2 dB 12 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1000 Hz, Q=1.129) -
Linkwitz-Riley 12 dB/Oktave -6.02 dB HPF2 (F=1000 Hz, Q=0.500) -
Bessel 18 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F= 707 Hz, Q=0.691) HPF1 (F= 756 Hz)
Butterworth 18 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F= 786 Hz, Q=1.000) HPF1 (F=1000 Hz)
Tschebyscheff 2 dB 18 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F= 726 Hz, Q=2.551) HPF1 (F=2801 Hz)
Bessel 24 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1023 Hz, Q=0.522) HPF2 (F= 557 Hz, Q=0.805)
Butterworth 24 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1390 Hz, Q=0.541) HPF2 (F= 719 Hz, Q=1.307)
Tschebyscheff 2 dB 24 dB/Oktave -3.01 dB HPF2 (F=1819 Hz, Q=0.929) HPF2 (F= 708 Hz, Q=4.594)
Linkwitz-Riley 24 dB/Oktave -6.02 dB HPF2 (F=1000 Hz, Q=0.707) HPF2 (F=1000 Hz, Q=0.707)

Am Beispiel eines 18 dB Hochpasses mit Butterworth-Gesamt-Charakteristik wird die Überlagerung der Teilfilter gezeigt. Das tiefere, leicht überschwingende Filter wird von dem höher einsetzenden, flacheren Filter "eingebremst". Die Kombination führt schließlich zum gewünschten Verlauf:

Ganz schön kompliziert, oder? Leider kann man auch keine Zielfunktion vorgeben, wie das mit ARTA geht und wie es im Artikel DSP-Weichen richtig einstellen beschrieben wurde. Dann würde man einfach so lange herumfummeln, bis die Zielfunktion mit hinreichender Genauigkeit erreicht ist.

Nach so viel Theorie wieder zurück zur Praxis. Ein Hochpass bei 1200 Hz und einer Güte von 0.9 ergibt zusammen mit der vorherigen Einstellung einen Abfall von 6 dB bei 1000 Hz und einen schönen runden Übergang vom Durchlassbereich (> 1000 Hz) zum Sperrbereich (< 1000 Hz), wie er typisch ist für ein Linkwitz-Riley-Filter.

Beim Bass ist die Sache etwas schwieriger,

Durch die Messung in 1 m Abstand und den Verzicht auf eine "Beschneidung" der Impulsantwort hat man mit Raumeinflüssen zu kämpfen (z.B. die Überhöhung bei 250 Hz), dafür stimmen die Pegel- und Zeitverhältnisse bei einem so großen Hornsystem besser.

Wenn beide Frequenzgänge einem Linkwitz-Riley-Verlauf 4. Ordnung entsprechen und sich bei -6 dB treffen würden, dann müsste die Überlagerung laut Theorie einen linearen Summenfrequenzgang ergeben.

Uups, wo kommt denn der Einbruch her? Jetzt kann nur noch ein Zeitversatz zwischen Tief- und Hochtöner die Ursache sein. Das Hochtonhorn ist ja sehr lang, das Signal des Hochtöners kommt also zu spät am Mikrofon an. Hier hilft z.B. eine digitale Verzögerung des Basssignals um beide Anteile "zeitrichtig" zu überlagern. Dies ist ja gerade der große Vorteil von DSP-Systemen.

Beim AS2.100 fällt auf, dass der Zeitversatz in 1 us Schritten bis 1000 us = 1 ms einstellbar ist. Das ist bei einer Abtastfrequenz von 48000 Hz eigentlich unmöglich, da wäre die kleinste realisierbare Zeitdifferenz 1 Abtastwert = 1/48000 s = 21 us. Außerdem ist die Gesamtverzögerung mit 1 ms = 34.3 cm für den Zeitversatz zwischen Subwoofer und Satelliten bzw. von Filter-Gruppenlaufzeiten nicht immer ausreichend.

Ein Blick auf die Impulsantwort mit den Einzelkurven und der Summenkurve zeigt, dass der Hochtöner tatsächlich deutlich zu spät kommt. Leider ist die Skalierung der Zeitachse nicht fein genug um den Zeitversatz näherungsweise bestimmen zu können, aber durch Ausprobieren ergibt sich ein Zeitversatz von 550 uS, bei dem der Frequenzgang im Übernahmebereich sehr linear ist:

Alternativ kann man auch das Delay bestimmen, bei dem der Einbruch maximal ist. Hier würde also eine perfekte Auslöschung passieren. Dann kann man entweder das Chassis verpolen oder aber die Wellenlänge bei der "Einbruchsfrequenz" bestimmen und um 1/2 Wellenlänge verzögern (was auch einer Phaseänderung von 180° entspricht).

Und so sehen die Impulsantwort und die Sprungantwort mit und ohne Zeitversatz aus:

Hinweis: Bei der Impuls- bzw. Sprungantwort wird nur die ungefilterte Impulsantwort (dicke rote bzw. grüne Linie) sowie - optional - die gefilterte Summen-Impulsantwort (dicke schwarze Linie) dargestellt.

Man sieht sehr deutlich, dass das Gesamtsystem bei linearem Frequenzgang nicht "zeitrichtig" ist, sondern das typische Verhalten eines Linkwitz-Riley-Systems 4. Ordnung zeigt. In wie weit das hörbar ist haben wir versucht in unserem Artikel Zeitrichtig - schon wieder oder immer noch (Teil 1) mit Hörbeispielen zu klären. Im Prinzip wäre natürlich auch ein "weniger zeitfalsches" System mit trotzdem linearem Frequenzgang machbar, aber das sprengt den Rahmen dieses Artikels.


Das zweite Projekt: einen Breitbänder linearisieren

Die 2. Übung ist deutlich einfacher. Hier soll eine "Über-Alles-Entzerrung" eines Breitbandlautsprechers gemacht werden, in diesem Fall der MarkO mit dem MARKAUDIO Alpair 10. Das benötigte Grundsetup sieht auch etwas anders aus:

Wenn das Modul eine "Über-Alles-Entzerrung" eines Stereo-Lautsprecher-Systems machen soll muss das Modul ja wissen welcher der beiden Kanäle der Box mit dem eingebauten Modul zugewiesen werden soll (= Master position). Wenn man das "vergisst" bekommen beide Kanäle dasselbe Mono-Signal :-(

Da nur die Impulsantwort eines Chassis geladen werden muss, da gibt es keine Probleme mit dem relativen Pegel. Allerdings blieb die Frage in welchem Abstand gemessen werden sollte und unter welchem Winkel:


-> über 1 kHz sind die Messungen in 10cm und 20cm Abstand nicht repräsentativ, da der Schallwandeinfluss kaum erfasst wird
-> unter 1 kHz blenden die Messungen in 10cm und 20cm Abstand den Raum besser aus


-> ein breiter Peak um 1 kHz sowie 2 schmale Peaks bei 5 und 7.5 kHz fallen auf
-> um 4 kHz gibt es einen "Durchhänger"

Schließlich haben wir uns für die 50 cm Messung unter 0° entschieden:

Dann werden eventuelle Frequenzgangfehler "ausgebügelt". Dabei sollte man nicht nur auf den Frequenzgang auf Achse gucken, sondern auch auf den winkelabhängigen Frequenzgang bzw. den Frequenzgang am Hörplatz. Unserer Erfahrung nach sollte > 500 Hz eher auf einen gleichmäßig abfallenden Frequenzgang am Hörplatz entzerrt werden. Sollten dann im Nahfeld auf Achse noch Peaks zu erkennen sein sollte man Peak für Peak entschieden ob er ganz, teilweise oder gar nicht zusätzlich entzerrt werden muss, weil er am Hörplatz nicht mehr in Erscheinung tritt. Zunächst die Simulation im HypexFilterDesigner (Freifeld-Frequenzgang des Mikros NICHT kompensiert):

Diese Abstimmung gefiel uns hörtechnisch am besten. Durch Ein- bzw. Ausschalten jedes einzelnen Filters bei der Wiedergabe von rosa Rauschen konnte man die Notwendigkeit und Stärke einer Entzerrung subjektiv recht effektiv beurteilen. Und das ergab sich dann messtechnisch in unserem Hörraum am Hörplatz nach einigen Iterationen (räumlich gemittelt, Freifeld-Frequenzgang des Mikros kompensiert):

Oberhalb von 500 Hz ist der Verlauf nun sehr ausgewogen. Wegen der zu hohen Frequenzen hin zunehmenden Bündelung und der zunehmenden Absorption ist bis 10 kHz ein kontinuierlicher leichter Abfall erstrebenswert, darüber fällt der Frequenzgang wegen der Freifeldentzerrung des Mikrofon noch stärker ab. Dies ist weniger ein "Fehler" des Chassis sondern mehr eine Folge der Rahmenbedingungen.

Eine Entzerrung der Überhöhung bei 400 Hz raubte der MarkO zu viel Grundtonvolumen und klang bei Männerstimmen falsch, da dort die Klangfarbe andauernd wechselte. Auf eine Entzerrung im Bassbereich haben wir ebenfalls zunächst verzichtet, dies wird vor allem im Zusammenspiel mit einem Subwoofer wichtig.


Das Arbeiten mit dem AS2.100:

Bei dieser Abstimmarbeit mit dem AS2.100 fiel auf, dass ein Umschalten zwischen 2 Setups bzw. das Ausschalten einer kompletten Entzerrung bestehend aus mehreren Biquads nicht so schön funktionierte wie man das vom DCX oder MaxiDrive gewöhnt ist. Man hört regelrecht wie sich die einzelnen Biquads der Reihe nach zuschalten (erst links, dann rechts), was den Effekt verschmiert. Außerdem ist keine Echtzeitumstellung möglich, d.h. eine Änderung wird immer erst dann wirksam, wenn man "Download / LoadDSP" (oder Crtl+F9) betätigt hat. Man kann zwar die Einstellung vom linken Kanal auf den rechten Kanal kopieren (was im Fall der MarkO gemacht wurde), man kann aber beide Kanäle nicht fest koppeln. Wenn man dann vergisst die Änderungen des linken auch auf den rechten Kanal zu kopieren hört man irgendwas - nur nicht das was man wollte.

Die "Echtzeitfähigkeit" und der "Stereo-Link" wären sehr hilfreich, wenn man bei einem parametrischem EQ (= Boost/Cut) die Frequenz, Güte und Amplitude nach Gehör einstellen wollte.

Die Anzeige der Impulsantworten (16384 Abtastwerte) dauert auf unserem langsamen Laptop (Pentium I, 233 MHz) z.T. über eine Minute. Hier wurde offenbar nicht auf eine schnelle Programmierung durch den direkten Aufruf von API-Grafik-Funktionen geachtet. Mit so einem "Schätzchen" ist daher kein zügiges Arbeiten möglich. Bei einem modernen Laptop gibt es aber schon nichts mehr zu meckern, der macht die wenig zeitoptimierte Grafikausgabe durch eigene Rechenpower wieder wett . . .


Fazit:

Der Hypex AS2.100 ist ein kleines, feines, extrem vielseitiges Gerät. Mit einem Modul ist eine "Über-Alles-Entzerrung" von einem Paar (Breitband-) Lautsprechern mit optionaler Hochpassfilterung (= Entlastung der Satelliten) und Raumentzerrung im Bassbereich recht preiswert und effektiv machbar. Mit 2 Modulen sind komplette 2-Wege-Aktivboxen mit DSP-Entzerrung realisierbar.

Die Software ist im Prinzip sehr leistungsfähig, hat aber zur Zeit noch ein paar Kinderkrankheiten (langsame Grafik, Fensterhöhe auf 1024 x 768 Bildschirmen nicht komplett darstellbar, Beschriftung und Skalierung der Grafik nicht optimal).

Außerdem gibt es noch den ein oder anderen Wunsch bei der Software (Vorgabe einer Zielfunktion, Kompensation des Mikrofonfrequenzgangs, realistischere Einstellung des Zeitversatzes, Umschalten von Setups, optionaler Stereo-Link) bzw. Hardware (z.B. Bemassung / Bauvorschlag DIY-Bedienpanel, längere Zuleitung für Bedienpanel, verschiedene Setups am Bedienpanel wählbar, automatisches Ein-/Ausschalten bei Signal).

Aber auch so ist der AS2.100 schon eine dicke Empfehlung wert, denn mit dem HYPEX AS2.100 wird die DSP-Technologie mit ihren prinzipiellen Vorteilen auch für kleinere Systeme erschwinglich!

Auf der HiFi-Music-World 2009 werden wir die MarkO mit und ohne Subwooferunterstützung mit dem AS2.100 betreiben, und auch die Dolly könnte mit einem Modul pro Seite komplett aktiviert werden.